In dieser Folge geht es um den Tod von Thomas Buchta.Thomas Buchta war ein Fotokünstler, der mir seit ungefähr zwanzig Jahren bekannt ist. Wir lernten uns über die sogenannte Fotocommunity kennen. Ich war eine Zeit lang in der Fotocommunity Admin – das heißt, ich moderierte sie als Teammitglied zusammen mit anderen Admins. Unter den damaligen Nutzern der Platform fiel Thomas auf.
Er war eher ein grafischer Künstler als Fotograf. Seine Werke waren fantasievoll, provozierend, mutig, nicht unbedingt jedermanns Geschmack, aber von einem eigenen Humor und einem hohen Anspruch an den Detailreichtum geprägt. Thomas war Autodidakt, und eigentlich in ganz anderen Berufen tätig.
Umso spannender war es in diesem Zusammenhang, dass er eine unverkennbare Bildsprache entwickelte. Diese machte Musiker und MusikerInnen auf ihn aufmerksam.
So kam es, dass Thomas für viele verschiedene Künstler – unter anderem für Bushido und Knorkator – Cover kreierte. Seine Werke finden sich nun, verstreut auf den verschiedensten Plattformen im Internet.
Ich werde versuchen, im Zusammenhang mit diesem Podcast einige Links zu seinen Werken zusammen zu tragen und unterhalb des begleitenden Textes einzufügen.
Thomas starb gestern, am 22. November 2025. Sein Tod war von ihm selbst schon seit Tagen angekündigt und wurde von vielen Menschen begleitet. Krebs ist eine fiese Krankheit, und Thomas ging sehr transparent mit ihr um.
Der Podcast, der ein kurzes Interview mit ihm ist, entstand im Jahre 2019 vor der Pandemie und für eine ganz andere Plattform. „Not so urban“ war ein Format, in dem ich Menschen vorstellen wollte, die sich für ein Thema begeistern und darin aufgehen, und ihm daher ein Großteil ihres Lebens widmen. Thomas war ein großartiger Künstler, sein grafisches Werk und die Erinnerung sollten ihn überdauern. Und seine Worte und Mahnung dürfen nicht auf meiner Festplatte bleiben, sondern seinen Freunden und Fans gehören.
Ich hoffe, ich kann mit diesem Podcast dazu beitragen, dass seine Bilder nochmal betrachtet, und er nicht vergessen wird. Er war ein liebenswerter, kantig und grundehrlicher Mensch.
Mane And Friends „krautjazz.de“ CD #472 vom 07.November 2025
Einleitung
Es bedarf einer Einleitung: Das Projekt „Krautjazz“ begleitet mich seit fast einem Jahr. Als ich der Webseite (https://krautjazz.de) zum ersten Mal begegnete, nahm ich mir vor, dieses Thema eines Tages genauer zu betrachten.
Zu groß schien das alles, zu umfangreich das Material und zu vielfältig im Detailreichtum. Präsentiert sich die Seite selbst unspektakuläre, einfach zu durchsuchen und frei von allem Unnötigem – so handelt es sich dennoch um die beste Beschreibung von Understatement.
Was ich bei der ersten Betrachtung jedoch nicht wußte, und mir erst im Laufe der Beschäftigung klar wurde: „krautjazz.de“ ist in seiner Form ein gewaltiges Arsenal an musikalischen Experimenten und Können, wie es in diesem Land bestimmt einmalig ist.
Um all das in seinem Umfang zu erfassen, bedarf es daher mehr als nur einen Text und diesen Artikel. Es wird also ein Mehrteiler, denn das Material und die Geschichte, mit der es zu tun hat, ist ausufernd und reich an Anekdoten.
472 Sessions online!
Vor einigen Tagen, am 07.November 2025, erreichte mich die Nachricht, dass auf der Seite von „krautjazz.de“ die „CD“ 472 von Mane and Friends (kurz: MaF) erschienen ist. Diese Nachricht bekommt man regelmäßig, zeitweise wöchentlich, wenn man den Newsletter der Seite abonniert hat. Die Release-Abstände sind manchmal faszinierend kurz, der Output gewaltig.
Bis zurück ins Jahr 2013 reichen die Veröffentlichungen von Manfred Bock und seinen Freunden. Er selbst, der Kopf und Initiatior hinter dem Projekt bedient in der Konstellation Gitarre, Bass, aber auch den Mischpult und ist letztendlich – so die Selbstbezeichnung – der Kurator. Zu den Musikern, die die Stammbesetzung darstellen, gehören: Derek Hauffen (Tasteninstrumente, Drums) , Bernhard Efinger (Gesang, Mundharmonika, Texte) , Erik Hartmann (Schlagzeug, Perkussion) und Werner Lapp (Holzblasinstrumente, akustische Gitarre).
Mane and Friends existiert in dieser Zusammensetzung als Studioband. Sie treten nicht live auf, ihr Material ist nicht transkribiert und ist – im Sinne von Jazz – „nur“ improvisiert. Der Reichtum und das Außergewöhnliche ergibt es sich aus der Qualität der Aufnahmen, dem versierten musikalischen Wissen der Anwesenden und vor allem den Gastmusikern.
Und alle, wirklich alle Aufnahmen, sind mit Cover, Label, Inlet liebevoll ausgestattet, und kostenlos unbegrenzt zum Download auf der Webseite bereitgestellt. 472 CDs warten damit auf ein Review!
Jede Session hat Gastmusiker, neue Besetzungen und mutige Kombinationen. Die Geschichte von Manfred Bock, Derek Hauffen und ihren Mitmusikern reicht weit zurück in die Rockgeschichte.
Im Rahmen der Recherche für das Karlsruher Archiv, das sich mit der Musikgeschichte von Karlsruhe und der Region beschäftigt, begannen wir alle Bandnamen, die uns bekannt waren, hin- und her zu werfen.
Es stellte sich dabei sehr schnell heraus, dass es einige Personen in Karlsruhe gibt, die all den Jahren – teilweise seit den frühen Sechzigern – in fast allen wichtigen Bands tätig waren und deren Geschichte Teil eines großen Netzwerks ist.
Kurz, wenn man sich mit der populären Musik In Karlsruhe beschäftigt, dann führt kein Weg an den Namen der Mitglieder von „Mane and Friends“ vorbei. In einem der folgenden Beiträge werde ich noch näher darauf eingehen. Hier sei schon mal gesagt: Wenn Manfred Bock und Derek Hauffen laden, dann kommen langjährige Freunde und viele Namen, die teilweise mit ganz anderen Genres und Geschichten verbunden sind.
Die Liste ist umfangreich und bunt: Gäste bei den bisher aufgenommenen Sessions waren z.B. Leonie Klein, Gabriel Herbst, Kibro, Mac Geyer, Claudia Olma, Elvira Novello, Sebastian Manuel Million, Giga Brunner, Gerhard Lesser, Jürgen Zöller, Wolle Koegel, Georg Stindl, Norbert Masino, Frank Benneter, Hubl Greiner, Klaus Becker, Rudi Metzler, Julia Neumann usw. usw.
Kraut und Jazz
So vielfältig, wie sich die Wahl der Gäste, präsentiert, so reich und verspielt ist die Musik, die bei den Sessions zustande kommt. Mane and Friends scheinen den Flow zu lieben, wirken entspannt, ausgesprochen professionell und geben sich und ihren Gästen immer wieder die Chance, kleine Diamanten zu erzeugen. Man möchte ihnen danken – für die Akribie und die Beständigkeit all das aufzunehmen und zur Verfügung zu stellen.
Verwunderlich ist, dass das seit Jahren weit unter dem Radar stattfindet, und der Umfang des Projektes von einer Bescheidenheit gezeichnet ist, die dem Können nicht gerecht werden kann.
Hört man sich die einzelnen Stücke an, so offenbart sich sehr schnell die Lässigkeit, der Witz, aber vor allem das Improvisationstalent der MusikerInnen. Der Name Kraut und Jazz ist Programm. Und wahrscheinlich die genialste Domain für das Thema.
Experimentierfreudig, wie sich ehemals der Krautrock auf die Reise begab und frei wie der Jazz, der alles in sich aufnimmt, sind die Aufnahmen. Durch die immer neuen Zusammenstellungen der Musizierenden ergeben sich neue Einflüsse und Konstellationen, die das Projekt spannend und gleichzeitig wild machen.
„Krautjazz“ ist daher ungehemmtes Improvisieren, aber wertvoll bleibt es durch seine Hörbarkeit, dem Hang zum Groove, und der Tauglichkeit für alle GenießerInnen. Mane and Friends arbeiten damit tapfer an einem Monument, das wöchentlich und über die Jahre wächst, aber vor allem für Musikliebhaber eine unglaubliche Fundgrube darstellt.
Die Gestaltung ist liebevoll, die CDs ergeben eine schlüssige Historie. Die Bedeutung für die hiesige Musikgeschichte ist noch nicht absehbar, denn auch wenn alles nach Spaß und viel Freizeit wirkt, dokumentiert es doch einen großen Teil der Verbindungen, die MusikerInnen untereinander aufbauen und welche wunderbare Sprache sie untereinander sprechen können.
Es kommt noch mehr
Manfred Bock und seine Freunde sind natürlich mittendrin, und ein Ende der Sessions ist nicht abzusehen. Wer jetzt einsteigt, der bekommt sicherlich den besten Eindruck, aber auch Jazznrhythm wird sich in den nächsten Wochen und Tagen nochmal damit beschäftigen. Dieses sollte nur ein kleiner Einstieg sein, der das Augenmerk ein bißchen auf diese Domain richtet. Hört euch das mal, wir werden noch mal darüber berichten. Reviews folgen selbstverständlich auch noch. Aber auch noch mehr!
Sex Beat & Themis im KOHI, Karlsruhe am 15.11.2025
Zwei Bands an einem Abend. Die regionale Helden um Themis (eigentlich Themistoklis Theodoridis) – beheimatet in Stuttgart – füllten nach der gestrigen Demo gegen die geplanten Einsparungen in der Kulturförderung zusammen mit Sex Beat aus Berlin das KOHI.
Alles noch im Kontext der Stimmung vom Stephansplatz, begleitet von einem Fernsehteam, war die Location fast komplett voll und in der besten Laune.
Themis im KOHI am 15.11.2025
Themis, eigentlich ein Projekt um den Sänger, präsentierte sich als Band (Bass, 2 x Gitarre, Schlagzeug) mit einem Konzept, dass verschiedene Elemente vereint: die Melancholie, Tanzbarkeit und die Düsternis der Übergänge und die Verspieltheit im Schrägen. Charmant präsentiert, mit einer liebenswürdigen Freundlichkeit, ein gern gesehener Gast im KOHI.
Wo Themis eine Gratwanderung durch die Zitate wagte, sich der Harmonie verpflichtete, und dem Punk Tribut zollte, durchbrach Sex Beat später alle Bezüge zu diesen süß-sauren Kompositionen.
Themis sind damit zwar nahe an den Geräuschen und unsteten Werken früherer Protagonisten einer aufbrechenden Zeit – aber frönen auch dem vielschichtigen Klang dreier Saiteninstrumente, die zu einem verschmelzen. Der Bass, gespielt von Yoko, immer nahe am Pop der sperrigen Sorte,- und damit treibende Kraft . Die begleitende Gitarre neben dem Sänger Themis, akzentuierte dagegen zwischen dem Groben und Feinfühligen. Da offenbarte sich viel Potential, viel Mut und viele Möglichkeiten, die bereits einfließen, aber auch schon Bestandteil sind.
Themis schöpfen damit aus dem Vollen, sind einer dunklen Grundstimmung verpflichtet, die sie Ansagen und Spielweise aber gerne mit einem Leuchten füllen. Man möchte sie fast höflich nennen, mit einem schmunzeln, und daher gerne wiedersehen.
Sex Beat im KOHI am 15.11.2025
Bands aus Berlin sind härter. Ohne Frage. Rauh, wild, ungebändigt, stark am Limit – Sex Beat gaben dem KOHI, was das KOHI wollte.
Die Melodie ist eine Struktur. Eine Struktur hat einen Beat. Ein Beat braucht nicht mehr. Runtergebrochen, auf den Nenner gebracht, muss das Ding treiben und alle schwitzen. Dann ist gut. Sex Beat sehen die Grenze nicht, sie durchbrechen sie trotzdem.
Dabei rissen sie ihr Set runter. In Hochgeschwindigkeit. So schnell wie möglich, so laut wie brachial. Immer mit dem Beweis: Mehr braucht es nicht. Ein Sänger der sich verausgabt, der schreit und tanzt, und springt und hüpft, der den einzelnen raus deutet, das Publikum auswählt, den Takt selbst bestimmt und dann nur noch Bass, Gitarre und Schlagzeug. Das war dicht, das war verlässlich.
Florian Püh (voc) ist schonungslos mit sich selbst und jedem der vor ihm steht. So wie Rosa Merino Claros fast cool und stoisch die Bassaiten anschlägt. Das funktioniert auch und vor allem, weil Christoph Hossbach, das Schlagzeug bearbeitet, als bräuchte er es morgen nicht mehr. Der Gitarrist hatte sowieso vom Metal gelernt. Weiß wie man düster und laut die Backings rausschmettert, wenn man sein Instrument in höchster Eile abschrubbert.
Wer heute noch den Zeiten von 76 nachtrauert, in denen die Clubs klein, beklebt, eng und die Bühne nah, aber die Sänger am Schluss vollkommen am Ende waren – na, der, der hat etwas verpasst. Sex Beat leben die Authentizität, die nur durch eine Zeitreise zustande kommen kann. Sie feierten nochmal die Ursprünge, lebten die neuen Einflüsse und lieben die klare Linie. Da geht auch nichts anderes, als irgendwann die Ansage: „Wir spielen noch vier Songs. Keine Zugabe.“
Rücksichtslose Tempo. Einmal durch. Nahe dem Zusammenbruch. Keine Zugabe. Gehalten. Versprochen. Konsequent. Klare Kante. Gut ist es. Respekt.
Ist das NUN ausverkauft, dann kann man von zwei Dingen ausgehen: Zum Einen: Die Band/MusikerInnen waren schon mal da. Zum Zweiten: Sie haben ihr Publikum gefunden und sind wieder zurückgekehrt.
Eine nicht zu unterschätzende Aufgabe kleiner Clubs und Location ist es, Bands eine wachsende Basis zu verschaffen. Das Duo Paula Paula war zum zweiten Mal im NUN. Fast ein Heimspiel für Marlène Colle (Keyboard, Gitarre und Gesang) und Kristina Koropecki (Cello, Synthesizer, Banking Vocals). Daher ausverkauft. Was dann bedeutet, die Band sitzt fast in der Mitte des Publikums. Ist von diesem eingekreist, aber auch eingebettet. Wie ErzählerInnen im Kreis der Lauschenden.
Paula Paula bewegen sich in einem Terrain, das textlich sehr intensiv, und musikalisch sehr feinfühlig in der überraschenden Ruhe fast heimisch ist. Die Reduzierung auf Cello und Keyboard, sowie Gitarre bildeten damit das Fundament für eine fast transparente Instrumentierung.
Sie schufen der Lyrik den entsprechenden Raum.
Die Kunst des Liedermachens, des poetisch Liedes, das textliche Feinheiten nicht verbergen möchte – und dabei eine sehr deutschsprachige Kunst war – ist heute eingegangen in so viele Schreibweisen. Nennt sich dann Indie-Pop, Songwriting, kammermusikalischer Pop oder gar Neo-Klassik, wenn Piano und Cello einfliessen.
Paula Paula zeigten auf, wie der Weg weitergeht. Durchaus politisch, durchaus feministisch, durchaus modern und voll im Leben, aber mit dem Bewusstsein, dass Texte bildhaft, intellektuell
und vielschichtig sein können, spielten sie mit den Elementen aller genannten Genres.
Variantenreich näherten sie sich dabei gedrehten Klischees, Stimmungsbilder und Themen, die bekannt, naheliegend, aber selten in solcher Poesie gekleidet waren. In einer schnelllebigen Zeit, die eine kurze Aufmerksamkeitsspanne feiert, ein gar mutiges Unterfangen. Wurde jedoch belohnt. Mit andächtiger Ruhe, zurückhaltender Atmosphäre und einem Publikum, dass sie begeistert zur Zugabe aufforderte.
Paula Paula gehören zu jenen KünstlerInnen, die einen eigenständigen Umgang mit Sprache und Komposition pflegen. Den mutigen Schritt der Verständlichkeit gehen, vor verletzlichen Bildern nicht zurückschrecken und eine Stimmung schaffen, die einen Umgang mit Melodie und dem Wort gewogen ist.
Paula Paula im NUN, Karlsruhe am 14.11.2025
Im NUN daher am richtigen Ort, und in der Beschränkung auf einen fast akustischen Abend, gut gewählt. Angekündigt ist eine Rückkehr im nächsten Jahr, ungefähr um die selbe Zeit, allerdings an einem anderen Ort, in einem anderen Rahmen, aber mehr werde ich noch nicht verraten. Man sollte jedoch schon mal mit einem schwachen Stift einen ungefähren Eintrag in den Kalender machen.
Paula Paula sind, und darauf legen sie Wert (darum wird es auch hier erwähnt) auf Bandcamp anzutreffen. Bandcamp ist die Alternative für all diejenigen, denen das Bezahlmodell der Streamingdienste ein Rätsel bleibt. Wo Spotify und Co. eine verwirrende, begrenzte Auszahlung nach Klicks und Hördauer fördert, ist Bandcamp der Platz, in dem die KünstlerInnen durch den Kauf ihrer Stücke (digital, Tonträger etc.) ein Maximum an möglichen Einnahmen haben plus der Möglichkeit für KundInnen den Preis ab einer bestimmten Höhe selbst zu bestimmen. Als Trinkgeld, als Dank, als Möglichkeit der Förderung.
Im besten Fall fühlt man sich wie ein Mäzen, und das ist ja auch schon was.
Paula Paula gehören zu den Bands, die die Zeit und die Aufmerksamkeit verdient haben. Im wahrsten Sinne independent bei Gestaltung ihrer Shirts, Plattencover, der Verarbeitung und der Liebe zum Detail, und im besten Verständnis engagiert, nahe und freundlich genug, um sie nächstes Mal bestimmt zu einem der schnell ausverkauften Acts im NUN zu machen.