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Schlagwort: Punk

M. Walking on the Water: Tour und neues Album“e“

M. Walking on the Water: Tour und neues Album“e“

M.Walking on the Water - Aufnahmesession zu "e"  im Studio K22 -Foto von Philip Lethen
M.Walking on the Water – Aufnahmesession zu „e“ im Studio K22 -Foto von Philip Lethen

Man kennt das. Zusammenstehen, eine Anekdote erzählen. Einen Namen fallen lassen, und alle nicken anerkennend. M.Walking on the Water sind ein eigenes Genre. Eine Mischung aus Folk, Poesie und der Rotzigkeit des Punks. 1985 gegründet. Damit jetzt im 40sten Jahr ihres Bestehens, blicken sie zurück auf ein Bündel Alben mit einem ganz eigenen Sound.

Spricht man von ihnen, dann tauchen viele Geschichten und Anekdoten auf. Festivals, Clubs, Konzerte an den unterschiedlichsten Orten. Spricht man mit ihrem Sänger und Songwriter Markus Maria Jansen, dann spürte man die Freude die Geschichte der Band nun weiter zu schreiben. Nach Ausflügen in andere Projekte, auch einer nach ihm selbstbetitelten Band, begibt er sich mit M.Walking on the Water wieder auf eine Tour zu ihren Wurzeln.

M. Walking on the Water waren auf ihren damaligen Covern, im Jahr 1987, verkleidet. Unkenntlich wie Mumien, denen ein Balken durch den Kopf ging. 

Ihre Auftritte waren wild, ungestüm, mit einem Akkordeon (Mike Pelzer), einer Violine (Axel Ruhland), dem Bass (Ulrich Kisters bis 1990, danach Konrad Mathieu), sowie Martell Beiging am Schlagzeug und – vor allem – einem Wirbel durch die Traditionen der verschiedensten Richtungen. Ein Phänomen, das schwer zu beschreiben blieb.

1987 auf dem dem „Fest“ in Karlsruhe, als noch nicht ganz klar war, was auf das Publikum zukam, wurde – in der Not – von „Guggemusik“ gesprochen. 

„Guggemusik“ das waren und sind musikalische Guerilla-Truppen, die währende dem Karneval im Allemanischen unterwegs sind. An den Faschingstagen durch die Kneipen ziehen. Auftauchen, Spielen, weiterziehen. Meist mit akustischen, lauten Instrumenten. Wild, durcheinander, einfach plötzlich und weil es irgendwie passt. Oder passend gemacht wird.

Fast so ähnlich, in dieser Tradition, zogen M.Walking on the Water damals durch die Spelunken und Trinkstätten im Ruhrgebiet. M.Walking on the Water schreckten dabei nicht vor Hymnen, eingängigen Melodien und klagender Romantik zurück. Ein bißchen Seefahrt, ein bißchen Balkan, eine Handvoll irisches Aufbegehren und englischer Trotz. Von allem ein wenig mehr und doch ganz eigen. Sie forderten zum Tanz, begeisterten, und waren von einer unbändigen Freude an der Melodie geleitet. 

M.Walking on the Water - 2025
M.Walking on the Water – 2025

Wieder erleben kann man sie heute auf einer ähnlichen Tour, die in den nächsten Tagen im Ruhrgebiet startet. Wieder durch Kneipen, doch dieses Mal besteht die Chance daran teil zu haben. Die Tage und Orte sind bekannt. 

Und können hier verraten werden. Finden sich aber auch auf Ihrer Homepage (Externer Link: https://pages.fuego.de/mww/start.html) : 

Mo. 06.10.25KREFELDTannenhöhe
Di. 07.10.25ESSENGoldbar
Mi. 08.10.25BOCHUMTrinkhalle
Do. 09.10.25DUISBURGCafé Graefen
Fr. 10.10.25RECKLINGHAUSENDrübbelken
Sa. 11.10.25GELSENKIRCHENRosi
So. 12.10.25KREFELDKuFa

Tickets gibt es für die Kneipen offiziell keine, die Plätze sind aber sicherlich rar. Also auf der Webseite unbedingt noch mal nachschauen. Der Hut geht rum. 

Das Abschlusskonzert findet am 12.10. 2025 in Krefeld in der Kulturfabrik statt. Einem Ort, dem M.Walking on the Water traditionell verbunden ist. 1987 gab es dort die ersten Konzerte mit ca. 1000 Zuschauern. Wer damals dabei war, sollte sich das sowieso nicht entgehen lassen. Versteht sich.

Die reichhaltige Diskografie von M.Walking on the Water wird m Rahmen des Jubiläums um ein weiteres Album ergänzt. 

Die bisherigen Alben und EPs waren jeweils Projekte mit ganz unterschiedlichen Färbungen. Erwähnt werden muß in diesem Zusammenhang „The Waltz“, eine EP, die im Folgejahr, nach dem Erstling, erschien. Sechs, beschwingte und dramatische Walzer. Oder „Pictures of an exhibitionist“, wieder eine EP, die sowohl vom Cover an ein berühmtes Werk der Rockgeschichte erinnerte, aber auch eine sehr eigene Interpretation der Klassiker bot. 

M. Walking on the Water überraschten im Laufe ihrer Geschichte immer durch einen sehr eigenen Witz, und der puren Lust am Experiment. So naheliegend, wie es war, das ausgerechnet sie in Album in Louisiana, der Heimat der Cajun- und Zydecomusiker aufnahmen, so ungewöhnlich war es dennoch für eine deutsche Band diesen Schritt zu gehen („La Louisanne“). 

Im Auftrag des Goethe-Institutes unternahmen sie 1996 eine fast legendäre Tour durch Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgisistan und Tadschikistan. Was in Wikipedia nur für eine kurze Notiz taugt, harrt noch einer Wiederentdeckung, ist doch Markus Jansen immer mal wieder dabei altes Filmmaterial zu sichten und zu überarbeiten. Es klang am Telefon verheißungsvoll und macht neugierig.

Zwischenzeitlich, wegen dem Jubiläum, und um die Originalbesetzung nochmal zusammen zu holen, haben sie also wieder ein Album aufgenommen. Schlicht „e“ genannt. Es wird für die Vinyl-Auflage eine ganz besondere Edition geben, die wahrscheinlich schnell vergriffen ist. Ebenso wie damals, bei der ersten Single, die in einer Art Wasserhülle erschien, wird „e“ in einer ganz eigenen Verpackung veröffentlicht. Noch ist nicht alles spruchreif, doch die ersten Vorbestellungen können schon über die Webseite vorgenommen werden. 

M.Walking on the Water - 2025 -Markus Maria Jansen (Foto von Philip Lethen bei der Aufnahme zu "e" im K22)
M.Walking on the Water – 2025 -Markus Maria Jansen (Foto von Philip Lethen bei der Aufnahme zu „e“ im K22)

Warum „e“ fragte ich Markus. Er schwieg kurz, um dann zu antworten, dass das letzte Album „lov“ hieß. Da ließ man das „e“ noch weg. Nun, und jetzt also „e“.

Es ist ist immer noch der Hang zum Kuriosen, zum Schalk und um die Ecke denken, der M.Walking on the Water zu einer bodenständigen, aber auch in ihrer Form einzigartigen Truppe macht. „E“ wurde in einer einmaligen Session mit Publikum nahezu unplugged aufgenommen, und beinhaltet daher eine Atmosphäre, die eingefangen, die Vielfalt der Instrumentierung, aber auch begeisterte Stimmung der Band widerspiegelt.

In der deutschen Rockgeschichte haben M.Walking on the Water eine ganz besondere Stellung eingenommen, den sie sowohl ihrer Nahbarkeit, wie auch Vielseitigkeit in Ausdruck und Stimmung verdanken. Zeit, sie auf jeden Fall nochmal zu sehen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

Mehr zu M.Walking on the Water:

Rong Kong Koma (Support: Socke) im KOHI, Karlsruhe, am 09.05.2025

Rong Kong Koma (Support: Socke) im KOHI, Karlsruhe, am 09.05.2025

Rong Kong Koma im Kohi, Karlsruhe am 09.05.2025

Machen wir es einfach so: Schmeißen wir mal alle Wörter, die einfallen in den Topf, schütteln ihn und heraus kommt: PUNK.

Rong Kong Koma wollten das Kohi zerlegen. Und Socke bereiteten den Boden vor.

Straight forward, choreographisch abgestimmt, auf die Kacke gehauen, brachial, gewaltig, laut, stürmend, immer voran, schnörkellos, klassisch krachig, immer nach dort, nie zurück, gitarrenlastig, breitbeinig und hüftgespielt. Oder so.

Socke liefen liefen los. Gaben die Richtung vor. Der Drummer an den Vocals. Das Keyboard als Begleitung. Zu den Gitarren. Von denen – in typischer Besetzung – drei. So einfach wie klar. Und damit genau das, was reicht und treibt. 

Socke, im Kohi, Karlsruhe 09.05.2025

Das Kohi, fensterlos und bepflastert mit all den Plakaten der Berühmtheiten hat immer das Zeug zum Club, Schuppen und zeitloser Punk-Location. Das macht es einfach und authentisch. 

Socke waren das erste Mal da. Kämpften kurz mit dem Vorhang. Koppelten vor und zurück. Rissen das Ding an sich und hatten die Front erstaunlich schnell im Griff. Pur und wahr, einfach und ehrlich, kurz und überhaupt. Was mehr? 

Socke ist eine junge Band mit klaren Strukturen. Schnellen Konstruktionen, griffigen Refrains, der Lust und den Spaß am Publikum und laut Merchstand mindestens einer Cassetten-Veröffentlichung. Feiere ich insgeheim. Cassetten. Authentischer kann man fast nicht sein.

Rong Kong Koma hatten fast ein Heimspiel. Bis dato hatte ich alles verpasst, nie was gesehen, Namen nicht gekannt und trotzdem war der Raum voll, T-Shirts vorhanden und die Stimmung von null an richtig. Die Chansonnieres des Punk. Nochmal eins drauf. Bunter, lauter, und mehr Glamour. 

Rong Kong Koma sind Chuzpe, Charme und rotzfreches Chaos auf einer Handvoll Quadratmeter. Spaß in Komposition und Ansage, mit einem Augenzwinkern präsentiert und dem ständigen Flirt mit dem Dilettantismus. Sie wirbelten, zogen das Ding durch, forderten und rissen mit. 

Das war Schweiß, Bier, das im Enthusiasmus über die Bühne flog, die kanadische Nationahymne und auch mal die Titelmelodie aus alten Games. Rong Kong Koma zeichnet der Witz und die Überdrehung der Stellschraube aus. Wenn noch mehr zu koppeln ist, dann noch mehr. Alle an die Pedale, alle verzerren, alle schneller. Drei Gitarren, ein Drummer. Letzterer immer mit voller Wucht, immer treibend, wo die Gitarre ins Publikum, rennt, springt, tanzt und einmal dem Raum durcheilt, um wie ein Derwisch wieder zurück zu kehren. So geht das. So funktionierte das. So bleibt das in Erinnerung. 

Rong Kong Koma behaupteten, das sei die Probe, die nie stattfindet, und das Set, das nicht ausreicht. Hätten sie auch nochmal spielen können, jeder hätte es gedankt. Hätte funktioniert und getanzt haben die meisten sowieso. Die Stücke luden ein, die Werke waren Stoff genug zum Vermissen und was bleibt, das war der Spaß, den man den Jungs ansah. Die machen das richtig gut. 

Externer Links:

Rong Kong Koma :http://rongkongkoma.de/

Socke: https://socke.bandcamp.com/album/schlechte-luft-ep

KOHI: https://kohi.de/

Die Musik-Szene von Karlsruhe braucht ein öffentliches Archiv .. und warum wir es jetzt einfach machen. Ein Gespräch mit Tex Dixigas

Die Musik-Szene von Karlsruhe braucht ein öffentliches Archiv .. und warum wir es jetzt einfach machen. Ein Gespräch mit Tex Dixigas

Ein Beispiel der Musik-Szene aus Karlsruhe: Rädelchen und Martin Müller (mehr wird folgen)

Ein paar einleitende Worte zu diesem Interview: Karlsruhe hat ein unbestimmte Anzahl an MusikerInnen, Bands und Menschen, die sich mit Musik beschäftigen. Es gibt hier Labels, eine unglaubliche Anzahl an Veranstaltungsorten, die nicht mehr existieren, aber trotzdem in Erzählungen präsent sind, aber auch viele Locations, die heute noch die Farbigkeit der hiesigen Szene ausmachen. 

Es gab bisher verschiedene Versuche, all das, was Karlsruhe bot und bietet, abzubilden. Diese finden sich hier im Internet, aber auch bestimmt in den Archiven der Tageszeitungen oder Clubs. 

Um dem Thema ein kleinen, neuen Anstoß zu geben und Hilfestellung zu bieten, möchte ich mit der Unterstützung von Tex Dixigas (Martin Christoph), von Dixigas Records, auf diesen Seiten so weit wie möglich und in loser Folge vergangenes, zukünftiges und aktuelles aus der wilden Szene von Karlsruhe präsentieren. Das können Diskografien, Features, Bios, Anekdoten und vieles, was uns zugetragen wird, sein. Das werden Interviews sein, aber auch einfach mal Erzählungen.

Wie viel das wird, wie tief das geht – das werden wir sehen. Wer dazu beitragen kann, wird willkommen geheißen. Gerne würden wir die Geschichten von Zeitzeugen hören. 

Um ein bißchen zu zeigen, wo die Reise hingeht, aber auch was passieren kann, wenn man sich auf diese Reise begibt, soll dieses Interview zeigen, dass quasi das einführende Gespräch zwischen mir und Tex war.

Tex Dixigas bei Top oder Flop in seinem Plattenladen Dixigas Records

Jazznrhythm (Andreas Allgeyer): Weswegen wir uns jetzt getroffen haben und uns unterhalten, sind die Karlsruher Geschichten. 

Du hast mir erzählt, du interessierst dich dafür. Du hast sie archiviert, gesammelt und das über viele Jahre. Die Frage ist: Warum?

Tex Dixigas (Martin Christoph):  Ich habe ganz normal angefangen, wie jeder Musikliebhaber, dass ich Konzertplakate von der Wand genommen habe von den Bands, die ich mochte.

Ich mochte auch immer schon Karlsruher-Bands. Das war früh ganz klar. Je jünger man ist – du kennst die ganzen Leute. Beispielsweise als ich DJ in der Katakombe war. Dort hingen sie alle rum. Die hatten alle eine Band. Dann hattest du selber eine Band. 

Du bist am Wochenende auf das Konzert von der Band, die du kanntest, gegangen.

Ich habe Flyer mitgenommen und Plakate. Als ob es Lou Reed wäre. Ich habe das in eine Kiste geschmissen. Machen ja viele.

Selbst wenn es dann eine eigene Band ist, schmeißt du es in eine Kiste, kaufst die Platte von der Band und irgendwann hast du viel von Karlsruhe. 

Aber das war kein Karlsruhe-Archiv.

Ganz wichtig zum Beispiel, war die Beethovens . Es gibt hier die Moonlights und die Beethovens. Als ich jung war, waren die Moonlights zum Beispiel so eine Tanzbands 

Jazznrhythm: Die sind noch unterwegs, nicht wahr? 

Tex Dixigas: Die sind immer noch unterwegs. Wahrscheinlich null original Mitglieder, aber das waren ursprünglich die Moonlight Brothers. Von denen gibt es eine richtige Single, also auch auf CBS, das Nightwalk. Das war ein richtiges Instrumental. Die wollten jemand werden. War national veröffentlicht. 

Dann kam die Beethovens .Das hat mir jemand vorgespielt . Die Beethovens sind knallhart. Das ist richtig Garagen-Punk. Das ist kein Beat. Nur auf einer Seite. Dann suchst du. Von den Beethovens habe ich das Cover zehn Jahre lang gesucht. Die Single habe ich dreimal, aber das Cover – das habe ich zehn Jahre lang gesucht. Das heißt was!

Irgendwann denkst du, was gibt es denn noch in Karlsruhe? Du suchst tiefer. 

Ich hatte meinen Laden. Da sind immer Platten reingekommen.

Manchmal stand hinten drauf Karlsruhe, war aber Orgelmusik. Also ab in das Karlsruhe-Töpfchen

Irgendwann hast du genug. Du telefonierst du die Jungs ab und sagst, hast du noch Platten ? Jemand erzählt dir: „ Ah, da gab es einen, der hat was“.

Zum Beispiel Werner Kühn, aus dem Schlaile, der dir Platten verkauft hat. Irgendwann sagt er zu jemanden, du bist der beste Schlagzeuger Karlsruhes gewesen und dann wird es halt spannend. Je tiefer du in der Materie bist, desto spannender wird es dann.

Jazznrhythm:  Bei dir ist das Genre- und richtungsübergreifend?  Es ist nicht so, dass du auf eine bestimmte Richtung festgelegt bist?

Tex Dixigas: Ja, Karlsruhe will ich einfach alles. Ich sage immer, egal ob es der Gesangsverein Grötzingen oder die Hottscheck Hexen singen, ob es der KSC oder Black Metal ist, ich will alles.

Weil sonst ist es ja nicht lustig. Sonst ist ja kein Karlsruher Archiv.

Jazznrhythm: Genau. Zeichnet Karlsruhe irgendwas aus?

Tex Dixigas: Ja, dass die Stadt sich wenig für dich interessiert. Bis du berühmt bist und dass die meisten Bands besser dran sind, wenn sie abhauen. Das ist Karlsruhe. Alle Bands, die auf sich halten, sind auswärts berühmt geworden. 

Dann kommen sie zurück und erst dann sagt Karlsruhe: „Unsere Söhne!“

In Mannheim ist das anders.

Aber du musst hier als Karlsruher Band erst als Hamburger Band bekannt werden. Ein paar Leute haben es ja auf L’age d’Or geschafft. Aber die Jugendfestivals in Karlsruhe sind ganz gut. 

Es gibt auch ein Archiv, aber die haben es viel später angefangen als ich.

Jazznrhythm: Das wäre die nächste Frage, ob es tatsächlich schon ein Archiv gibt. Wer sich da bisher darum gekümmert hat? Du bist anscheinend jetzt in der Tiefe der Einzige. 

Tex Dixigas: Es gibt mehrere Karlsruher Sammler .Es gibt auch einige, die haben bestimmt wesentlich mehr als ich. Das Problem ist: Die machen nichts damit.

Die transportieren das nicht nach außen. Die haben das zu Hause. 

Mein Plan ist ja das man etwas damit man macht. Eine Ausstellung z.B.

In meinem alten Laden hatte ich alles voll mit alten Plakaten. 

So richtig seltene Plakate, z.B. mit spätere RAF-Terroristen. Karlsruhe ist total spannend. Wir hatten Beatbands, bei denen spätere RAF-Terroristen dabei waren. Die Stadt Mannheim hätten schon einen eigenen Raum im Museum gemacht.

Jazznrhythm: Ich weiß, dass Karlsruhe natürlich eine besondere Beziehung zur RAF hat. Die meisten Biografien landen einfach in Karlsruhe, wenn du in die Tiefe gehst.

Aber ich wusste jetzt nicht, dass es Bands gab. 

Tex Dixigas: Expression mit Knut Folkerts. Mit dem habe ich sogar schon telefoniert, aber das war schwierig.

Oder: Top spannend. Es gab eine Schülerzeitschrift aus Ettlingen, aus der Schule, auf der Christian Klar war.

Die war extrem links. Da sind MC5-Besprechungen aus den Früh-70ern drin. Ich habe jemandem getroffen, der bei der Schülerzeitschrift gearbeitet hat. 

Die Polizei hat dich, wenn du nur in der Klasse mit einem von denen warst, geschasst. Du hast dann keinen Job gekriegt. Du musstest fast in den Untergrund gehen. Es gab eine extrem politisch harte Linke.  Da redet niemand drüber. Das müsste eigentlich aufgearbeitet werden. 

Eigentlich müsst die Stadt Karlsruhe hingehen und sagen: „ Entschuldigung, dass wir euch alle verdroschen haben, liebe Karlsruher Kameraden. Ihr konntet nichts dafür, waren scheiß Zeiten“

Jazznrhythm: Die 70er waren extrem paranoid. Ich bin ja damals hier zur Schule gegangen. Ich weiß, was damals los war. Ich kenne die verschiedenen Schülerzeitungen, die extern außerhalb der Schule gedruckt wurden. 

(…)

Das heißt, du hast auch Jazz. 

Tex Dixigas: Im Jazz gibt es fantastische Sachen. Du schaust mich gerade so an, als ob du das nicht wüsstest. 

Jazznrhythm: Ich weiß das, ich war nur gespannt, was jetzt kommt. 

Tex Dixigas: Das Modern Jazz Quintett Karlsruhe mit Herbert Joos. Herbert Joos ist ja eine der Koryphäen, aber der hat Karlsruhe auf seiner Vita gestrichen. Ich habe ihn angerufen in Stuttgart, der war komplett aggressiv, der hatte null Bock auf Karlsruhe. Obwohl seine Band den Namen Karlsruhe in sich trug.

Das ist das Paradebeispiel. Der hat das Artwork für die Platten gemacht. Fantastisch, schwarz auf schwarz, silber auf weiß. Komplette außerirdischen Reisen per Jazz ausgedrückt.

Die Nada ist noch fantastisch. Es gibt ganz tolles Zeug aus dem Jazzclub Karlsruhe. Das Jazz Publikum muss der Wahnsinn gewesen sein. Aber die Jazzer sind eine eingekapselte Welt für sich. Die Walpurgis ist noch der Hammer. Eine ganz tolle Platte.

Da gibt es bestimmt auch noch extrem viel Zeug, Konzertplakate . Das haben die selber und das behalten die auch. 

Der Jazz-Club muss auch sehr, sehr geil gewesen sein, halt viel Avantgarde und abgefahrenes Zeug und so.

Jazznrhythm: Okay, aber das heißt, das ganze Zeug, das du bisher gesammelt hast, das ist noch nicht ausgestellt worden ? 

Das bräuchte tatsächlich eine Webpräsenz, die recherchierbar ist.

Jetzt können wir ein bisschen auch darüber reden, wie wir uns das vorstellen.  Bei meiner Web-Seite ist im Hintergrund eine Band-Liste. Die Liste hat die Tendenz unendlich zu werden . Das ist mir egal. Unabhängig von der Liste gönne ich natürlich jeder Gruppe, die auftaucht, eine eigene Seite.

Eine eigene Seite, in der man kurz sagt, das ist die Diskografie, und das waren die Mitglieder mit ihren Verzweigungen. 

Im Vordergrund werden weiterhin Konzerte, Platten und ähnliches besprochen. 

Wenn das passt, dann würde ich sagen, wir fangen ganz ganz harmlos an und fotografieren  erstmal Cover und Plakate. Widmen die dann den entsprechenden Bands.

Mit der Aufforderung, dass jemand, der oder die etwas was weiß, sich – um Gottes willen – melden soll. 

Tex Dixigas: Es gibt viele Sachen, da weiß ich nur Geschichten. Ich habe z.B. eine Geschichte gehört-  ich kann dir nichts dazu sagen –  dass es eine GI-Metal-Band gab, die hier stationiert war. Die haben eine LP gemacht, während sie hier war. Alles, was ich weiß ist, dass ein Schwert auf dem Cover ist.

Mehr weiß ich nicht. So, und jetzt bist du dran, wie finden wir eine Heavy-Metal-Platte mit einem Schwert ? Da findest du Tausende, aber welche ist das?

Jazznrhythm: Darum geht es mir. Dieses Ding dann irgendwie zum Leben zu erwecken und die Leute anzuziehen, die etwas damit zu tun hatten.

Da ist die große Befürchtung, die ich bei der ganzen Geschichte immer wieder habe. Meine Generation war so eine Plattensammler-Generation, die stirbt jetzt aus und mit denen verschwinden tausende von Platten.

Tex Dixigas: Genau, ist so. Und bei Plakaten ist ja viel schlimmer. Plakaten und T-Shirts. Weißt du, was Leute sagen?

Die habe ich schon weggeschmissen. 

Jazznrhythm: Ich weiß jetzt schon, die Leute, die irgendwann mal meine Sammlung erben, brauchen eine klare Anweisung, was davon überhaupt irgendwas wert oder wo sie damit hingehen sollen.

Tex Dixigas: Sonst gehen die her und bestellen einen Laster und dann ist das Zeug weg. Und bei dir ist es bestimmt wieder lustig .Aber das ganz große Problem des modernen Plattensammler ist der Wert.

Ich habe ganz viele Platten, die finde ich einfach total geil und sie sind aber wertfrei. Das Einzige, was lustig ist, wenn halt einfach niemand weiß, was daran lustig ist. Irgendein Hit und die B-Seite ist halt voll geil. Ich habe zum Beispiel so eine italienische Schlager-Single, die habe ich hier in Karlsruhe gefunden. Eine der besten Progressiv-Rock-Singles. Aber nur die B-Seite, weil die A-Seite ist italienische Schlager.

Auf der B-Seite dürfte sich seine Hausband austoben als Dankeschön, dass sie mit ihm die A-Seite aufgenommen haben. Ist die was wert? Keine Ahnung. Es geht aber darum: wenn du sie auflegst, weiß keiner, was du auflegst.

Es baut aufeinander auf.

Es ist in Karlsruhe extrem wenig rausgekommen. Es gibt fast keine geile Hippie-LP .Es gibt die Poseidon. 

Es gibt 100 Bands , jedoch gibt es nur noch zwei, drei LPs, die sind hippieartig.

Bei Punk auch. Es gibt in meinen Augen keine einzige Punk-LP aus Karlsruhe. Oder Punk-Single. Es gibt ein paar Kassetten, aber es gab Bands. Auch New Wave-Leute. 

Aus Wörth gibt es noch ein paar total geile. Aus Pforzheim gibt es Wave-Veröffentlichungen. Es war aber von 76 bis 80 auch nicht so wahnsinnig viel Punk erschienen in Karlsruhe.

Jazznrhythm: Das wäre natürlich auch so ein Punkt, wo ich sagen würde, das muss man ausgraben. Da muss irgendjemand kommen und sagen, er hat mehr Ahnung. Und auf die bin ich eigentlich scharf.

Dass da irgendjemand vorbeikommt und dann sagt, da weiß ich viel mehr als ihr. Ihr habt überhaupt keine Ahnung.

Okay, dann würde ich sagen, der Plan steht.

Wir machen das, und führen das Gespräch immer mal wieder weiter,

So, dass es einfach transparent ist, was treiben wir da. Und worum es geht. 

Ich danke dir. 

Tex Dixigas: Nichts zu danken, ich hab dir Dank. Und den Rest machen wir dann.

Externer Link: Dixigas Records – Der Plattenladen von Tex Dixigas und Marco Sommer : https://dixigas-records.de/

Plattenläden in Oslo – 2ter Teil

Plattenläden in Oslo – 2ter Teil

Neseblod Records

Schweigaards Gate 56

Externer Link: https://neseblodrecords.bigcartel.com/

Neseblod Record Store, Oslo,2025

Wenn man es nicht übertreiben will, und auch verspricht, nichts internationales zu kaufen – sich nur auf die lokalen Acts zu konzentrieren – dann darf Neseblod Records nicht dazwischen kommen. 

Neseblod Records ist legendär, wichtig und einen Besuch wert. Es gibt Stimmen, die besagen, das genauso ein Plattenladen aussehen muss. Klein, eher eng, vollgestopft bis zur letzten Ecke, mit einem Keller der Katakomben gleicht. 

Die Grundfarbe der T-Shirts, die überall hängen, der Tasche und überhaupt allem ist schwarz. Und das aus gutem Grund. Neseblod ist ein Tempel und Museum, aber auch eine wichtige Anlaufstelle, für alle, die die härtere Gangart mögen. Metal in allen Spielarten, Punk, Hardcore, sowie alles außen rum und mittendrin, ist der Schwerpunkt.

Die Platten stehen gepresst in den Regalen, die Kassetten und CDs klettern zur Decke hoch, und dazwischen finden sich Bücher über obskure Punkfanzines, der Geschichte des Metals allgemein, des Death- und Blackmetals sowieso und T-Shirts, T-Shirts, TS-Shirts. 

Natürlich sind alle großen Namen vertreten, und man muss in den Keller runter, weil da unten ein Thron aus Stein steht, komische Bereiche mit abgesperrten Gittertüren sind, Schilder, die auf Black-Metal verweisen, und Spuren eines Brandes zu sehen sind.

Neseblod Record Store, Oslo, 2025 Basement

Es geht das Gerücht um, das Neseblod abgebrannt sei. Das Internet erzählt davon. Tatsächlich, so der Besitzer ist das ein Jahr her, und es ging nur um den Keller. Als ich letztes Mal darin war, wurde im Keller noch gearbeitet. Es sieht nicht viel anders aus, aber die Arbeiten scheinen beendet. Man muss Zeit mitnehmen, die Muse sich tief einzugraben, und sollte Kenntnis von der Sache haben. 

Mitgenommen habe ich eine Platte von den Cramps. Damit natürlich meinen eigenen Schwur gebrochen. Die Cramps sind definitiv nicht regional, aber mindestens so legendär wie der Laden und, verflixt, ich vermisse sie immer wieder.

Ob ihr ein Faible für die Richtungen habt, die hier angeboten werden, oder nur mal reinschnuppern wollt – gönnt euch Neseblod. Es ist dunkel, es ist heimelig, es ist pure und wichtige Geschichte. Eine Lektion, die man in Oslo einfach mitnehmen muss.

Neseblod Record Store, Oslo 2025