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Month: März 2025

Steiner und Madlaina im Minestrone, Substage am 30.03.2025

Steiner und Madlaina im Minestrone, Substage am 30.03.2025

Steiner und Madlaina im Minestrone, Substage in Karlsruhe, am 30.03.2025

Es scheint alles noch gar nicht so lange her. Aber für Steiner und Madlaina aus Zürich sind es tatsächlich schon zehn Jahre. Zehn Jahre, drei Alben und eine Unmenge Konzerte. Es war wohl 2019, der ersten Headliner Tour von Ihnen selbst, als ich sie sah. Damals im Haus in Ludwigshafen. „Das schöne Leben“ wurde schon gerne gespielt in manchen Kreisen, aber es war ein eher heimlicher Hit. 

Das Haus in Ludwigshafen ist ein der kleineren, engagierten Veranstaltungsorte. Es gibt eine größere Bühne mit einem Saal für 300-400 Leute, und einen Raum an der Seite, der eher 30 Personen fasste. Hier spielten damals Steiner und Madlaina. Es war ein sympathisches, mitreißendes Konzert, dass sie mit viel Charme, Witz und Spontanität bestritten. Alles rangierte noch zwischen netten Improvisation, einem bißchen Schwyzerdütsch und lustigen Zwiegesprächen. Viel haben sie sich auch nach all den Jahren bis heute bewahrt.

Doch in Ludwigshafen, in dieser frühen Phase ihrer Karriere, passierten genau jene Dinge, die man keiner Künstlerin wünscht. Der Strom fiel aus, die komplette Soundanlage versagte ihre Dienste. Warum nur der Sound, das wußte kein Mensch. Das Publikum setzte sich auf den Boden, Steiner und Madlaina spielten akustisch weiter. Da ihre Songs hauptsächlich Gitarrenbasiert waren, funktionierte das besser als erwartet. MTV-Unplugged wäre der richtige Vergleich gewesen. Es blieb charmant, mitreißend, und sie bekamen das erstaunlich gut in Griff.

Aber das Problem löste sich nicht. Im Gegenteil. Der Brandschutz wies Publikum und Künstlerinnen an, das Gebäude zu verlassen. Und Steiner und Madlaina spielten weiter. Zwischen parkenden Autos, umringt von allen Anwesenden, taten sie genau das, was sie heute gerne in den Zugaben machen: Im Kreise derjenigen spielen, die begeistert und singend einsteigen.

Später ging es wieder fast nahtlos im Haus in Ludwigshafen weiter. Ich habe nie erfahren, was die Ursache war, aber das Konzert konnte nach ein paar Songs normal weitergeführt werden. Man lachte. Und hatte eine Story.

Heute sind das genau jene Stories, die Steiner und Madlaina zwischen ihren Stücken erzählen. Sie sind reifer und professioneller geworden. Nach dem sie mit Element of Crime eine Zeitlang unterwegs waren, präsentierten sie sich wieder als Duo, mit einer interessanten Sammlung unterschiedlicher Gitarren und dem Keyboard.

Das Material für das neue Album, das noch nicht abgemischt ist, wurde vor einer originellen Lightshow präsentiert. Mit erstaunlichen Mitteln hatten Sie ein Bühnenbild konstruiert, das ähnlich mutig wie ihre neuen Songs daher kamen. Plexiglas in wellenförmigen Formen in einander gefügt. Mit Licht und Fantasie war es tauglich für eine rötliche Abendstimmung, aber auch für einer hektisch, flirrenden Begleitung . Sie waren lauter, wilder, dann wieder ernsthafter, und gerne auch zurückgeworfen auf das klassische Duo. Ganz ohne Band, aber dennoch mit Samples und Einspielungen von großen Arrangements, wie sie voraussichtlich im Herbst live präsentiert werden. Mit Streichern, mit Kinderchor, mit allem und jedem. Das soll kommen.

Es wird wohl ein Album mit Kapiteln werden, die für sich alleine stehen wollen. Songs, die einige Schritte weiter gehen, als man es von ihnen kennt. Soundexperimente, Genreüberschreitungen, Kompositionen, die aus dem Vollen der Möglichkeiten schöpfen. 

Was sie nicht daran hinderte, schmunzelnd im Konzert einfach mal The Cures besten Song anzustimmen. „The Boys don‘t cry“ wirkte wie aus einem Guß mit dem was voran ging und danach kam.

Steiner und Madlaina sind selbstsicherer geworden, sie wandern zwischen den Stilen umher, vereinnahmen Genres und Traditionen – so stimmen sie ein griechische Lied an, singen in ihrer heimatlichen Sprache (Schwyzerdütsch) und kommen vom Chanson zu den wilden Gitarren des Slowcore, bis sie dann doch wieder bei den perfekten Hymnen und Popsongs landen. Eine wilde Reise. Gnadenlos charmant und einnehmend präsentiert.

Externer Link: Steiner und Madlaina – https://www.steiner-madlaina.com/

Externer Link: Substage – https://substage.de/

Apollo Ghosts (Support: Lambs & Wolves) im NUN, Kulturraum, Karlsruhe am 29.03.2025

Apollo Ghosts (Support: Lambs & Wolves) im NUN, Kulturraum, Karlsruhe am 29.03.2025

Apollo Ghosts im NUN Kulturra

Es mag der Tag kommen, an dem wir alle zurückschauen und sagen, ja, wir haben die damals im NUN gesehen. Man kennt das. Dann waren es 300 Personen, die dabei waren. Auf der kleinen Deutschlandtournee der Apollo Ghosts. Bei ihrem Abstecher in Karlsruhe.

Obwohl das NUN nur um die 60 Leute fasst.

So wird das vielleicht sein. Denn sie haben das Zeug dazu.

Die Apollo Ghosts waren im NUN. Und als Support brachten sie freundlicherweise Lambs & Wolves mit. Eine Americana Band aus Freiburg. Wo die Melancholie anfängt, die Jukebox alle Hits schon gespielt hat und die letzten Gäste an der Bar einfach nicht heimgehen wollen, da ungefähr fängt der Abend mit Lambs & Wolves an.

Immer dort, wo Country eine Wärme entwickelt, und zum langsamen, engen Tanz auffordert, ist seine Nähe zum Blues am Besten spürbar. Und genau dort leiteten Lambs & Wolves den Abend ein. Mit der ruhigen, poetischen Spur, die vom Keyboard getragen, von der Lap-Steel-Guitar beantwortet und in Harmonie mit dem Stehbass funktionierte. Zu fünft auf der Bühne, durch Gitarre und Schlagzeug verstärkt, pflegten sie eine klare Songstruktur. Das war mit vielem vergleichbar. Aber brauchte vor allem den Bezug zu großen Namen nicht zu scheuen.

Lambs & Wolves im NUN Kulturraum 29.03.2025

Lamb & Wolves brachten die Authentizität, einer vergessenen Stätte mit sich. Und wiesen dabei den Weg in die Weite, die Ruhe und die lange Straße. Überraschend sie in Freiburg zu sehen – hätte man sie doch auch in einer Kleinstadt jenseits vom Rio Grande vermuten können. Wo die Sonne dunkelrot untergeht und alle Klischees eine angenehme Begleitmusik benötigen. Großes Material. Wenn es neben „ The Devil in the Orchard“ noch mehr Alben gibt, dann will ich sie alle.

Die Apollo Ghost, 4 Musiker aus Vancouver, sind im besten Sinne eine Gitarren-Band. Begleitet von einem Schlagzeuger, entwickeln sie den Drive der Achtziger, die melodiöse Form der Neunziger, die Bereitschaft alles zu vermischen aus den letzten zwanzigen Jahren. Und  vor allem die Kunst der kurzen, prägnanten Popsongs. Etwas was man mal vom Punk gelernt hatte und allen Enkeln weiter gab.

Apollo Ghosts im NUN Kulturraum am 29.03.2025

Apollo Ghosts sind die Freigeister der schnellen Melodien. Rhythmen, die nicht nur den Leadsänger zum Tanzen brachten. Man mag sich fragen, wie hitverdächtig ein Song eigentlich werden muss, um endlich dort zu landen, wo er hingehört. Apollo Ghosts spielten die Songs, die man endlich in den Reels auf Instagram hören will. Und kommen dabei mit einer Leichtfüßigkeit daher, die seinesgleichen sucht. 

Man kennt prägnante Klassiker, die aus markanten Riffs gestalteten wurden. Soundelemente, die man nicht vergessen kann. Apollo Ghosts bewiesen, unter begeistertem Jubel, dass sie sie alle können. Alle Tricks, alle Tipps, präsentiert mit einem Charme, dier sie  zum Rollenmodell für alle unabhängigen Gitarrenbands machen könnten. Die Songs waren schnell, rund, ausgefeilt und funktionsfähig. Gemacht für den Tanzboden, wie auch für Urlaubsfahrten, in denen man sie – Haare im Wind und so – einfach mitsingen will. Es war Pop, wie Pop sein kann und sein sollte. Clever, kurzweilig, und keinesfalls dramatisch, sondern immer auf den Punkt. Und dabei einfach ehrlich mit zwei Gitarren, einem Bass und einem Schlagzeug.

Und genau das führt uns dazu, dass wir irgendwann sagen werden, damals im NUN, da waren wir dabei und haben sie gehört. Den nur in den kleinen Clubs wird das Große geboren. Jenes, das dann irgendwann mal überall auftaucht. Nur nicht mehr dort, wo es mal begonnen hat.

Externer Link: Lambs & Wolves – https://www.lambsandwolvesband.com/

Externer Link: Apollo Ghosts –https://www.apolloghosts.com/

Externer Link: : NUN –https://nun.cafe/

The Royal Backwash im NUN, Kulturraum am 28.03.2025

The Royal Backwash im NUN, Kulturraum am 28.03.2025

Eine der wichtigsten Aufgaben der kleinen Bühnen und Kulturräume ist auch die Förderung neuer, junger Bands und lokalen HeldInnen. Hutkonzerte, Wohnzimmerkonzerte oder Sofakonzerte können dabei ein Weg sein. Musikerinnen bekommen eine Chance sich zu erproben, an ihren Auftritten zu feilen, aber auch sich eine kleine, aber feine Fangemeinde aufzubauen. Hutkonzerte werden dabei jene Konzerte genannt, die keinen Eintritt kosten, aber an deren Ende ein Hut (oder ein anderes Gefäß ) rumgeht, in das das Publikum einen Beitrag hinein legt. Angenehm ist es, wenn der Betrag irgendwo im Niveau der ortsüblichen oder der Lokalität angepassten , Eintrittsgelder liegt.

Angesichts des nicht zu unterschätzenden Aufwands, den ein Konzert für eine Band mit sich bringt, macht es durchaus Sinn die untere Grenze bei ca. 10 Euro zu justieren und die obere je nach Gefallen selbst zu bestimmen. Hutkonzerte sind daher nicht zu vergleichen mit Straßenmusik, bei der vorbeigehende Passanten gerne ihr Münzgeld in die bereit gestellte Kopfbedeckung werfen. Unter Umständen, auf einer belebten Fußgängerzone, kann auch bei Straßenmusik eine interessante Summe zusammen kommen. 

Hutkonzerte sind anders zu betrachten, da sie faktisch – mit Licht, Ton, einer ganzen Band, deren Ausrüstung, sowie der bereitgestellten Location – von der tatsächlichen Ausstattung und Ausrichtung einem professionellen Auftritt mit regulärem Eintrittsgeld gleichen.

Dieser Abend war ein Hutkonzerte für die Karlsruher Band The Royal Backwash.

The Royal Backwash, haben den Humor sich eine nepalesische Marchingband zu nennen, aber sind eher in einem ausgefransten und locker ausgelegtem Indie-Folk angesiedelt. Dieser kann bekanntlich für alles dienen. So nutzen The Royal Backwash die Gunst der Freiheit und mischten Gitarren-Pop mit einer elektrischen Geige. Begaben sich damit in ein Spektrum, das vieles darf, eine ganze Menge mitnimmt und vor allem zum Spaß und der vorwärts gerichteten Tanzbarkeit orientiert ist.

Das NUN ist kein Tanzpalast, die Abriss-Party war damit nicht gegeben, das Potential jedoch war vorhanden. Und immerhin brachte die Band ihre Fans mit, die eingestimmt mitsangen, wippten, den Sound kannten, und die Titel erwarteten.

Alles war tief genug im Folk, und spätestens mit der Geige, aber auch mit dem Gesang wurden Wurzeln gewahr, die im irischen, in Seemannslieder, oder im guten Popsong der Achtziger-Neunziger liegen konnte. Die Mischung machts. Das hatte im NUN verhalten Fahrt aufgenommen, denn im Umfeld eines Wohnhauses wirken die typischen NUN-Konzert eher zurückgelehnt. Nicht ganz das Metier, in dem The Royal Backwash die pure Entfaltung finden konnten. Ein nicht geringer Teil ihrer Songs forderte zum und erzählt vom Tanz.

The Royal Backwash traten zu viert auf, und nutzten damit den zur Verfügung stehenden Raum voll aus. Tanzschritte und eine milde Choregrafie, die die Bühne zuließ, deuteten darauf hin, dass sie eher laut, in Kommunikation mit den Feiernden, angesiedelt sind. Die Geige war hervorstechend, und wie bei klassischen Pophits, die den Folk als mitreißendes Element integrierten, ein führendes Instrument, das mit der elektrischen Gitarre harmonierte. Mir ihr kommunizierte und Bekanntes herausstechend zitierte. Chorgesang, der tanzende Bassist und ein Drummer, der sich schwer in der Zurückhaltung beherrschte, rundeten den Auftritt ab.

Für das NUN ein eher ungewohnter Sound, für die Band bestimmt eine leisere Location, als sie es bisher kannten, aber all das liess vermuten, dass sie es in einem lauteren Umfeld – vor allem mit diesen Fans – richtig krachen lassen werden.

Externer Link: The Royal Backwash- https://www.instagram.com/theroyalbackwash

Externer Link: NUN – https://nun.cafe/

Die Musik-Szene von Karlsruhe braucht ein öffentliches Archiv .. und warum wir es jetzt einfach machen. Ein Gespräch mit Tex Dixigas

Die Musik-Szene von Karlsruhe braucht ein öffentliches Archiv .. und warum wir es jetzt einfach machen. Ein Gespräch mit Tex Dixigas

Ein Beispiel der Musik-Szene aus Karlsruhe: Rädelchen und Martin Müller (mehr wird folgen)

Ein paar einleitende Worte zu diesem Interview: Karlsruhe hat ein unbestimmte Anzahl an MusikerInnen, Bands und Menschen, die sich mit Musik beschäftigen. Es gibt hier Labels, eine unglaubliche Anzahl an Veranstaltungsorten, die nicht mehr existieren, aber trotzdem in Erzählungen präsent sind, aber auch viele Locations, die heute noch die Farbigkeit der hiesigen Szene ausmachen. 

Es gab bisher verschiedene Versuche, all das, was Karlsruhe bot und bietet, abzubilden. Diese finden sich hier im Internet, aber auch bestimmt in den Archiven der Tageszeitungen oder Clubs. 

Um dem Thema ein kleinen, neuen Anstoß zu geben und Hilfestellung zu bieten, möchte ich mit der Unterstützung von Tex Dixigas (Martin Christoph), von Dixigas Records, auf diesen Seiten so weit wie möglich und in loser Folge vergangenes, zukünftiges und aktuelles aus der wilden Szene von Karlsruhe präsentieren. Das können Diskografien, Features, Bios, Anekdoten und vieles, was uns zugetragen wird, sein. Das werden Interviews sein, aber auch einfach mal Erzählungen.

Wie viel das wird, wie tief das geht – das werden wir sehen. Wer dazu beitragen kann, wird willkommen geheißen. Gerne würden wir die Geschichten von Zeitzeugen hören. 

Um ein bißchen zu zeigen, wo die Reise hingeht, aber auch was passieren kann, wenn man sich auf diese Reise begibt, soll dieses Interview zeigen, dass quasi das einführende Gespräch zwischen mir und Tex war.

Tex Dixigas bei Top oder Flop in seinem Plattenladen Dixigas Records

Jazznrhythm (Andreas Allgeyer): Weswegen wir uns jetzt getroffen haben und uns unterhalten, sind die Karlsruher Geschichten. 

Du hast mir erzählt, du interessierst dich dafür. Du hast sie archiviert, gesammelt und das über viele Jahre. Die Frage ist: Warum?

Tex Dixigas (Martin Christoph):  Ich habe ganz normal angefangen, wie jeder Musikliebhaber, dass ich Konzertplakate von der Wand genommen habe von den Bands, die ich mochte.

Ich mochte auch immer schon Karlsruher-Bands. Das war früh ganz klar. Je jünger man ist – du kennst die ganzen Leute. Beispielsweise als ich DJ in der Katakombe war. Dort hingen sie alle rum. Die hatten alle eine Band. Dann hattest du selber eine Band. 

Du bist am Wochenende auf das Konzert von der Band, die du kanntest, gegangen.

Ich habe Flyer mitgenommen und Plakate. Als ob es Lou Reed wäre. Ich habe das in eine Kiste geschmissen. Machen ja viele.

Selbst wenn es dann eine eigene Band ist, schmeißt du es in eine Kiste, kaufst die Platte von der Band und irgendwann hast du viel von Karlsruhe. 

Aber das war kein Karlsruhe-Archiv.

Ganz wichtig zum Beispiel, war die Beethovens . Es gibt hier die Moonlights und die Beethovens. Als ich jung war, waren die Moonlights zum Beispiel so eine Tanzbands 

Jazznrhythm: Die sind noch unterwegs, nicht wahr? 

Tex Dixigas: Die sind immer noch unterwegs. Wahrscheinlich null original Mitglieder, aber das waren ursprünglich die Moonlight Brothers. Von denen gibt es eine richtige Single, also auch auf CBS, das Nightwalk. Das war ein richtiges Instrumental. Die wollten jemand werden. War national veröffentlicht. 

Dann kam die Beethovens .Das hat mir jemand vorgespielt . Die Beethovens sind knallhart. Das ist richtig Garagen-Punk. Das ist kein Beat. Nur auf einer Seite. Dann suchst du. Von den Beethovens habe ich das Cover zehn Jahre lang gesucht. Die Single habe ich dreimal, aber das Cover – das habe ich zehn Jahre lang gesucht. Das heißt was!

Irgendwann denkst du, was gibt es denn noch in Karlsruhe? Du suchst tiefer. 

Ich hatte meinen Laden. Da sind immer Platten reingekommen.

Manchmal stand hinten drauf Karlsruhe, war aber Orgelmusik. Also ab in das Karlsruhe-Töpfchen

Irgendwann hast du genug. Du telefonierst du die Jungs ab und sagst, hast du noch Platten ? Jemand erzählt dir: „ Ah, da gab es einen, der hat was“.

Zum Beispiel Werner Kühn, aus dem Schlaile, der dir Platten verkauft hat. Irgendwann sagt er zu jemanden, du bist der beste Schlagzeuger Karlsruhes gewesen und dann wird es halt spannend. Je tiefer du in der Materie bist, desto spannender wird es dann.

Jazznrhythm:  Bei dir ist das Genre- und richtungsübergreifend?  Es ist nicht so, dass du auf eine bestimmte Richtung festgelegt bist?

Tex Dixigas: Ja, Karlsruhe will ich einfach alles. Ich sage immer, egal ob es der Gesangsverein Grötzingen oder die Hottscheck Hexen singen, ob es der KSC oder Black Metal ist, ich will alles.

Weil sonst ist es ja nicht lustig. Sonst ist ja kein Karlsruher Archiv.

Jazznrhythm: Genau. Zeichnet Karlsruhe irgendwas aus?

Tex Dixigas: Ja, dass die Stadt sich wenig für dich interessiert. Bis du berühmt bist und dass die meisten Bands besser dran sind, wenn sie abhauen. Das ist Karlsruhe. Alle Bands, die auf sich halten, sind auswärts berühmt geworden. 

Dann kommen sie zurück und erst dann sagt Karlsruhe: „Unsere Söhne!“

In Mannheim ist das anders.

Aber du musst hier als Karlsruher Band erst als Hamburger Band bekannt werden. Ein paar Leute haben es ja auf L’age d’Or geschafft. Aber die Jugendfestivals in Karlsruhe sind ganz gut. 

Es gibt auch ein Archiv, aber die haben es viel später angefangen als ich.

Jazznrhythm: Das wäre die nächste Frage, ob es tatsächlich schon ein Archiv gibt. Wer sich da bisher darum gekümmert hat? Du bist anscheinend jetzt in der Tiefe der Einzige. 

Tex Dixigas: Es gibt mehrere Karlsruher Sammler .Es gibt auch einige, die haben bestimmt wesentlich mehr als ich. Das Problem ist: Die machen nichts damit.

Die transportieren das nicht nach außen. Die haben das zu Hause. 

Mein Plan ist ja das man etwas damit man macht. Eine Ausstellung z.B.

In meinem alten Laden hatte ich alles voll mit alten Plakaten. 

So richtig seltene Plakate, z.B. mit spätere RAF-Terroristen. Karlsruhe ist total spannend. Wir hatten Beatbands, bei denen spätere RAF-Terroristen dabei waren. Die Stadt Mannheim hätten schon einen eigenen Raum im Museum gemacht.

Jazznrhythm: Ich weiß, dass Karlsruhe natürlich eine besondere Beziehung zur RAF hat. Die meisten Biografien landen einfach in Karlsruhe, wenn du in die Tiefe gehst.

Aber ich wusste jetzt nicht, dass es Bands gab. 

Tex Dixigas: Expression mit Knut Folkerts. Mit dem habe ich sogar schon telefoniert, aber das war schwierig.

Oder: Top spannend. Es gab eine Schülerzeitschrift aus Ettlingen, aus der Schule, auf der Christian Klar war.

Die war extrem links. Da sind MC5-Besprechungen aus den Früh-70ern drin. Ich habe jemandem getroffen, der bei der Schülerzeitschrift gearbeitet hat. 

Die Polizei hat dich, wenn du nur in der Klasse mit einem von denen warst, geschasst. Du hast dann keinen Job gekriegt. Du musstest fast in den Untergrund gehen. Es gab eine extrem politisch harte Linke.  Da redet niemand drüber. Das müsste eigentlich aufgearbeitet werden. 

Eigentlich müsst die Stadt Karlsruhe hingehen und sagen: „ Entschuldigung, dass wir euch alle verdroschen haben, liebe Karlsruher Kameraden. Ihr konntet nichts dafür, waren scheiß Zeiten“

Jazznrhythm: Die 70er waren extrem paranoid. Ich bin ja damals hier zur Schule gegangen. Ich weiß, was damals los war. Ich kenne die verschiedenen Schülerzeitungen, die extern außerhalb der Schule gedruckt wurden. 

(…)

Das heißt, du hast auch Jazz. 

Tex Dixigas: Im Jazz gibt es fantastische Sachen. Du schaust mich gerade so an, als ob du das nicht wüsstest. 

Jazznrhythm: Ich weiß das, ich war nur gespannt, was jetzt kommt. 

Tex Dixigas: Das Modern Jazz Quintett Karlsruhe mit Herbert Joos. Herbert Joos ist ja eine der Koryphäen, aber der hat Karlsruhe auf seiner Vita gestrichen. Ich habe ihn angerufen in Stuttgart, der war komplett aggressiv, der hatte null Bock auf Karlsruhe. Obwohl seine Band den Namen Karlsruhe in sich trug.

Das ist das Paradebeispiel. Der hat das Artwork für die Platten gemacht. Fantastisch, schwarz auf schwarz, silber auf weiß. Komplette außerirdischen Reisen per Jazz ausgedrückt.

Die Nada ist noch fantastisch. Es gibt ganz tolles Zeug aus dem Jazzclub Karlsruhe. Das Jazz Publikum muss der Wahnsinn gewesen sein. Aber die Jazzer sind eine eingekapselte Welt für sich. Die Walpurgis ist noch der Hammer. Eine ganz tolle Platte.

Da gibt es bestimmt auch noch extrem viel Zeug, Konzertplakate . Das haben die selber und das behalten die auch. 

Der Jazz-Club muss auch sehr, sehr geil gewesen sein, halt viel Avantgarde und abgefahrenes Zeug und so.

Jazznrhythm: Okay, aber das heißt, das ganze Zeug, das du bisher gesammelt hast, das ist noch nicht ausgestellt worden ? 

Das bräuchte tatsächlich eine Webpräsenz, die recherchierbar ist.

Jetzt können wir ein bisschen auch darüber reden, wie wir uns das vorstellen.  Bei meiner Web-Seite ist im Hintergrund eine Band-Liste. Die Liste hat die Tendenz unendlich zu werden . Das ist mir egal. Unabhängig von der Liste gönne ich natürlich jeder Gruppe, die auftaucht, eine eigene Seite.

Eine eigene Seite, in der man kurz sagt, das ist die Diskografie, und das waren die Mitglieder mit ihren Verzweigungen. 

Im Vordergrund werden weiterhin Konzerte, Platten und ähnliches besprochen. 

Wenn das passt, dann würde ich sagen, wir fangen ganz ganz harmlos an und fotografieren  erstmal Cover und Plakate. Widmen die dann den entsprechenden Bands.

Mit der Aufforderung, dass jemand, der oder die etwas was weiß, sich – um Gottes willen – melden soll. 

Tex Dixigas: Es gibt viele Sachen, da weiß ich nur Geschichten. Ich habe z.B. eine Geschichte gehört-  ich kann dir nichts dazu sagen –  dass es eine GI-Metal-Band gab, die hier stationiert war. Die haben eine LP gemacht, während sie hier war. Alles, was ich weiß ist, dass ein Schwert auf dem Cover ist.

Mehr weiß ich nicht. So, und jetzt bist du dran, wie finden wir eine Heavy-Metal-Platte mit einem Schwert ? Da findest du Tausende, aber welche ist das?

Jazznrhythm: Darum geht es mir. Dieses Ding dann irgendwie zum Leben zu erwecken und die Leute anzuziehen, die etwas damit zu tun hatten.

Da ist die große Befürchtung, die ich bei der ganzen Geschichte immer wieder habe. Meine Generation war so eine Plattensammler-Generation, die stirbt jetzt aus und mit denen verschwinden tausende von Platten.

Tex Dixigas: Genau, ist so. Und bei Plakaten ist ja viel schlimmer. Plakaten und T-Shirts. Weißt du, was Leute sagen?

Die habe ich schon weggeschmissen. 

Jazznrhythm: Ich weiß jetzt schon, die Leute, die irgendwann mal meine Sammlung erben, brauchen eine klare Anweisung, was davon überhaupt irgendwas wert oder wo sie damit hingehen sollen.

Tex Dixigas: Sonst gehen die her und bestellen einen Laster und dann ist das Zeug weg. Und bei dir ist es bestimmt wieder lustig .Aber das ganz große Problem des modernen Plattensammler ist der Wert.

Ich habe ganz viele Platten, die finde ich einfach total geil und sie sind aber wertfrei. Das Einzige, was lustig ist, wenn halt einfach niemand weiß, was daran lustig ist. Irgendein Hit und die B-Seite ist halt voll geil. Ich habe zum Beispiel so eine italienische Schlager-Single, die habe ich hier in Karlsruhe gefunden. Eine der besten Progressiv-Rock-Singles. Aber nur die B-Seite, weil die A-Seite ist italienische Schlager.

Auf der B-Seite dürfte sich seine Hausband austoben als Dankeschön, dass sie mit ihm die A-Seite aufgenommen haben. Ist die was wert? Keine Ahnung. Es geht aber darum: wenn du sie auflegst, weiß keiner, was du auflegst.

Es baut aufeinander auf.

Es ist in Karlsruhe extrem wenig rausgekommen. Es gibt fast keine geile Hippie-LP .Es gibt die Poseidon. 

Es gibt 100 Bands , jedoch gibt es nur noch zwei, drei LPs, die sind hippieartig.

Bei Punk auch. Es gibt in meinen Augen keine einzige Punk-LP aus Karlsruhe. Oder Punk-Single. Es gibt ein paar Kassetten, aber es gab Bands. Auch New Wave-Leute. 

Aus Wörth gibt es noch ein paar total geile. Aus Pforzheim gibt es Wave-Veröffentlichungen. Es war aber von 76 bis 80 auch nicht so wahnsinnig viel Punk erschienen in Karlsruhe.

Jazznrhythm: Das wäre natürlich auch so ein Punkt, wo ich sagen würde, das muss man ausgraben. Da muss irgendjemand kommen und sagen, er hat mehr Ahnung. Und auf die bin ich eigentlich scharf.

Dass da irgendjemand vorbeikommt und dann sagt, da weiß ich viel mehr als ihr. Ihr habt überhaupt keine Ahnung.

Okay, dann würde ich sagen, der Plan steht.

Wir machen das, und führen das Gespräch immer mal wieder weiter,

So, dass es einfach transparent ist, was treiben wir da. Und worum es geht. 

Ich danke dir. 

Tex Dixigas: Nichts zu danken, ich hab dir Dank. Und den Rest machen wir dann.

Externer Link: Dixigas Records – Der Plattenladen von Tex Dixigas und Marco Sommer : https://dixigas-records.de/