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Category: Comics

Robert Kirkmans „Invincible“

Robert Kirkmans „Invincible“

Im Grunde geht es bei „Walking Dead“ nur um Liebe. Wie ein roter Faden zieht sich dieses Thema durch Robert Kirkmans Werk. Und daran glaube ich fest. Und damit wäre schon alles gesagt.

Nicht alles, was die Comics transportieren wollen, in in der Serie in gleicher Weise betont. Doch der Geist, der diesem eher abgedroschenen Thema „Zombies“ eingehaucht wird, machte mich zum leidenschaftlicher Leser. Und das obwohl ich dem Genre gar nicht soviel abgewinnen konnte. Doch die Geschichte, die Walking Dead prägt, ist eine zutiefst humanistische Grundhaltung, die die Zweifel der sehr normalen Menschen innerhalb der Handlung immer wieder hervorhebt, und das moralische Dilemma, in dem sie sich befanden, in den Vordergrund stellte.

Es ist ein Setting, das seine Genialität nur langsam entwickelt. Alle deine Freunde, Verwandten wandeln sich, und vorherrschend ist bei „Walking Dead“ immer die zutiefst verzweifelte Suche nach ihrer Menschlichkeit. Wann loslassen? Wann weiterkämpfen?

Nach meiner persönlichen Ansicht entwickelt eine Geschichte immer dann ihre wirkliche Größe, wenn sie in einem realen Leben Platz findet, und dort ihre fantastischen Inhalte glaubwürdig anpasst. Bei „Walking Dead“ passiert genau das. Fern jeder Klischees, formt Robert Kirkman, aus einer zufälligen Gruppe bunte Gesellschaftsanteile, die sich schwerlich in gut und böse trennen lassen. Die einzelnen Personen haben ihre Schwächen und ihre Stärken, setzen beide ein und die Sympathieverteilung kann sich wandeln. Nicht jede Figur ist zu Beginn favorisiert. Nicht jede Begeisterung kann sich halten. Das führt langfristig zu tiefe und Nähe. Ich konnte bei meinen ersten Versuchen, mich mit den Comics anzufreunden, keine Begeisterung für die Zeichnungen empfinden. Sie entsprachen nicht dem Stil, den ich beim schnellen Durchblättern suchte, aber die Wärme und die Lebendigkeit der Personen zogen mich in ihren Bann. Kirkmans offener und vorurteilsfreier Umgang mit Personen, die einem breiten Panoptikum der Gesellschaft entsprangen, trägt durch diese sehr gewalttätige, blutige Geschichte einen positiven Grundton. Der Mann kann was.

Ich blieb dabei, und fortan war sein Name wichtig, denn sein Schreiben ist sehr zurückgelehnt, gut beobachtet und von einer beeindruckenden Nähe.

Als Marvel seine Helden vor einiger Zeit in einem Zombie-Umfeld ansiedelte, lag es nahe auf ihn zurück zugreifen. So prangt sein Name auf dem Cover, aber tatsächlich fehlt diesen abgedrehten, widersinnigen Stories die feinen Nuancen der realen Welt, die Kirkman so gut beschreiben kann. In den Marvel-Geschichten geht es um eine Situation, in der alle Helden von einem Zombievirus befallen werden, und dann in ihren Kostümen nach Menschen Ausschau halten. Das ist Widersinnig, abgedreht, und wahrscheinlich mit sehr viel Koffein zu Papier gebracht, aber nicht Kirkmans Sujet.

„Invicible“ dagegen ist eine jener Superheldengeschichten, die mittlerweile eine eigene Richtung darstellen. Der kritische Umgang mit dem Ethos, der Mythologie und dem Agieren dieser Figuren hat seinen eigenen Tenor gefunden. „Watchmen“,“Dark Knight“ und viele andere gute Beispiele zeigen die Sinnkrise, in der sich Marvel und DC seit dem Ende der Achtziger befinden.

War es früher so, dass die Kritik von außen kam und vor allem das Vigilantentum, gottähnlich und das Verhältnis zu den Menschen mehr und mehr in Frage stellte, so haben die großen Verlage diese Themen mittlerweile an sich gerissen und präsentiere ihre Helden*innen im Laufe der letzten Jahre zunehmend als zerrissene, gespaltene Persönlichkeiten, die fortwährend mit ihrem Schicksal hadern. Die vielgelobten „Watchmen“ gehören heute zum Portfolio von DC und werden erfolgreich in deren Universum integriert. Dadurch wird die Farbigkeit des Verlages bereichert, aber auch ein großer Teil der Botschaft sukzessiv verwässert.

Es ist also in der heutigen Zeit nichts mehr Ungewöhnliches einen distanzierten Umgang mit Superhelden zu schildern. „Miracleman“, die immer wieder vergessene, verschollene Serie, deren Rechte ständig irgendwo verloren werden und neu verhandelt werden, hat – obwohl unbekannt – eigentlich alle Thematiken abgehandelt. Was sollte hier noch komme?

„Invincible“ jedoch ist eine Kirkman-Story, angelehnt an dem großen blauen Helden des DC-Verlages, arbeitet er sich an den Klischees der Figuren ab und wird immer dann stark, wenn er mit lässiger Hand zwischenmenschliche Verhältnisse einbaut.

Kurzes Wort dazwischen: Ich spoilere nicht, ich schildere keine Handlung, ich bewerte nur. Wer lesen will, um was es bei „Invicible“ geht, mag die Seiten des Verlages ansurfen.

Seine Größe erreicht „Invincible“ genau dort, wo es im Kleinen angelegt ist. Wenn es um die Mutter des Helden geht, um die erste Liebe, um Freundschaften und ähnliche Themen, wie sie auch in ganz anderen Bereichen zu finden sind. Kirkmans Geschichten würden alle auch ohne die fantastischen Elemente funktionieren, denn sie bemühen sich immer um eine Authentizität, die nachvollziehbar ist. Die fantastischen Elemente sind das Sahnehäubchen darauf, sie machen das Ding rund und bunt. Aber strippt man sie weg, dann merkt man, was für ein wunderbarer Autor der Mann ist, und wie leichtfüßig durch eine Geschichte spaziert, die die Wirrungen eines jungen Helden erzählt, der unvermittelt damit konfrontiert wird, dass er übermenschliche Kräfte und einen ausgesprochen seltsamen Vater hat.

Daher funktionieren Kirkmans Stories auf mehreren Ebenen. Und das muss ihm erstmal einer nach machen.

Vor kurzem gab es mal einen Artikel, typisches Click-Bait, der sich nur darum dreht, ob der Zombie-Virus in „Walking Dead“ nun aus dem Weltall kam oder künstlich erzeugt wurde. Dabei wurde mehr oder weniger klar, dass Kirkman sich überhaupt keine Gedanken darum gemacht hatte. Die gelegten Spuren deuten überall hin, und je nach Laune scheint er der einen oder anderen These zu zuzwinkern. Aber der Punkt ist, das es für diese umfassende Erzählung einer tragischen Reise im Grunde vollkommen irrelevant ist, wo dieses Virus entstand. Es würde nichts ändern.

Kirkman braucht diese Genre alle nicht, aber die brauchen ihn ganz dringend.

Inivinible bei Cross Cult

https://www.cross-cult.de/titel/invincible-1.html

MCU-Filme habe ich nach einer Viertelstunde vergessen

MCU-Filme habe ich nach einer Viertelstunde vergessen

Comics, so sagt man, sind ein aussterbendes Medium. Überhaupt Superhelden. Oberflächlich, amerikanisch, sexistisch, weit zurück in ihrer Zeit und Aussage.

Ich gehöre zu jenen alten Männern, die heute noch ein kleines Vermögen für diese Heftchen ausgeben, die immer noch Batman lesen, und mittlerweile bereit sind, für hochwertige Schmuckausgaben viel mehr zu zahlen, als sie jemals Taschengeld hatten. Die Zielgruppe für Comics hat sich gewandelt, die Zahlungsfähigkeit der Kunden auch, und trotzdem handelt es sich um ein aussterbendes Genre.

Marvel und DC versuchen seit geraumer Zeit ihre Geschichten für Charaktere und Themen zu öffnen, die früher überhaupt nicht in ihrem Fokus lagen. Beflügelt von ihren Filmen geht es nun auch um Frauen, Mädchen, Asien und einem verstärkt internationalen Erfolg, der die Verluste ausgleichen soll, die sie mittlerweile in Amerika erleben. Gleichzeitig wurden die Figuren zerlegt, neu interpretiert, teilweise realistischer, teilweise abgedrehter und sogar erwachsener, was aber meistens schlicht heißt, brutaler, hemmungsloser, gewalttätiger. Die Situation ist verfahren: Die Filme sind Megaerfolge, die Ursuppe Comics dümpelt vor sich hin.

In den letzten Jahren brachten Komödien um junge Männer ihre Weltfremdheit immer mal wieder mit einem vollgepackten Comicshop in Verbindung. Dort hielten sie sich einen großen Teil ihrer Zeit auf, wie in in einer Welt, die quasi ohne Frauen existiert. Beziehungslos, verträumt, mit einem Händler, der ein buntes T-Shirt und ebensolche Tattoos trägt. Mehr Freund als Händler, und vor allem ein Wissender, wenn es um Details, Zeichner und Autoren ging. Insiderwitze waren die Regel. In dieser Welt lebten die Legenden der X-Men, Avengers, Batman und Superman. Stets in wilder Konkurrenz zueinander. DC und Marvel. DC stand eher für eine zahme, konservative Richtung, Marvel für eine wendig Variante, sehr zeitnah, sehr bedacht darauf jung und wild zu wirken. Oft mehr Schein als Sein, aber genügend, um wie Telenovelas zu agieren und die Themen auf den Straßen aufzusammeln.

Je älter ich wurde, um so mehr versuchte ich mich dem Reiz der bunten Blätter zu entziehen. Und so wie ich das sehe, erging es vielen Menschen wie mir. Man wurde älter, aber fand immer mal wieder zurück zu Comics.

Deutschland hat keine Comickultur wie sie in Frankreich oder Belgien lebt. Es ist nicht eine eigene Literaturgattung, die gleichberechtigt zwischen der bildenden Kunst und der Belletristik steht. Es haftet der Bildgeschichte etwas kindliches an. Eine Welt, die verlassen werden sollte, wenn man älter, reifer und gesetzter wird. Der periodische SF-Roman in endloser Folge gereicht schon Besprechungen und Doktorarbeiten, und ist durch seine Gefolgschaft schon immer eine Mischung aus Schund und abgefahrener Voraussicht. Die Superhelden stehen immer noch am Straßenrand und kämpfen um ihren Einlass in das Feuilleton. Und erstaunlicherweise haben sie es mit den Filmen geschafft. Dabei sind sich alle einig, dass ein großer Teil der Werkte gut konzipierte Marketingmaschinen für die begleitende Industrie sind. Die Storys werden aus Versatzstücken, Verweisen und Heldenzusammenstellungen konstruiert, die es erlauben, eine Serie, eine Verzweigung zu schaffen, die dazu zwingt mindestens zwei Filme des Konzepts zu den Kassenschlager des Jahres zu machen. Die Anforderungen sind hoch, die Zahl der Beteiligten gleicht in Menge und Ausmaß denen einer Autofabrik in Brandenburg und die Gefahr eines Scheiterns hängt wahrscheinlich jedem so im Nacken, dass alles aufgeboten wird, was Hollywood herbeizaubern kann. Die lautesten, größten Tricks, die wildesten Explosionen, die nie gesehen Bilder, die fliegenden Menschen, die sich wie im Wildwasser bewegen, die Strahlen, die aus Augen, Händen und sonst wo herkommen und Welten, die wir noch nie gesehen haben. Und wenn es klappen sollte, dann bitte alles, wirklich alles in einem Film. Es ist wie Achterbahn fahren, eine Tour de Force durch das was möglich ist. Berauschend wild, in einer Geschwindigkeit, die Details vorbei rauschen lässt, bevor man sie erfasst. Und deren Details gibt es viele. Diese Filme sind gespickt mit Jahrzehnte altem Nerdwissen, dass sich in seinem Ausmaß auch nicht Wochen später voll erfassen lässt. Man muss den Film schon mehrmal gesehen haben. Artikel über Artikel beschäftigt sich mit den Easter Eggs, versteckten Hinweise und angerissenen Themen, die sich erst in zwei Jahren auflösen soll. Man neigt dazu, dahinter einen Plan zu vermuten, ein Konzept, eine Idee, eine Timeline, die in ihrer Gänze zu erfassen ist, wenn man alle Filme gesehen hat.

Selten wurde das Kino so nahe an die Streamingformate gebracht, wie in den Filmen des MCUs. Selten aber auch wurden die Fans so sehr mit hinein gezogen, in die Produktion, die Vorgespräche, die Umfragen und in die Entwicklung eines kommerziellen Konzeptes. Das Ergebnis ist erschlagend. Oft weit über zwei Stunden Kino, die in den Sessel drücken, Massenschlachten mit unzähligen Winzigkeiten zeigen und viele Informationen für Sekunden zuschmeissen. Zitate, die vieldeutig sind, Unterhaltungen, die nebulöser nicht sein könnten, Wirrwarr um Steine und Rätsel, die irgendwann zu einem Showdown führen sollen, an dessen Ende eine Unmenge neue Rätsel entstehen. Ich liebe das alles. Ich schaue es mir an. Und, das ist mir noch nie passiert, nach einer Viertelstunde, wenn ich die Colaflasche zurück zur Theke bringe, die leere Popcorntüte wegschmeisse, habe ich alles vergessen. Ich wundere mich, über die Diskutierenden, denn schon auf dem Heimweg verläuft sich alles und wenn der Filme, dann im Stream oder auf Blue-Ray auftaucht, habe ich null Ahnung, ob ich ihn wirklich gesehen habe.

Da ich schon sehr alt bin, schob ich es auf eine geistige Müdigkeit, aber mittlerweile glaube ich nicht mehr daran. Das Zeug ist zum schnellen Genuss, es birgt soviel Krimskrams, dass ich fast gezwungen bin, die Firma mit der kleinen Maus nochmal für eine zweite Sichtung zu bezahlen. Geht gar nicht anders. Spätestens wenn der nächste Teil kommt, muss ich mir vorher nochmal angesehen haben, um was es eigentlich geht.Und wie gesagt: Ich liebe das schon irgendwie.