Fast 30 Jahre später gleicht es einer forensischen Spurensuche. The Spirit of Eden war ein Projekt von Jens Gusek (Drums), Frank Vuono (Bass) und Oliver Frick (Gitarre, Vocal, Violine). Und letzteren bringt man zumindestens mit „The Coalminers Beat“ in Zusammenhang, jener Folkrock-Band, die in den 90er Jahren die Szene mit ihren Auftritten aufmischten.
Ganz anders, viel weiter weg vom Folk, viel näher dem Rock war dagegen „The Spirit of Eden“, und damit experimenteller, straigther, aber im Sound auch gewagter und verfrickelter.
Brüche, die die Gitarren verstummen lassen, die Geige in den Vordergrund heben, und einen Gesang, der unentschieden zwischen der Verfremdung und Klarheit wandelt. So harmonisch und dissonant, wie ein Clubabend bei dunklem Bier und kühlem Weißwein sein kann.
„Spirit of Eden“ malen dabei Bilder, grummeln Strophen, um die Refrains dann herauszuschreien, und unterlegen alles mit einem Teppich verlorener, verschwundener und dennoch wiederkehrender Klänge. Im besten Fall immer mündend in schwere, voran stürmende Rythmen, die den Boden für eine weite Steppe und ein großes Monument bereiten.
Das bleibt spannend, weil es differenziert, zu einem wilden Ritt wird, auf dem man sie gerne begleitet. Anspieltipp, weil mit all der Tragik und Ungestümheit ausgestattet, die man an dem Album schätzen lernt ist auf jeden Fall „The Door“. Allein das trockene Schlagzeug, die sonore Stimme und die Riffs, die das Ding so abrunden, dass für alle vergangenen und zukünftigen Roadmovies taugt. Auch wenn es an der Klippe endet. Bis dahin hat es sich ja gelohnt.
Gefällt sehr, clever gemacht, möchte man mitnehmen in eine Bestenliste.
Fragt mich nicht, was für ein Genre das ist. Ich hätte es vom Jahrgang woanders verortet, aber das liegt auch daran, dass ich ein großer Verehrer der amerikanischen Gitarrenbands der späten Achtziger war. Jene, die lärmend voranstürmten, als hätte es nie etwas vor ihnen gegebenen. Langer Satz, kurze Bedeutung. Ich mag es lärmig, und frech. Auch hier werden Vorbilder zitiert. Aber schon durch den manchmal abrupten Instrumentierungs- und Harmoniewechsel – immer brachial vollzogen – pocht es auf Eigenständigkeit. ( Hier zum Beispiel: „I Can’t hear your Heart“).
Ungern würde ich jetzt einen Namen nennen, der in der Nähe sein Lager aufgeschlagen hat, aber hin und wieder möchte man an die „Divine Horsemen“ denken . Und wenn sich alles sammelt, dann könnte es auch „Dream so real“ sein, aber all das sind nur schnell vorbeiziehende Gedanken. Um dem geneigten Leser ein Gefühl zu geben, wohin die Reise hin gehen kann.
Macht Spaß, hätte ich gerne mal live gesehen. Es verspricht so viel, und könnte live noch etwas massiver gewesen sein.
Weiterer Anspieltipp, wenn die Party noch etwas braucht: „Fuck You!“
Amber & the Moon waren mit Rhonda als deren Support auf der Tour. Amber & the Moon sind eine relativ junge Band, die ich bereits das zweite Mal in dieser Kombination erlebte. Für Rhonda war es bedauerlicherweise die Abschiedstournee. Für Amber & the Moon die Möglichkeit sich einem größeren Publikum bekannt zu machen. Vor allem in Regionen, in denen sie in der Regel nicht unterwegs sind. Ihr Auftritt fand in der Alten Hackerei statt. Für Rhonda schon eine bekannte Location, für Amber & the Moon ein neuer Ort. Sie wurden begeistert gefeiert, hatten ihre Chance charmant genutzt und sind sicherlich wieder gerne gesehen. Ich hatte kurz vorher die Möglichkeit eines Gespräches mit Ronja Pöhlmann (Gitarre, Gesang) und Jonathan Riedel (Bassgitarre und Gitarre, Gesang), und sprachen dabei über die Herkunft des Bandnamens, die bisherige und die kommende Platte, wie präsent eine Band allgemein sein muss. (Rhonda/ Support: Amber & The Moon in der alten Hackerei 27.11.2024)
… über den Namen Amber & the Moon
Jazznrhythm: Wenn ihr möchtet, dürft ihr einfach mal erklären, woher der Name Amber & the Moon kommt.
Ronja: Also Amber & the Moon ist mittlerweile eine vierköpfige Band und wir sind in Hamburg ansässig.
Ich komme eigentlich aus dem Süden Deutschlands, und bin vor fünf oder sechs Jahren nach Hamburg gezogen, um dort Musik zu machen und eine Band für mein Projekt zusammenzustellen. Doch leider bin ich bereits nach ein paar Monaten mitten in das Pandemie-Loch gefallen, gefolgt vom Lockdown. Und das muss ich ja nicht erklären.
Jazznrhythm: Jaja, den Lockdown musst du nicht erklären.
Ronja: Ich wollte nicht, dass mich das daran hindert, Musik zu machen. Ich habe in dieser Zeit den ersten Song namens “El Dorado” unter dem Namen Amber & the Moon veröffentlicht.
Da war ich noch alleine, ohne Band, und habe mich zu Hause in die technische Seite der Musikproduktion eingearbeitet, und diesen Song solo veröffentlicht.
Da brauchte ich natürlich dennoch einen Namen, der irgendwie nach Band klingt. Weil ich wusste, ich veröffentliche den ersten Song jetzt zwar alleine, aber irgendwann darf man wieder in die Welt gehen und Menschen und Musiker:innen kennenlernen. Daraus sollte sich ja schließlich eine Band ergeben.
Letztendlich ist Amber & the Moon eine Metapher für meinen gefühlten Songwriting-Prozess. Amber, Bernstein und der Mond: Der Bernstein, der durch den Einfluss der Gezeiten erst nach mehreren Jahrzehnten an die Meeresoberfläche gespült wird.
Das ist eher so ein Sinnbild: Wenn ich merke, das irgendwas in mir gefühlsmäßig rumort, ist das meistens der Moment, in dem ich zur Gitarre greife und dann versuche, diese Emotionen herauszuarbeiten.
Dann wirble ich den Sand auf und gucke, was da eigentlich in mir schlummert. Am Ende hat man dann plötzlich einen neuen Song und vor allem neu gewonnene Klarheit.
… über das Songwriting
Jazznrhythm: Du schreibst alle Songs und komponierst die alle?
Ronja: Genau.
Jazznrhythm: Oder ist das irgendwie Co-Working ?
Ronja: Ich schreibe die Songs zunächst alleine und irgendwann kommt der Moment, da ist die Idee weit genug. Dann teile ich diese Momentaufnahme mit der Band und setze mich dann meistens zuerst mit Jonathan zusammen und wir arbeiten die Gesangsharmonien gemeinsam aus.
Jonathan: Genau, früh zusammen, aber den Grundstein legst schon immer du.
Jazznrhythm: Und wenn du sagst fünfköpfige Band?
Ronja: Vier.
Jazznrhythm: Vier. Aber da ist dein Vater dabei, oder?
Ronja: Nee, nee. Mein Papa macht zwar auch Musik, aber mein Papa …..
Jazznrhythm: Irgendwie hatte ich gedacht, aber das Akkordeon ….wer spielt das Akkordeon noch?
Ronja: Achso, also mein Papa spielt Akkordeon auf einem Song auf dem ersten Album.
Jazznrhythm: Genau. Ich hab’s mir vorhin nochmal angeguckt, weil ich es irgendwann mal bestellt habe. Ich habe es nicht mitgenommen in Bad Canstatt. Und habe mir dann hinterher gedacht, warum hab ich es eigentlich nicht mitgenommen? Und dann doch bestellt bei dir.
Als ich das durchgelesen habe, wer spielt da alles mit, habe ich mich sehr gefreut, dass ein Akkordeon dabei ist. Und dann habe ich mir gedacht, Pöhlmann?
Ronja: Genau, kenne ich.
Jazznrhythm: Wer ist das? Da habe ich gedacht, ja, das wird er sein.
Okay, er ist also nicht Mitglied der Band, aber hat das Akkordeon gespielt.
Ronja: Ja, irgendwie hat das ganz gut gepasst. Ich dachte, das wäre ganz schön, das so zu vereinen. Ich bin in einem Haushalt groß geworden, in dem überall Musikinstrumente waren und das war, glaube ich, auf jeden Fall prägend.
Das war irgendwie so ein schöner Full-Circle-Moment.
Jazznrhythm: Du spielst eine ganze Menge Instrumente, wenn ich das richtig gesehen habe.
Ronja: Hauptsächlich Gitarre. Aber im Studio passiert es des Öfteren, dass jeder mal zu unterschiedlichen Instrumenten greift. Je nachdem, was gebraucht wird – das Nötigste kriegt man als Instrument-Laie meistens schon irgendwie hin.
Jonathan: Auf jeden Fall.
… über die Verbindung zu Rhonda
Jazznrhythm: Und wie war jetzt die Connection zu Rhonda? Weil ihr seid jetzt zum zweiten Mal mit ihr auf Tour. Also gibt es ja da eine Verbindung.
Ronja: Genau, Ben, Ben Schadow, der auch bei Rhonda produziert und Gitarre spielt, hat auch unsere Platte produziert und ist mittlerweile Teil der Band und spielt bei uns Bass.
Jazznrhythm: Er ist Teil der Band?
Ronja: Ja.
Jazznrhythm: Das heißt, man sieht ihn auf jeden Fall, auch wenn Rhonda sich jetzt auflöst, in Zukunft wieder mit euch zusammen.
Ronja: Genau.
Ronja: Ben hat zum Beispiel auch das Artwork von unserer Platte gemalt und ist kreativ sehr involviert.
Jazznrhythm: Stimmt. Die Platte ist jetzt von 2022?
…über Vinyl
Jonathan: 23.
Ronja: Januar 23.
Jazznrhythm: Macht ihr eine neue, eine weitere?
Ronja: Ja, wir arbeiten gerade am zweiten Album. Heute spielen wir auch neue Songs, die noch nicht veröffentlicht sind.
Das soll auf jeden Fall nächstes Jahr erscheinen.
Jazznrhythm: Ihr seid ja noch recht am Anfang, wenn man das mal so sagen darf. Ihr habt jetzt schon eine Vinylplatte rausgebracht. Ihr habt sie dann noch in digitaler Form. Wie viele Vertriebswege muss man denn jetzt eigentlich beachten, wenn man jetzt so eine junge Band ist und damit startet?
Ronja: Das ist, glaube ich, total individuell. Also ich denke, jetzt rein finanziell gesehen, ist es natürlich ein Unterfangen zu sagen, man produziert heutzutage eine Vinylplatte. Da der digitale Weg ja durchaus das neue Medium ist.
Es geht uns aber allen so, dass wir es sehr schön finden, was in der Hand halten zu können, und es dadurch sehr viel mehr Wert hat. Für mich zumindest. Ich finde die bloße, wenn auch utopische, Vorstellung verrückt, dass das Internet plötzlich zusammen crasht und dadurch alle Platten weg sein könnten.
Jazznrhythm: Das freut mich natürlich sehr, weil ich speziell auf Vinylplatten stehe und die auch kaufe. Und wenn ihr eine zweite rausbringt und die auch wieder als Vinylplatte, finde ich das auch toll.
…über Social Media
Aber man macht sich schon so die Gedanken, wie geht das? Also ihr müsst auf Spotify präsent sein, ihr müsst Bandcamp haben, ihr müsst irgendwas mit Instagram wahrscheinlich auch noch machen.
Wie viel würdet ihr sagen, ist eigentlich der Einsatz für Marketing und einfach Social Media jetzt für euch?
Ronja: Du meinst jetzt Kapazitäten?
Jazznrhythm: Kapazitätsmäßig, finanziell überhaupt nicht, ich meine es kapazitätsmäßig. Ich merke es selber, ich muss momentan für die Webseite, die ich mache, auf der das Interview dann später enthalten ist … muss ich eigentlich jeden Tag irgend etwas machen.
Ich bin aber nur auf ein oder zwei Plattformen aktiv und sage mir, die anderen kann ich nicht bedienen, da gebe ich auf. Die Frage ist auch, wie viel seid ihr aktiv, was macht ihr?
Ronja: Also, Instagram, Facebook, YouTube, offiziell haben wir einen TikTok-Kanal, aber der ist gerade etwas inaktiv… Ich habe gerade nicht mal mehr die App auf dem Handy.
Sagen wir mal so, meine Online-Aktivitäten finden primär auf Instagram statt, aber natürlich auch auf unserer Website und unserem Newsletter.
Ich glaube, das Hauptding ist schon der Newsletter. Da versuche ich immer, eine persönlichere Komponente mit einzubringen. Das ist ein Medium, auf dem man noch Geschichten erzählen kann – was jetzt auf Social Media irgendwie ein bisschen untergeht, beziehungsweise ist dort die Aufmerksamkeitsspanne einfach nicht sehr groß.
Und ich finde dieser Newsletter ist ein ganz schöner Weg. So sammelt man auf Konzerten neue Kontakte, baut eine persönliche Bindung auf und kann sie weiterführen.
Und es gibt auch immer mal wieder Menschen, die dann auf den Newsletter reagieren. Dadurch, dass es diesen Raum zum Austausch gibt, mache ich es ganz gerne.
Social Media ist natürlich ermüdend. Wir sind da, aber man hat immer das Gefühl, man könnte viel mehr machen und macht zu wenig. Und es ist natürlich schwierig, wenn Online-Zahlen den scheinbaren Wert und die Qualität der Musik festlegen.
Also, Festivals buchen dich oftmals nur, wenn du so und so viele Abonnent:innen hast. Das kann schon etwas ermüdend sein.
Jonathan: Ich glaube, es gibt keine Grenze nach oben, wie viel Aufwand man reinsteckt.
Solange man noch Zeit hat, zwischendurch auch noch Musik aufzunehmen, glaube ich, kann man so viel machen, wie man schafft.
Jazznrhythm: Ja, das ist eben der Gedanke. Gleichzeitig wollt ihr ja Musik aufnehmen, ihr wollt noch Songs schreiben.
…über die Elphilharmonie
Ich habe mitgekriegt, ihr habt Konzerte in der Elbphilharmonie gehabt, oder?
Ronja: Eins, aber das war sehr schön.
Jazznrhythm: Ja, aber, hey, die Elbphilharmonie sehe ich vielleicht einmal oder zweimal im Jahr, dann denke ich, wow, sie sind in der Elbphilharmonie gewesen.
Ronja: Ja, das war schon sehr toll. Es war auch eine große Ehre dort zu spielen und es war wirklich besonders. Lustigerweise gab es auf der letzten Rhonda-Tour, bei der wir auch komplett dabei waren, einen Tourstopp in der Elbphilharmonie. Und bei dieser Konzertreihe, “Made In Hamburg”, sind keine Support-Acts erlaubt. Das heißt, das war auf der letzten Tour das einzige Konzert, bei dem wir nicht mitspielen durften und “nur” hinten in den Publikums-Reihen saßen.
Ich weiß noch gut, wie wir da hinten saßen und ich mir vorgestellt habe, wie toll es sein müsste, irgendwann mal selber dort zu spielen. Es war reine Fantasie, entweder passiert es gar nicht oder vielleicht in zehn Jahren, wenn alles gut läuft.
Es war echt verrückt, dass ein Jahr später ein E-Mail von der Elbphi kommt à la “ Hey, wollte ihr da spielen?“
Jazznrhythm: Und war es schön voll?
Jonathan: Ja, auf jeden Fall. Wir hatten auch viele extra Leute auf der Bühne. Wir haben uns noch vergrößert. Wir hatten noch drei Streicher und einen Pianisten …
Jazznrhythm: …und davon gibt es jetzt keine Aufnahmen? Und die macht ihr jetzt nicht auf die nächste Platte drauf ? Oder sowas eben wie so einen Live-Mitschnitt ? So einen kleinen?
Ronja: Wollten wir ursprünglich. Tatsächlich wären da dann aber noch ganz viel versteckte Kosten angefallen. Das wäre dann zu teuer für uns geworden.
Der Plan für die zweite Platte ist nun, die Streicher:innen und den Pianisten auf jeden Fall aufzunehmen, weil dieses Konzert wirklich schön war und die Arrangements gibt es ja jetzt auch schon.
Jazznrhythm: Ja und ich kann mir vorstellen, dass es sehr, sehr gut passt. -In der Vorbereitung habe ich mir ja alles nochmal angehört.
… über das Genre Neo-Indie-Folk (usw.)
Wenn man jetzt eure Musik beschreiben müsste, fängt man natürlich erstmal wahrscheinlich mit dem Wort ruhig an.
Jonathan: Ja, wahrscheinlich.
Jazznrhythm: Bei Genre wüsste ich jetzt gar nicht, wie ich es bezeichnen würde. Wüsstet ihr es, wie ihr es bezeichnen würdet?
Jonathan: Wissen? Ne, aber man kann sich immer irgendwas aus der Nase ziehen.
Jazznrhythm: Aber irgendwie schreiben doch die ganzen Veranstalter irgendwelche Genres auf?
Ronja: Ja, Indie-Folk.
Jazznrhythm: Oh, toll, gut.
Jonathan: Es geht meistens in die Folk-Richtung. Wobei ich dann immer empfinde, dass es zu elektronisch für Folk ist. Zu viele E-Gitarren für Folk, für meinen Begriff.
Ronja: Aber vielleicht deshalb das Indie davor?
Jonathan: Ja genau, das macht dann das Indie-Folk.
Ronja: Oder Neo-Indie-Folk.
Jazznrhythm: Neo-Indie-Folk. Okay, was immer das auch ist. Na gut, also prima.
… über Auftrittsmöglichkeiten und die kommende Tour (in Planung)
Jazznrhythm: Das Thema Auftrittsmöglichkeiten allgemein. Wie seht ihr das? Gibt es zu wenige? gibt es Zu Viele? Müßte für junge Künstler noch mehr getan werden?
Jonathan: Ja, ich meine, das schadet nie. Es ist auf jeden Fall so, dass es schwierig ist, vor allem für kleine Clubs.
Jazznrhythm. Also sagen wir es mal so, wir haben hier in Karlsruhe, glaube ich, so 10, 12 Möglichkeiten aufzutreten. Die sind natürlich nach bestimmten Genres gegliedert und auch nach der Größe.
Und die haben jetzt schon das Problem, dass sie sich gegenseitig Konkurrenz machen.
Jonathan: Ah, krass. Das ist ja auch gar nicht so wenig…
Jazznrhythm: Ja, ja, genau. Also die versuchen alle natürlich Freitags und Samstags irgendwelche Artists ranzuholen, schaffen das auch ganz gut. Dann stehe ich auch als Besucher vor der Situation und denke, oh Gott, da würde ich jetzt gerne hingehen. Und in einen bestimmten Club gehe ich dann eben nicht.
Aber wie ist es denn für euch? Ich sehe euch jetzt zum zweiten Mal hier in der baden-württembergischen Gegend. Ist das einfach eine Tour selber zu gestalten? Könntet ihr das alleine auch machen?
Ronja: Das ist jetzt tatsächlich die Idee, wenn das Album dann im Herbst nächsten Jahres kommt, dass wir dann zum ersten Mal auf unsere eigene Tour gehen wollen. Und auch mit ganzer Band. Das hier ist jetzt die zweite Duo-Tour. Ich war einmal im Sommer noch Solo unterwegs. Eine eigene Tour zu buchen, ist finanziell auf jeden Fall nicht ohne. Man muss einen Tour-Bus mieten, Unterkünfte, Sprit. Da muss es sich schon irgendwie rechnen, damit eine Tour kein finanzielles Minus bedeutet. Und natürlich ist man in vielen Städten zum allerersten Mal – da weiß man oft nicht, wie viele Leute am Ende überhaupt kommen.
Deshalb ist es toll, in Gegenden zu spielen, in denen man merkt, es existiert eine gewisse Offenheit oder Dankbarkeit für Livemusik. Wenn Leute auch mal sagen: “hey, ich kenne die Band vielleicht nicht, aber ich gehe trotzdem hin und gucke mir das an.“
Jazznrhythm: Ich würde gerne mal die ganze Band sehen?
Ronja: Ja, also wenn du Empfehlungen hast, ist das hier der offizielle Aufruf, dass die Clubs sich bei uns melden dürfen.
Jonathan: Ja, genau so.
Jazznrhythm: Okay, wie läuft das ab? Also die Clubs melden sich dann in der Regel bei euch oder ihr meldet euch bei den Clubs? Ich glaube, es gibt alle Möglichkeiten, oder?
Ronja: Ja, genau.
Jonathan: Aber ich würde sagen, wenn man jetzt eine Tour plant, dann ist die Chance höher, dass man sich bei den Clubs meldet oder wenn man mit jemandem zusammenarbeitet, der beim Booking helfen kann oder das macht, im besten Fall. Dann melden die sich bei den Clubs. Das ist noch besser.
Ronja: Beides existiert auf jeden Fall. Eine Tour muss die Band oder das Booking-Team auf jeden Fall selbst buchen. Zwischendrin kommen aber auch immer mal Konzertanfragen rein und es zeigt sich durchaus hin- und wieder, dass wir uns im norddeutschen Raum einen kleinen Namen gemacht haben. Dass Leute an einen denken, wie “ Hey, wir haben dieses kleine Festival oder wir haben einen Slot frei, habt ihr Lust zu spielen?“ Das passiert auf jeden Fall auch.
Aber die erste eigene Tour…das ist ja auf jeden Fall spannend.
Jazznrhythm: Kann ich mir vorstellen.
Ronja: Wir müssen jetzt erst noch in die Planung gehen und gucken, was da so zusammenkommt. Sodass sich das irgendwie rentiert.
Jazznrhythm: Dann kommt ihr als komplette Band?
Jonathan: Auf jeden Fall. Wenn wir es irgendwie schaffen, auf jeden Fall. So lautet der Plan. Wir wissen es natürlich nicht, aber aus anderen Projekten kennt man das schon, dass es öfter mal so ist, dass kleine Clubs sagen, oh, mit Schlagzeug, das ist schwierig, das ist immer eng oder so.
Aber das ist die Ausnahme. Der Plan ist auf jeden Fall Band.
Jazznrhythm: Es ist tatsächlich so, dass wenn ich mir das überlege, in welchem Bereich das hier möglich wäre, dann sind es die kleinen Clubs.
Also in der Kombination, wie ihr momentan seid, kein Thema. Wäre kein Ding.
Aber wenn es dann, glaube ich, vier Leute auf der Bühne werden, dann fangen die schon langsam an, unruhig zu werden. Und wenn sie dann hören, Schlagzeug, dann sagen die sich, naja, dann müssen wir um 22 Uhr aufhören.
Ronja: Ich meine, mit unserer Musik ist es Gott sei Dank der Fall, dass die Songs in allen Formationen funktionieren. Also: Solo, zu zweit, zu dritt oder natürlich auch zu viert.
Es ist aber noch mal gewaltiger, wenn man mit der ganzen Band auftreten kann. Wenn es dann vielleicht nicht nur ganz ruhig in die Indie-Folk Richtung geht, sondern man auch mal ein bisschen mehr Variationen hinsichtlich Dynamik hat und alles mehr Energie trägt.
Jonathan: Ja, und wir sind zu viert näher am Album, natürlich. Auf dem Album ist ja auch die ganze Band.
Und wir haben auch einen ganz disziplinierten Schlagzeuger, der kann ganz sanft spielen, wenn er möchte.
Jazznrhythm: Okay, ich nehme es mit, ich trage es weiter. Ich sage es den Jungs. Der sanft spielende Schlagzeuger, der muss da natürlich dabei sein.
Ronja: Weiß nicht, ob er sich darüber freut, haha.
Jonathan: Doch, das ist ein Kompliment, glaube ich.
Jazznrhythm: Sie ist noch nicht fertig, die Tour. Ihr seid noch in der Planung?
Ronja: Genau, wir gehen jetzt in die konkrete Planung. Wir haben jetzt ein paar Leute an Bord, die uns unterstützen wollen.
Ein paar Veranstalter:innen, die ein paar Kontakte haben.
Jazznrhythm: Aber ihr wisst noch nicht, ob ihr in den Süden kommt.
Ronja: Hoffentlich schon, ja. Aber es ist natürlich ideal, wenn man Veranstaltungsorte findet, wo bereits ein gewisses Stammpublikum existiert, auf das wir uns ein bisschen verlassen können, sodass sicher genug Leute kommen.
Jonathan: Ja, da ist man einfach angewiesen auf Veranstalter, auf örtliche Veranstalter und Clubbetreiber, die das Publikum einschätzen können. Das ist immer gut, wenn jemand sagen kann, ich weiß, hier gibt es Laufpublikum, die kommen immer.
Zum Beispiel, wenn man Glück hat. Da hat man ja keinen Einblick, man wohnt da ja nicht.
Ronja: Oder dass die Leute wissen, die Kuration des Club-Programms entspricht ihrem Musikgeschmack. Sodass Menschen einfach mal auf ein Konzert von Künstler:innen gehen, die sie noch nicht kennen, aber hoffentlich danach gerne mögen.
Jazznrhythm: Ich glaube, das wäre schon zu machen. Kennt ihr die alte Hackerei? Habt ihr schon mal irgendwas von der gehört? Habt ihr das Programm von denen gesehen?
Ronja: Ja, wir haben gesehen, was draußen steht. Punkrock.
Jazznrhythm: Ja, genau. Es ist tatsächlich einer der härteren Läden hier.
Ronja: Da passen wir super rein.
Jazznrhythm: Da passt ihr auf jeden Fall super rein. Das wird bestimmt gut. Aber Rhonda war schon mal da.
Jonathan: Ja, die kennen das.
Jazznrhythm: Ich habe sie da schon mal gesehen. Und von daher, das wird funktionieren, das wird gut.
Jonathan: Ich mach mir gar keine Sorgen. Das ist bis jetzt immer schön gewesen auf der Tour.
Manchmal, wenn man in Norwegen unterwegs ist, dann sind die Wälder endlos, die Autos Pick-Ups und die Tankstellen haben gigantische Parkplätze. Die Straßen in Norwegen ziehen sich hin und wieder kerzengerade durch die grünen Flächen. Die Seen, die man ständig rechts und links erblickt, scheinen unberührt, und vieles von dem, was man wahrnimmt, gleicht dem nordamerikanischen Kontinent.
Trotzdem, Skandinavien, vor allem Norwegen ist ein Land des Metals. So kennt man das, so mag man das, so schätzt man das. Der Sound ist rauh, die Feste wild, und irgendwie passt das auch bestens zum Wikinger-Image, das durchaus geschätzt wird. Metal hat eine große Bedeutung, egal ob man in Finnland, Schweden oder Norwegen ist. Es muss nicht immer Death Metal sein, aber es macht auch nichts, wenn es genau das ist.
Aber in den letzten Jahren hat sich viel getan. Es gibt eine Jazzrichtung, die sehr angenehm und zurückhaltend, ganz faszinierend in die weiten Landschaften und Nordlichter passt. Viele Künstler berufen sich auf das weite Land, die langen Nächte und diese unfassbaren Mengen an Schnee, die sich wie ein Tuch zur Stille ausbreiten.
Die Winter in Norwegen sind erschreckend anders als hierzulande. Die Schneemengen sind überraschend massiv, die Wände, die sich dadurch auftürmen hoch und manchmal kann man Wege nur erkennen, weil nette Leute Stäbe zur Markierung in den Boden gerammt haben.
In dieser Welt hat sich in den letzten Jahren ein Genre gebildet, dass die Gemeinsamkeiten zum nordamerikanischen Kontinent hervorheben möchte, und dabei eine Art Folk und Country etabliert, um sich Nordicana zu nennen. Angelehnt an Americana. Jene Richtung, die einen sehr allumfassenden Blick auf die traditionelle Musik Amerikas werfen will.
Nordicana ist nicht nur in Norwegen angesiedelt, sondern versteht sich als skandinavische Variante des alternativen Countrys. Country war jahrelang eine immer stärker kommerzialisierte Musik, die einst von K.D.Lang „als Blues des weißen Mannes“ bezeichnet wurde, aber mittlerweile auch im R‘n‘B eine Variante anbietet, die stark Top-Ten-tauglich ist. Beyonce und Shaboozey haben Country zu etwas gemacht, dass seinen Einzug in die Clubs hält. Ganz anders Americana. Americana drängt raus aus den Clubs, zurück in die Ställe, Kirchen und Scheunen. Authentischer, in seinen Erzählungen bodenständiger. In seinen Sounds manchmal stark verlangsamt. Country aus der unabhängigen Sicht.
Und nun also Nordicana. In Norwegen ist es vor allem das Label „Die with your boots on“, dass seit 2019 als ein Unterlabel von Jansen Record, die Sparte mit eigenen Singer- und Songwriter belegt.
Jansen Records verlegt zum Beispiel Torgeir Waldemar, einem Singer-Songwriter aus dem Umfeld der Band „The Devil and the Almighty Blues“. Letztere würde man als Art Doom-Stoner-Bluesrock-Band bezeichnen. Er selbst ist ein erzählender Singer-/Songwriter, der stark verwurzelt in den amerikanischen Traditionen eine ganz eigene Variante der kernigen, trockenen Erzählung anbietet, die poetisch an Klischees und den Farben der Wüste anknüpft.
Malin Pettersen, vom „Die with your boots on“ – Label, würde niemand in Norwegen verorten, zu glasklar ist die Stimme, zu stark ist der Einfluss in Musik und Text von einem fast erträumten Amerika. Sie ist daher auch mit einem Fuß in Amerika, tritt dort auf Genre-Festivals auf, und bringt alles mit, was man von einem guten, traditionellen Country-Song erwartet. Bodenständige Ruhe und Gelassenheit, die sich an ländlichen Themen orientiert.
„Northern Belle“ sind eine vielstimmige Band, die an die schönsten Momente erinnerten, als Country aufbrach, um Kalifornien zu erobern. Leichtfüßige Melodien, die in den Siebzigern mit dem Rock flirteten, gelingen ihnen mit einem sympathischen Ambiente aus Chor, Background und detailverliebten Gitarren. „Northern Belle“ sind damit am nähesten am Tanzabend und Road-Movie. Eine Platte, die wirklich Spaß macht, weil Potential für eingängige Melodien und Wiederhören ist dabei „We Wither, we Bloom“.
Wie man die Sache mit Humor und einer prägnanten Stimme angeht, zeigt Ole Kirkeng, einem jungen Songwriter. Wem Titel wie „Fall in Love with you (at Ikea)“ einfallen, der muss sich keine Sorgen machen. Ole bewegt sich in seinem Metier, als hätte er schon sein ganzes Leben darin verbracht. Mundharmonika, Folkanklänge und ein Verständnis, das sich mit allen Großen messen kann. Ole Kirkeng hat mich, zugegeben, positiv überrascht. Immer wieder hören ist hier angesagt.
Nicht ganz so traditionell, schon eher in einer sehr verträumten, verspielten Folkvariante angesiedelt, ist Selma French, die eher an Namen wie Joni Mitchell und Suzanne Vega erinnert, aber sich durch den Gebrauch ihrer Stimme davon gleichzeitig wieder abhebt. Selma Frenchs Heimat ist daher auch nicht „DIe with your boots on“, sondern der ebenso beachtenswerte GRAPA-Musikverlag. Gerade weil Selma eine ganz eigene Art hat, das Thema Folk anzugehen, sei sie hier erwähnt. Denn auch Americana wurde erst durch Bands wie den Cowboy Junkies, Tindersticks, Lambchop und ähnlichen wirklich beachtenswert und wahrgenommen. Selma könnte daher eine Schlüselrolle bekommen, die in ihrer Eigenständigkeit liegt.
Zugegeben, es handelt sich hier nur um einen kleinen Einstieg in das Genre, aber ich möchte das gerne in den nächsten Monaten nochmal aufnehmen und mit einem zweiten Teil vervollständigen. Abgesehen davon ist das ein Aufruf an all jene, die mir gerne Tipps geben können oder wollen. Ich freue mich auf weitere Entdeckungen und Namen, die ich gerne hier anfüge.
Rückblick: Charles Bradley 03.07.2013, Tollhaus Karlsruhe
Im Zusammenhang mit Charles Bradley ist vieles zu erwähnen, aber vor allem Daptone Records. Daptone Records ist und war der richtige Plattenverlag zur richtigen Zeit. Immer ein bißchen mehr retro, ein bißchen mehr vintage, aber vor allem um einiges authentischer, was sich sonst in diesem Bereich tummeln möchte. Daptone Records scheinen ein wenig aus der Zeit gefallen. Mit all ihren Soul-Größen, die sich unter dem Dach versammeln, wirkt Daptone Records wie eine Plattenfirma, die die Zeit der großen Shows nochmal hochleben lassen will. Die Anfangsjahre des wilden Souls, als er unbereinigt, wild und schreiend, ungestüm und losgelassen über die Bühnen tobte. Alle Künstler, die Daptone Records in ihrem Portfolio haben, haben eines gemeinsam: sie sind akribische und versierte Musiker, die kenntnisreich und mit viel Begeisterung eine Musik spielen, die auf die Bühnen gehört und daran erinnern, wo James Brown, Tina Turner und viele andere ihre Wurzeln und Heimat hatten.
Es gibt, ohne dass sie Daptone Records angehören, eine Menge Bands auf dieser Welt, die den Soul immer noch so spielen, dass er lautstark, bläserlastig und mit Vehemenz rüber kommt. Ohne Zweifel. Ihnen gebührt alles, vor allem Dank, dass sie daran festhalten, und sich nicht von aktuellen Strömungen so beeinflussen lassen, dass all dieses verschwinden könnte. Aber Daptone Records vereinigt die Konsequenz, dieses im Design, der Covergestaltung, der Shows, der Musik, der Philosophie und dem Zusammenspiel zu vereinigen. Somit ist Daptone Records auch immer ein Netzwerk aus Musikern, die sich gegenseitig unterstützen, obwohl sie eventuell als Solostars selbst Erfolge feiern. Die MenahanStreetBand, die Charles Bradley auf den wichtigsten Veröffentlichungen begleitete, hat zum Beispiel eigene Platten, die auf jeden Fall hörenswert sind.
Charles Bradley, der wie eine der vielen Inkarnationen von James Brown wirkte, zeichnet eine unglaubliche Dankbarkeit aus. Seine Diskografie besteht offiziell – von den Samplern mal abgesehen – gerade mal aus vier Alben. Was nicht viel ist, für einen Künstler, dessen Wurzeln und Bewandtheit soweit zurückreichen. Aber wie viele talentierte Musiker verdiente er sich sein Geld über viele Jahre in Shows, die nicht seinen Namen, sondern den seines großen Vorbilds, hier James Brown, trugen.
Seine Bühnenpräsenz war daher eine Reminiszenz an all das was in den sechziger und frühen Siebziger Jahren wichtig war. Fette Bläser, ein charismatischer Frontmann, ein Auftritt, der schweißtreibend, ekstatisch und vor allem mit jedem Gefühl möglich war, das es offenbaren konnte.
Charles Bradley war ein sanfter Riese. Seine Stimme war gewaltig, laut, ungehemmt, mit allem was die Lunge hergab. Seine Ehrfurcht vor der späten Karriere war beeindruckend. Er liebte sein Publikum, und verstand es als seine Aufgabe möglichst viel zurück zu geben. Das sein Name, neben Sharon Jones, zu einem Zugpferd des Labels wurde, war nicht voraus zu sehen. Es begann alles sehr spät, und neuer Soul, auch R‘n‘B, erlebte zwar eine Retrophase, aber so richtig wild wagte sich niemand an die Geschichte. Lee Fields, Sharon Jones und Charles Bradley kippten alles, kickten es beiseite und fuhren wieder die alten Shows auf. Gemeinsam, getrennt, was immer möglich war.
Charles Bradley, der schon wegen seiner allumfassenden Armhaltung, „The Eagle“ genannt wurde, veranstaltete Zeitreisen, Rückholungen und eine Besinnung auf das, was man brauchte: Erdige Musiker, alte Orgeln, einen breiten Soundteppich und ein Publikum, das ihn frenetisch feierte. So war das damals im Tollhaus. Am Schluss wollte er alle umarmen, und, weiß Gott, es gibt nicht allzuviele Auftritte, die einem so in Erinnerung bleiben.