Wo sind nur die Musikzeitschriften hin?
Es gab mal eine Zeit, in der Musikzeitschriften einen beeindruckenden Stellenwert hatten. Sie nahmen für sich in Anspruch aktuell, modern und ein wichtiges Sprachrohr der Jugend zu sein.
Sie waren in vielen Formen und Ausrichtungen zu finden, doch immer prangte jemand auf dem Titelblatt, der gerade dabei war, die Charts zu erobern, oder die ersten Plätze belegte. In ihrer Ausprägung lag ein Anspruch. Musikzeitschriften waren lange Zeit der Puls am Beat und Sound eines Jahrzehnts. Das ging eine ganze Weile so, und es gab DJs und auch andere Menschen, die lasen sie alle. Soweit es ging. Es gab Zeitschriften für Pop, die noch andere jugendliche Themen behandelten und nebenbei ein bißchen Aufklärung betrieben. Es gab Zeitschriften für Reggae, die immer ein bißchen mit den Ganja-Rebellen der Großstädte sympathisierten, und es gab Punk-Postillen. Es gab, nebenbei , eine unglaubliche, unüberschaubare Anzahl an sogenannten Fanzines, die eine eigene Kultur darstellten. Zusammengebastelt aus Fotokopien und geklauten linken Comics waren sie der Underground des Genres, aber meist waren sie näher und schneller dran, als es die großen Zeitschriften waren.
Geht man heute in einen Bahnhof, dann ist der Musikzeitschriftenständer viel Internationaler, aber das kaschiert nur, wie wenig aktuelle deutschsprachige Blätter es noch gibt. Es muss sich halbiert haben, seit ich mir das zum letzten Mal angesehen habe, aber es kann auch gerne um zwei Drittel geschrumpft sein. Vielleicht ist das notwendig und normal, in einer Zeit, in der es Spotify, Amazon und Apple gibt. In der 3 Milliarden Podcasts um unsere Aufmerksamkeit ringen und es auch noch Webradios gibt, die nicht so genau wissen, wie sich ihr Markt definiert. Eine Auslese muss ja nichts schlechtes sein. Könnte sie doch zu mehr Qualität führen.
Ganz so scheint es jedoch nicht. Der Zeitschriftenständer für Musik sieht aus wie vor 30 Jahren. Ach, was sage ich, 40 Jahren. All die Titelblätter sind besetzt mit Namen, die mindestens seit den Achtziger Jahren im Business sind, aber auch damals ihre größten Erfolge gefeiert hatten. Es ist eine Reise zurück. Pure Nostalgie. Und natürlich würde ich mir gerne das Prince-Special kaufen, aber wie erfahre ich, wer heute sein Erbe ist? Wo ist die Zeitschrift für Funk, Disco, Jazz und seine Randgebiete? Wo für Folk und Blues, und warum ist das geschätzte „American Songwriter“ auch wieder nur eine Blatt, in dem unter der Hand dieselben Namen auftauchen, die schon in den Siebzigern genial klangen. So als hätten die letzen 40 Jahre nicht existiert sieht heute der Zeitschriftenmarkt aus. Da frönen einige Hochglanzmagazine einer Zeit, in der die Helden Led Zeppelin, Deep Purple oder Genesis, und mir kommt der Verdacht, dass niemand um die zwanzig heute noch so etwas braucht und kauft. Es sind nur diese ältlichen Nostalgiker, denen ich mich anschließen sollte. Schwarzes Band-T-Shirt, umfangreiches Spezialwissen über den Klang von Vinyl und rutschende Jeans, sowie ein Handy in einer Klapphülle.
Zu all diesem Anachronismus gehört natürlich auch RADIO JAZZNRHYTHM. Wenn jetzt nichts mehr da ist, und keine Periodikas helfen bei der Einordnung der aktuellen Musik, dann wollen wir helfen. Da wo die Musikzeitschriften aufhören, spielen wir einen nahtlosen Mix aus alt und neu. Aus Cover und Bekanntem. Kein Problem. Das kriegen wir hin.
Aber bedauern tue ich das schon irgendwie schon. Ich werde sie vermissen, die Tage, in denen ich soviel aus den Blättern wie SOUNDS, SPEX, Q, FACE etc. lernte. Lange ist es her.