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Tag: Vinyl

Plattenläden in Oslo

Plattenläden in Oslo

Oslo und Schallplatten

Oslo ist, was Plattenläden, anbelangt, sehr gut ausgestattet. Vinyl ist keine Mangelware, im Gegenteil. Wer sich auf die Suche macht, wird einiges finden. Die Läden sind durchgehend mit viel Liebe für Genres und Details befüllt, werden ausnahmslos von netten Menschen geführt und angesichts der Auswahl möchte man schwelgen.

Ich kann aktuell nicht alle besprechen. Liegt zum einen Teil an meinem kurzen Aufenthalt, aber natürlich auch daran, das ich irgendwie mein Handgepäck noch tragen muss. Die Reihenfolge in diesem Artikel ist zufällig und keine Wertung. Alle lohnen sich, und ich würde sagen: Besucht sie – wenn ihr Interesse an Schallplatten habt – auf jeden Fall.

Wie ich Platten kaufe

Einführend muss ich kurz erklären, wie ich Platten kaufe. 50 – 70% ist Wissen. Und der Wunsch einen Sammlungsschwerpunkt bzw. eine Diskografie zu vervollständigen. 30% und mehr sind ein Experiment. Bin ich in einem anderen Land, dann kaufe ich keine internationalen Schallplatten, nichts was ich daheim bekomme oder bestellen kann. Wenn ich nicht in England oder Amerika bin, dann wird der vorherrschende Angelo-amerikanische Pop- und Rocksektor komplett ignoriert. Starke Namen, große Künstlerinnen werden gezielt außen vor gelassen. Das gilt natürlich genauso für Jazz. Sicherlich entgehen mir viele Spezialpressungen. Egal. Ist so.

In Norwegen, schaue ich gezielt in das Norsk-Regal. Und natürlich in den regionalen Indie-Bereich. Norsk ist alles was norwegisch ist. Das unterscheidet sich nochmal von skandinavischer Musik. Skandinavische Musik bezieht die Nachbarstaaten mit ein. Es gibt Sortierungen, die hier nochmal weiter differenzieren nach Norsk-Metal, Norsk-Jazz und Norsk allgemein. 

Norsk-Metal ist für viele bestimmt ein Pflichtfach. Herausragend stark, etabliert und mit großen Namen bestückt. Ich habe zu wenig Ahnung davon, und bin auf Freunde angewiesen, die mir immer wieder einen Einstieg bieten. Und darin nicht müde werden.

Norsk-Jazz hat in den letzten Jahren sehr viel Popularität gewonnen, aber ist durch Labels wie ACT auch in Deutschland zu großen Teilen vertreten. Die Namen sind klangvoll, die Musik ist wunderbar, aber es ist oft kein Problem in Deutschland Online- oder regionale Stores zu finden, die sich hervorragend um dieses Genre kümmern. Im Einzelfall kann man aber durchaus hier noch Entdeckungen machen.

Wenn ich sage, das mindestens 30% ein Experiment sind, dann meine ich damit, dass ich Platten im Laden nie anhöre. Ich habe nicht die Zeit dazu, auch keine Lust. 

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich Musik, wenn ich sie mir im Geschäft anhöre, einen anderen Eindruck auf mich macht. Vieles, was ich im Zusammenhang mit dem kompletten Werk am Schluss schätze, hätte ich beim Probehören missachtet. Manches hat sich erst sehr viel später in einem anderen Kontext entfaltet. Ähnlich wie Wein. Der erste Schluck aus der frisch geöffneten Flasche kann täuschen.

Ich mag das Wühlen, das Lesen der Hülle, das Wiedererkennen von wichtigen Punkte und Themen, aber darauf beschränkt sich das. Es kommt vor, dass ich auf wirklich große Mengen unbekannter Platten treffe, die ich erstmal nach dem Cover im Kopf sortiere. Ich gehe immer davon aus, dass MusikerInnen, die ein qualitativ hochwertiges Cover gestalten oder gestalten lassen, auch einen ähnlichen Anspruch an ihre Musik haben. In Ausnahmefällen mag das nicht stimmen. Aber das ist das Risiko, das ich gerne eingehe.

Gefällt mir das Cover, weil es meinem bevorzugten Genres oder ähnlichen Vorlieben entspricht, dann drehe ich es um. Welche MusikerInnen spielen welche Instrumente? Kenne ich die Namen?

Produzentinnen sind ein nicht zu unterschätzendes Kriterium. Oft taugen sie als KuratorInnen. 

Ist das Label ein Begriff? In Norwegen gibt es Jansen-Records, „Die with your Boots on“ oder Grappa, die ich sehr schätze. Weil ich weiß, dass deren künstlerische Auswahl meinen Hörgewohnheiten entspricht. 

Ist es ein großes Label, das mit einem internationalen Vertrieb ausgestattet ist (z.b. Sony), dann mache ich mir keine Sorgen, dass ich diese Platte nötigenfalls auch daheim bekomme. Zugunsten regionaler Produkte bleibt sie also im Regal.

Mein erster Besuch in Oslo, vor einigen Monaten, führt dazu, dass ich drei Plattenläden innerhalb von einer halben Stunde besuchte, und trotzdem mit einem beachtlichen Stapel nach Hause flog. Und ich war von keiner Scheibe enttäuscht. Im Gegenteil, manche KünstlerInnen sind mir mittlerweile lieb und teuer. Jetzt versuche ich die Sammlung zu vervollständigen.

Die Plattenläden:

Tiger Records

Externer Link: tigernet.no

Bernt Ankers Gate 10

Tiger Records, Oslo

Der kleine, in Gelb gehaltene Laden war die größte und schönste Überraschung dieses Mal. Ein wirklich nettes Team, das mir ausführlich den Hintergrund und die Schwerpunkte erklärte. Tiger Records ist mehr als ein reiner Plattenladen. Im Verbund mit einem Label und Vetrieb beliefern sie die anderen Läden mit eigenen Produktionen.

Wer sich nicht auskennt, in der norwegischen Musikszene, dem sei der Einstieg über diesen gepflegten Laden empfohlen. Neben einer guten, schnell überblickbaren Präsentation der Neuheiten macht man sich die Mühe neue Platten mit einer Art Obi im Verkauf auszustatten. Eine gelbe Papierschlaufe informiert über die Richtung, die Art, den Hintergrund der Platte, aber auch an welche Fans es sich richtet, in dem vergleichbare Artists aufgeführt sind. 

Sehr hilfreiches und schätzenswertes Feature, das mir eine Orientierung im reichhaltigen Angebot bot. Die „Obi“-Schlaufen sind leider, handgefertig, nur im Verkauf zu Werbezwecke, und werden von den Platten, wenn man sie erwirbt, abgenommen. Wahrscheinlich hätte ich sie selbst in der heimischen Sammlung als Erinnerung behalten. Sie machen das gut. Sie können das beibehalten. Hat mir sehr geholfen.

Sie führen, neben den eigenen Produktionen, natürlich auch internationale und regionale Platten. Hauptsächlich neue Veröffentlichungen und dabei erstaunlich viel seltenes. Tiger Records ist eine Fundgrube. Sehr liebevoll gestaltet, mit Sinn fürs Detail und einem sehr netten persönlichen Kontakt.

Råkk and Rålls Second Hand Shop

Stortingsgata 8

Für Råkk and Rålls fährt man in den Untergrund. Ist wahrscheinlich der einzige Second Hand Store, den ich kenne, der eine eigene Rolltreppe hat. Wer Zeit hat – hier kann man Stunden verbringen. Alle Genres, jeder Bereich. Inklusive Subgenres.

Råkk and Rålls in Oslo

Die Tiefe ist erschöpfend. Hier bemerkte ich erstmals, dass man skandinavische Musik bitte nicht mit Norsk verwechseln soll, denn beides sind übervolle Regal mit ganz anderen Schwerpunkte. Wer obskures oder seltenes sucht – ganz egal aus welcher Richtung – hier findet sich bestimmt was. 

Råkk and Rålls liegt ausgesprochen zentral, nahe an touristischen Anlaufpunkten, und der Fußgängerzone. Es wird international empfohlen und ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Der Ort zum Eingraben und die Zeit zu vergessen.

Ich suchte Platten von Malin Pettersen, die ich in Deutschland sowieso nur schwer bekomme, und hier fand ich ein Exemplar mit einem Autogramm. Ich habe es nicht gewagt etwas brasilianisches zu suchen, und die Finger von allem gelassen, das man Herz aus dem internationalen Bereich begehrt. Ich hätte mit Sicherheit etwas gefunden. Bei Råkk and Rålls schreckt man nicht vor Künstlern zurück, die vielleicht über Jahre im Regal stehen. Das ist etwas, was man nicht vergessen darf: Nur damit werden manche Sortimente wertvoll, wenn sich darin auch Sachen finden, die 90% der Kundschaft einfach stehen lässt bis die eine Person kommt, die die Sparte liebt.

Es gibt natürlich auch verschiedene Preiskategorieren, sehr viele Angebote und ein Wust aus Merchandise-Artikel, die einfach mitgeführt werden. Råkk and Rålls ist für diejenigen, die den Second-Hand-Himmel lieben und ihr Glück suchen. 

Platekompaniet

Externer Link: www.platekompaniet.no

Storgata 19

Das Platekompaniet bietet zu 100% Neuware an. Alle Richtungen, gut vorgestellt, mit einer übersichtlichen, sauberen, geradezu verschwenderischen Präsentation. Ein vergleichsweise modernes Ladenkonzept, das Raum und Platz bietet, um Wertigkeit der Platten zu unterstreichen. 

Platekompaniet ist damit einer jener Orte, die schnell erfassbar, klar strukturiert und professionell wirken. Alles was  aktuell und wichtig ist, findet sich darin. Regional, überregional, und schnell durchschaubar. 

Auch hier ist das Norsk-Regal nicht zu unterschätzen, aber der Schwerpunkt liegt eindeutig im internationalen Bereich. Und dabei auch im Hip-Hop, Adult Pop-Rock oder Electronic-Segment. 

Dadurch unterscheidet sich Platekompaniet von den meisten Geschäften. Zwar sind die Schallplatten der Schwerpunkt, aber durch Aufbau und Struktur, sowie der Auswahl an neuen CDs und anderen Produkten geht es hier eher um die Gegenwart und Zukunft des Medienverkaufs. Wer gezielt Neuheiten sucht, eventuell von der Presse und der Rezensionen mancher Ausgaben angefixt ist, kommt nicht daran vorbei. 

Vom Bahnhof kommend, kann es als ersten Anlaufpunkt dienen. Zum schwärmen und viel zu viel Geld ausgeben. Passiert einfach.

Platebutikken Big Dipper

Externer Linkbigdipper.no

Møllergata 3a

Mein erster Besuch im Big Dipper – vor einigen Monaten – war wuchtig und kurz. In der Osloer Innenstadt angesiedelt und vom Bahnhof aus in einer Viertelstunde zu erreichen. Es kommt vor  – das war der Fall, als ich zum ersten Mal betrat – dass lokale Bands ihre Platten mit einem kleinen Konzert vorstellen. Schönste Musik, wunderbares Americana, aber es war voll und ich hatte großes Glück, dass ich direkt an der Tür auf das Norsk-Regal stieß. 

Betritt man den Big Dipper Record Store, so trifft man sofort auf die regionale Musik, gut sortiert nach Norsk, Norsk-Jazz und Norsk Metal. Selbstverständlich sind auch alle anderen Richtungen, internationale Musik und Vorstellungen der Neuerscheinungen sehr übersichtlich und mit guten Durchgängen vertreten. 

Big Dipper führt vorzugsweise Neuware, und einen überschaubaren Gebrauchtanteil. Neuware ist Genremäßig auf Aufstellern und Wandregalen gut präsentiert und schnell zu erfassen. Regionale Musik rangiert in der Vorstellung zwischen den internationalen Künstlern und überhaupt ist die Gleichstellung und die Schwerpunkte sehr erfrischend. Und natürlich lobenswert. 

Herausragend und geschätzt ist, wie schnell man sich in dem kompletten Laden zurecht findet. Trotz der Fülle, den vielfältigem Angebot ist es einfach zu überblicken, hat klare Strukturen und eine ansprechende helle Gestaltung.

Ein kurzer Besuch in Freiburgs Plattenläden : Teil 3. – Mono Tonträger – 21.12.2024

Ein kurzer Besuch in Freiburgs Plattenläden : Teil 3. – Mono Tonträger – 21.12.2024

Innenraum - Mono Tonträger, in der Gartenstraße 11 in Freiburg

In der Gartenstraße 11, etwas abseits des Rummels findet sich, gerade zu ruhig gelegen, der Plattenladen „Mono Tonträger“. Auch „Mono Tonträger“ ist im traditionellen Second-Hand-Bereich angesiedelt. Ein zurückhaltender Neuware-Bereich, der interessantes vorrätig hält, aber die wahre Stärke offenbart sich im Verkauf gebrauchter Schallplatten. 

Vom Design und der Struktur genießt Mono Tonträger eine angenehme Aufgeräumtheit, die man zu schätzen weiß, wenn man gezielt sucht und vor allem einen begrenzten Zeitrahmen hat. Die Örtlichkeit ist so aufgebaut, dass ein bequemes Aneinander-Vorbeikommen möglich ist. Die Regale sind gut erreichbar, in den unteren Bereichen, die unter den Tischen stehen, finden sich wie üblich die Angebote und die exotischeren Richtungen. Das ist normal und für die Älteren unter uns, die wissen wie unflexibel ihr Rücken wird, ist das genau jene Region die Plattensammeln zu einem nachhaltigen Thema werden lässt. 

Mono Tonträger“ ist schon deswegen ein Besuch wert, weil im Gegensatz zu den Läden, die in der Altstadt von den Touristenströmen frequentiert werden, dort einige Schätze gefunden werden können, die einfach eine längere Verweildauer haben. Die Atmosphäre ist entspannt, locker, sehr freundlich und ansprechend für Sammler, die eine gute Sortierung und ein tiefes Sortiment mit einigen lang gesuchten Exemplare schätzen. 

Wann immer ich im Mono vorbeischauen konnte, fand ich genau in jenen unpopulären Genres, die ich gerne pflege und vervollständige, Scheiben, die mir bisher noch nicht begegnet sind. Zwar sind im Mono die starken Themen wie Metal, Jazz, Funk gut vertreten, doch wer sich die Zeit nimmt, und tiefer gräbt, dem ist es vergönnt auch in begehrten Sektoren noch erstaunliches zu finden.

Brasilien hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu einem Thema entwickelt, dass manche Sammler dazu bringt, stapelweise einzukaufen, wenn sich die typischen Insignien auf den Platten finden. Die Preise schwanken zwar stark, aber sind tendenziell nach oben gerichtet. Daher ist es fast nur noch möglich, dort gute Platten aus dieser Region zu finden, wo die Sammler sie nicht vermuten. Oder anders gesagt: Wer in den typischen Heavy Metal-Ländern wie Finnland und Norwegen unterwegs ist, findet unter Umständen geniale Jazz Platten und MPB-Scheiben in den Läden, die dunkelsten T-Shirts und schönsten Goth-VerkäuferInnen haben. Zu annehmbaren Preisen.

Im Mono ist es ähnlich, und ich schneide mir gerade ins eigene Fleisch, wenn ich sage: Schaut unter die Tische. Das ist sehr interessant! „Mono-Tonträger“ ist schwer einzuordnen, wenn man den Schwerpunkt feststellen will, aber es auf jeden Fall für den ambitionierten Sammler eine wichtige Anlaufstelle in Freiburg und für wichtige Entdeckungen immer gut.

Was ich dort gekauft habe:

Sebastião Tapajós – Guitarra Criolla

Baden Powell + Cordes – Mélancolie

Baden Powell – Grandezza on Guitar

Externer Link: https://mono-tontraeger.de/ 

Ben Böhmer – Bloom

Ben Böhmer – Bloom

Das weite Land, in dem sich Neo Klassik, Ambient, Lounge, Downbeat und ähnliche Genres tummeln, wird ganz allgemein Electronica genannt. Es öffnet damit die Möglichkeit, spielerisch alles in sich zu vereinigen und die Grenzen zwischen U- und E-Musik zerfasern zu lassen. Gottseidank, möchte man sagen. 

Ben Böhmer nimmt mit, was er mitnehmen kann, um ein komplexes Werk zu formen, dass die Unruhe des Clubs in sich trägt, aber trotzdem die Sphären der Ruhe anstrebt. Die Vocals werden dabei von Lykee Li, Jonah, Malou, Erin LeCount und Enfant Sauvage, Max Milner und Oh Wonder bedient. So breitgefächert wie das Personal am Mic, ist daher auch die stilistische Bandbreite. 

Ninja Tune hat der Platte ein sanftes Karamell fürs Auge gegönnt, und ähnlich fluffig angenehm schleichen sich die eröffnenden Stücke ins Ohr. Wie Sonnenaufgänge, die einen angenehmen Tag verkünden, kommen sie daher. „Martin“ auf Seite A, „Memory Cassettes“ auf Seite B möchte man beide gerne anwachsen lassen und begleitend auf die Reise durch die Stadt nehmen. „Rust“ auf Seite C passt gut zu den S-Bahnen deiner Großstadt, und den ersten Schritten aus dem Club am frühen Morgen. Allgemein scheint das Gefühl des Aufbruchs sehr passend.

„Rain“ auf der letzten Seite eröffnet zwar mit Ruhe, und balladeske Konzentration auf die Stimme Max Milners, trägt aber auch den Blick auf das was kommt und hinter sich gelassen wird. Raum und Zeit für eine Betrachtung.

Überhaupt: Wo Stimmen auftreten wird das Konzept erweitert und durchbrochen. „Hiding“ von Lykke Li ist ein atmosphärisch dichtes, von ihr getragenes Werk, das auf verschiedenen Ebenen funktionieren mag. Sowohl in seiner Ruhe  und wie in dem begleitenden Rhythmus. „Best Life“ und „Beautiful“ haben, in ihrem vereinenden Pop-Charakter, das Zeug für Hymnen, während Erin LeCourts verlangsamte Ballade „Faithless“ im urbanen Umfeld seine anklagende Kraft entfalten möchte.

Dagegen wirkt „Riverside“ geradezu geschaffen für sakrale Betrachtungen der Tanztempel. Mit volltönenden, vielschichtigen und verhallenden Klängen einer orchestralen Bearbeitung verwoben, unterstützt es eine Umarmung aus einem Wall of Sound, der die Tanzenden in gleichmäßigen Bewegungen einwickelt. Das kommt und geht in Wellen. Allein die Kürze mag ein Manko sein.

Fast minimalistisch und zurückhaltend mutet „The Sun“ an. Ein kleines folkloristisches Popwerk, das seine Kraft in den Akzenten setzt, die den Gesang in die erste Reihe stellen. So formt das instrumentale „Blossoms“ einen Abschluss, der in das Abendrot mündet. Von seiner Triebkraft entschleunigt, genügt ein letzter Blick über die Felder.

Diana Brown & Barrie K. Sharpe – „The black, the white, the yellow and the the Brown (And don‘t forget the redman)“

Diana Brown & Barrie K. Sharpe – „The black, the white, the yellow and the the Brown (And don‘t forget the redman)“

ACID JAZZ (U.K. 828304.1)

Das Genre Acid Jazz sorgte zu seiner Zeit durchaus für Verwirrung. Eigentlich ein Label, dass sich mit seiner Namensgebung an eine House-Richtung anlehnte. Aber ursprünglich so gut wie nichts mit House zu tun hatte. Acid war damals, im wahrsten Sinne in aller Munde, und eine Grundlage für die Rave-Bewegung wie auch für den zweiten Summer of Love in London. Die Definition von Acid-Jazz war nicht einfach, beschäftigte die Musikjournalisten, und von der besagten Label sah man das eher mit einem Schmunzeln als mit einem wirklichen Bemühen die Situation aufzuklären.

Geneigte Hörer sahen darin eine Auflockerung des Jazz hin zu einer durchaus tanzbaren Version. Ungeachtet der Tatsache, dass Funk, Soul, R’n’B-Einfluss so prägend waren, dass es sich bei manchen Stücken einfach nur um gute Wiedergänger vergangener Rhythmen handelte, die sauber eingespielt und modern aufgepeppt eben nichts anderes waren als Soul und Funk.

Das soll aber weder das Engagement, noch das musikalische Vermögen mancher Acid-Jazz-Bands schmälern. Großartige Künstler kamen dabei zusammen, die Situation war alles in allem erfrischend und befruchtend. Acid-Jazz kam damals nicht aus dem Nichts, denn schon ein Jahrzehnt davor hatte der sogenannte Pop-Jazz, der Bands wie Blue Rondo de la Turk, Carmel, Matt Bianco und Everything but the Girl dafür gesorgt, Jazz-Anleihen in den Clubs populär und tanzbar zu machen. 

Die Übergänge waren dabei fließender und wechselseitiger als man das damals sehen wollte. Die Acid-Jazz-Bands wie Galliano und Brand New Heavies sahen sich durchaus in der Tradition großer Soul- und Funkbands, aber ohne die Vorarbeit in den Achtzigern wäre es wohl nicht so populär gewesen. Es verwundert daher nicht, dass dort, wo heute noch Acid Jazz produziert wird (z.b. Italien) auch Matt Bianco in der aktuellen Inkarnation durchaus populär ist.

Typisch war für den Acid Jazz, dass eine Menge Bands einen Vertrag bekamen, die über ein einziges Release hinaus nicht weiter bekannt wurden. Diana Brown und Barrie K. Sharpe hatten nur diese eine Platte abgeliefert, die durchaus zu feiern ist, denn selten wurde die Essenz der ganzen Richtung so komprimiert auf Vinyl gepresst. Dort finden sich genau die Funkanteile und harmonischen Gesänge, verweise auf Rap und HipHop allgemein, dass man es als Statement und Grundlage für viele weitere Experimente erleben kann.

Die Maxi-Singles, die aus diesem Album herausflossen, waren sowohl im Zusammenhang mit dem später formulierten Neo-Soul wegweisend, haben aber bis heute eine angenehme Zeitlosigkeit, die durchaus tauglich für nette Lounge-Abend ist. 

Allem voran „The Masterplan (Ropeman Mix)“, dem Stück, dass das Album einleitet und mit „Colours (Black, White, Yellow, Brown, Red)“ und „Eating me alive!“ ein homogenes Gesamtwerk darstellt. Es gibt wahrscheinlich, verstreut auf verschiedenen Singles, einen Berg Remixes, die in jedem Detail eine sehr moderne Soul-Interpreation darstellen, die in dieser Weise einfach Teile eine herausragenden Produktion sind.

Es gibt im Acid Jazz einige hervorstechende Alben, die heute noch wegweisend und beispielhaft sind – Diana Brown & Barrie K. Sharpe hätten es verdient gehabt in dieser Liste aufgenommen zu werden. Das komplette Album ist rhythmisch so homogen, dass man es gerne und unbewacht vor Publikum abspielen kann, ohne die Tanzfläche endgültig zu veröden. Guter Stoff, und aufgrund seines Alters und wenigen Bekanntheit auch zu einem angenehmen Preis zu erwerben.

Externer Link 1: YouTube https://youtu.be/n6I0CtocnZ0?si=6mpyHOOKBlu22tau

Externer Link 2: Wikipedia (englisch) https://en.wikipedia.org/wiki/Diana_Brown_%26_Barrie_K._Sharpe