Torgeir Waldemar – „Love“
(Jansen Records – Jansen114LP)
Ich muss eine kleine Geschichte erzählen. Vor einigen Wochen besuchte ich Freunde in Norwegen. Sie zeigten mir während meinem Aufenthalt alles, was man unbedingt gesehen haben muss. Auch Oslo. Und ich hatte eine Bedingung, ich musste die Plattenläden besuchen, unbedingt. Oslo ist schön, vor allem an einem sonnigen Tag, und es gibt fantastische Sachen zu entdecken. Kurz und gut, am Schluss blieben noch 30 Minuten bis die Plattenläden schlossen. Und 3 Läden standen auf der Liste.
Es verlief dann ungefähr so: Ich öffnete beim ersten die Tür, eine Band spielte daran, der Laden war packevoll. Das was ich hörte, das war gar nicht so übel. Vielstimmiger amerikanischer Folk im besten Sinne. Aber ich hatte ja keine Zeit. Also in den Platten gewühlt, im Norsk-Bereich das rausgesucht, was nach Jazz, Americana und ähnlichem aussah. Versucht etwas zu verstehen, und dann, aufgrund von Cover und gutem Gefühl mit einem kleinen Stapel zur Kasse marschiert. 5 Minuten. Und im nächsten Laden dasselbe. Im dritten so ähnlich, aber das ist eine andere Geschichte.
Um es kurz zu machen: Ich hörte mir daheim, in Deutschland, alles an und war hochzufrieden. Es war ganz genau das, was ich erhofft hatte. Und in einigen Fällen habe ich mittlerweile versucht, die komplette Discographie der KünstlerInnen zu bekommen. Das ist nicht einfach, hat aber zum Beispiel bei Torgeir Waldemar ganz gut geklappt.
Torgeir Waldemar dürfte vielleicht einigen bekannt sein, von seiner Band „The Devil and the almighty blues“. Die Jungs spielen eine Art langsamen, verschleppten, schweren Blues, der je nach Gesinnungslage als Doom-Bluesrock oder Stoner-Blues benannt wird. Das ist erdiges, dunkles Zeug, das mit schweren Gitarren und einem fetten Sound sich langsam dahinschleppt, wie ein Catfish im Schlamm von Louisiana. Sehr beeindruckend, aber es steht noch auf meiner Wantlist, daher nur diese kurze Erwähnung.
Torgeir Waldemar geht das Ding anders an. Auf seinen Solo-LPs harmoniert er akustisches Spiel mit den scheppernden Saiten eines Sounds, der direkt aus der Wüste kriecht. Und pflegt feinstes amerikanisches Singer-/Songwriter Material, dass in der Melange aus Americana, Folk und Country angesiedelt ist. Das sind Geschichte und Melodien die in der Weite des Westens aufgewachsen sind, und sich Zeit lassen, die Größe der Prärie zu erfassen.
LOVE ist dabei eine EP, die mit fünf Stücken einen guten Eindruck geben, auf das was noch kommt. Die Anklänge eines ausgebremsten Blues („Truncated Soul“) finden sich darin genauso, wie vokale Verweise auf die großen Stimmen und Gitarristen, die in den frühen Siebzigern das Genre belebten. LOVE ist damit der Tradition verpflichtet, erweitert das aber durch den untypischen und sehr angenehmen Einsatz von z.B. gleichberechtigten Trompeten und Saxophon-Anteilen.
Wer die Bilder von Tumbleweeds unterlegen will, ist hier gut bedient. Das Ganze kommt knorrig, verspielt, und im Detail versiert an, um dann in einem dicken, verstrickten Finale eine epische Breite zu bekommen.
Die Spielfreude der Beteiligten äußert sich immer dann am besten, wenn die Stücke in einen Soundtrack verwoben werden, der ungewöhnliche Elemente sein eigen nennt. Das schwillt an, steigert sich, verliert sich, findet sich und gleicht damit einem improvisationsreichem Liveerlebnis. Großes Kino stellenweise und für gute Anlagen oder Kopfhörer ein Fest.
Wer in Norwegen unterwegs ist, wird feststellen, dass es mit seinen verstreuten Dörfern, den Holzhäusern und den unendlichen Wäldern, sowie den allseits beliebten Pickups, stellenweise amerikanischer anmutet, als man gedacht hat. Torgeir Waldemars „Love“ kann dazu der richtige Soundtrack sein. Die erste Seite frönt einer angenehmen, relaxten Richtung, die nur kleine Schattenseiten einer aufkommenden Düsternis vermitteln. Dazu klingt die zweite Seite fast schon fröhlich, aufbrechend in einem erzählenden Countrystyle der sich an dem der Helden unserer Jugend anlehnt. Man möchte fahren, und den Wind wehen lassen, während Seen und Berge auftauchen und hinter dem Wagen wieder verschwinden.
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