Bare Egil(Support: Curtains of wool) im John Dee, Oslo, am 13.02.2025

Die Norweger hatten Spaß. „Was machst du hier? Wenn du die Sprache nicht verstehst?“
„Es ist ein Experiment. Ein Test.“
„Wir können ihm sagen, das er deutsch sprechen soll.“
„Nein, nein, alles okay!“
„Wir können es ihm sagen, er kann das bestimmt!“ Sie lachten, tranken ihr Bier und tatsächlich, kaum war Bare Egil nach der ersten Pause auf der Bühne, riefen sie ihm zu zweit irgendwas mit „Tysk“ zu. Auch wenn ich überhaupt nichts auf norwegisch verstehe: tysk heißt deutsch.
Auf der Ankündigung trug Bare Egil einen Cowboyhut. Ich war müde, suchte noch ein Ticket für den 13ten Februar 2025 und dachte an Nordicana. Also Country. Auf skandinavisch. Oder besser: Americana aus Norwegen. Meist englisch, und in Deutschland eher eine Nische ohne Fans.
Ein paar Stunden vor dem Konzert las ich einen übersetzten Wikipedia Artikel: Bare Egil ist ein sehr bekannter Comedian in Norwegen. Populär, wortlastig, schräg und intuitiv. Die Bare Egil Band ist ein Nebenprojekt. So jemand ist außerhalb Norwegens komplett unbekannt. Ein Comedian. Comedian heißt in Deutschland mittlerweile: Die erste Reihe ist Programm und auch in der zweiten und dritten bist du nicht sicher.
Das John Dee gehört zum Rockefeller. Ist ein Eingang neben dem Haupteingang, etwas kleiner, zwei Theken, Clubatmosphäre. Nicht viel Platz um unsichtbar zu bleiben. Keine Ahnung, wieviele Leute rein passen. Ich gehe mal von maximal 200 aus, aber dann ist es dicht und voll und wahrscheinlich ein Gekuschel.
Angekündigt, draußen an der Tür, war ein Support. Curtains of Wool. PsychelicBand hieß es auf der Instagram Seite von Bare Egil. Man sei glücklich und freue sich darauf, dass man Curtains of Wool als Support gewonnen habe. Im ganzen Internet findet sich nur ein seltsames Photo mit drei Musikern, die ein ähnliches Muster wie der Hintergrund des Bildes trugen, dazu Augenmasken und alle scheinen ein ähnliches Geburtsdatum zu haben. Die Seite eines Labels listet drei Mitglieder, alle mit ihrem Geburtsjahr (1999) auf, sonst ist absolut gar nichts zu finden.
Die Bühne bestand aus einem wildgemusterten Wollvorhang, vor dem ein kleines, verkleidetes Schlagzeug (mit eben jenen Mustern bedeckt) und eine Gitarre, sowie ein Bass aufgereiht waren. Drei Musiker traten durch den Vorhang. Alle bekleidet mit ebenjene Muster des Vorhangs, inklusive einer Augenbinde (Muster des Vorhangs! ). Es fiepte, es waberte, das Schlagzeug wurde sanft gerührt, während mit beseelten Stimmen von Liebe, Glück und guter Dinge gesungen wurde. Harmonien, die aus den Sechzigern nach oben gespült, ungehemmt übernommen und geradezu rauschhaft und demütig dem ursprünglichen Sound frönten. Für eine Generation, die zusammen gesunken in Sitzsäcke indischen Lebensweisheiten lauschten. Oder einfach nur irgendwelche Kräuter rauchten.
Das Publikum lachte. Selbst ich, der ihn nicht kannte, wußte, einer der drei war Bare Egil, und die Band niemand anders als die Bare Egil Band. Drei Musiker, die ernsthafter nicht sein konnten. Aber auch keine Hemmungen hatten, dem Sound so komplett zu verfallen, dass der Beamer eine Lightshow mimte, während sie – musikalisch einwandfrei – ein Retro-Happening in der reinsten Kultur zelebriert. Hätte kaum jemand ein Problem damit gehabt, dafür Eintritt zu zahlen. Wie eine Zeitmaschine, denn man muss es ihm lassen: Bare Egli mag für seinen Wortwitz bekannt sein, aber er kann spielen.
Und dann kam die Pause. Die Norweger tippten mir auf die Schulter, sagten irgendwas und ich musste mich outen. Sie lachten, wir verglichen unsere Sprachen, kamen auf München, und auf Hamburg, und das man dort „Moin!“ sagt. Jederzeit, morgens, mittags und abends. Sie hatten getrunken, ich hatte getrunken. Das mit dem Bier ist eine komische Sache hier. Unglaublich beliebt, viel zu teuer, und nach 20:00 kannst du nirgend wo eines kaufen, aber in der Bar ist es möglich, es dir bis in die Frühe rein zu kippen.

Als Bare Egil wieder auf die Bühne kam, alleine und als Mönch verkleidet, fingen sie an zu rufen. Er solle doch auf tysk sprechen. No,No,No, rief ich nach hinten. Um Gottes Willen. Aber sie lachten nur, und er hatte nichts gehört.
Ganz ehrlich? Ich habe kein Wort verstanden. Nicht einen Witz, und deren gab es wohl viele. Das Publikum war begeistert, sie lachten, grinsten, schmunzelten, riefen etwas und kannten zwei drittel der Songs. Sie sangen mit, sie jubelten, sie forderten bestimmte Titel.
Und ich verstand gar nichts. Es ist ihm zu gute zu halten, dass er wirklich seine Gitarre beherrscht. Er spielt sie brasilianisch, lässt den Samba anklingen, amerikanisch, traditonell, mit Anklängen an Klassiker, Meldodien, die an Rock Hymnen vorbei schrammen und er kann es, er kann es wirklich.
Nach dem ich gelesen hatte, dass er hier populär für seine Gags ist, die sowohl gesellschaftlich, wie auch politisch durchaus treffend und beißend sein können, hatte ich mir dreimal überlegt, ob ich die Karte nicht verfallen lasse. Es ist so einfach müde zu werden, wenn man auf der Couch vor dem Fernseher mit Netflix sitzt. Aber ich war noch nie im John Dee. Und fernsehen – kann ich auch daheim. Also, Jacke, Boots, Kälte. Raus und wieder mal durch die quirlige Stadt. Vor Beth Hart im Sentrum standen mal wieder Schlangen. Und ich war froh, im John Dee gewesen zu sein, denn der Mann konnte spielen und NorwegerInnen, die ihren Spaß haben, können ansteckend sein. War wirklich angenehm. Muss man sagen. Ohne dass auch nur ein Witz von ihm bei mir ankam. Muss er ja nicht wissen. Habe ja trotzdem geklatscht.
Externer Link: Bare Egil (Intagram) –www.Instagram.com/baregilband
Externer Link: John Dee – www.rockefeller.no