Boozoo Bajou – Grains
Es ist ja so, wenn das Ding mit 45 RPM abläuft, dann ist es eine Maxi. So gesehen, ist das Doppelalbum von Boozoo Bajou eine Werkschau, die aus zwei Maxis besteht. 45 RPM ist ein Geschwindigkeit, die mir für das filigrane Intro, dass sich orgelnd heranschleicht, fast zu hektisch wirkt. Mit einem sehr zurückhaltendem Tempo begleitet Boozoo Bajou in die Nacht. Der Rhythmus des Tages ist noch nicht ganz vergangen, aber wir kommen jetzt zum gemütlichen Teil. Da ist der Soul, der verhaltene Jazz, und einfach viel Zeit.
Verlässlich unaufgeregt, mit einer gewohnten Coolness, mündet die erste Seite in einem atmosphärisch dichten Instrumental Teil, der zum Loop und der verharrenden Betrachtung der Welt einlädt. Boozoo Bajou spielen zum gepflegten, aber leisen Swing auf, immer bedacht darauf, dass das Fingerschnippen noch möglich ist.
Boozoo Bajou ist ja immer auch ein Projekt, in dem man alten Bekannten wieder begegnet. Stimmen, die man andernorts schon schätzen gelernt hat. So ist es vor allem Rumer, die in den Vocals und der sehr reduzierten Begleitung in „Same Sun“ angenehm überrascht. Fast akustisch anmutend, leitet die Ballade die zweite Seite ein.
In der Zusammenarbeit erweist sich Rumer als Glücksgriff. Die Vocals, getragen von einem sehr differenzierten, atmosphärischem Sound, der Anleihen in vielen Sparten macht, sind allgemein in ihrer Ruhe und betonten Verlangsamung harmonisch und dicht – so auch Bernd Batke, Eric Dupperay und Stefan Prange – , jedoch ist die warme, klare Stimme von Rumer hervorstechend und wirkt so zugehörig, dass man sich wundert, warum erst hier und jetzt.
„Fürsattel“, der Abschluss der zweiten Seite, bietet, fast als wäre es das Konzept, ein kammermusikalisches, verspieltes Werk, das beschwingt in die zweite Scheibe leitet.
Allgemein gönnt sich Boozoo Bajou eine fast vermisste Länge der Stücke. Heute ist es eher selten, wenn Songs und Werke der Künstler 3 Minuten erreichen. Stream und die Werbung über soziale Medien führt zu einer starken Verkürzung und eine dementsprechenden Aufmerksamkeitsspanne. Der Markt passt sich an. Boozoo Bajou nehmen sich die Minuten, die es braucht, das auszubreiten, was möglich ist. Wenig ist unter 5 Minuten, das Meiste überschreitet locker die 6 Minuten, und man ist froh darüber. Manches darf auch gerne nie enden. Und die Reise kann gerne weitergehen.
Rumer steigt bei drei Stücken ein und zwei sind umgeben von instrumentalen Werken, als würde es sich fast verbieten, einen direkten Vergleich anzustellen. Sparsam instrumentiert bleibt ihrer Stimme genug Raum um charismatisch einen prägenden Eindruck zu hinterlassen. Das ist faszinierend, und vergleichbar mit einer Sade oder ähnlichen Stimmen, die fast zeitlos an uns haften bleiben.
Instrumental bleiben Boozoo Bajou immer im Downtempo, immer in der Entwicklung, die behäbig von statten geht, Gewöhnung und Wohlfühlen zulässt. Das kommt in kleinen Schritten mit humorvollen Titeln, wie „Kinder ohne Strom“ und „Tonschraube“. Wer den Soundtrack auf dem Spaziergang durch die Nacht braucht, die Lichter bewundernd anschaut, und den Herbst genießt, für den ist das was.