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Tag: Live

Moop Mama – Karlstorbahnhof 20.11.2024

Moop Mama – Karlstorbahnhof 20.11.2024

Man möchte es nicht mehr Brass-Revival nennen, aber es ist schon erstaunlich, wie sich die Landschaft in den letzten 10 Jahren geändert hat. Brass Bands, das waren mal die Bands aus dem Bierzelt oder eben in der Dixieland. Maschine Band, also etwas, das dem Sarg voraus ging. Irgendwie alles eher gemütlich und in der aktuellen Popmusik nicht so recht vorstellbar. 

Es war natürlich immer klar, dass die Besten der Guten aus Bayern kommen. Labrassbanda ging voran, aber dann ging es scheinbar Schlag auf Schlag. Heute gibt es die Meute, Make a Move, die Jazzrausch Bigband, aus Brasilien Techno Brass und in Frankreich LGMX. Wie die Verzahnungen dazwischen sind, wer wem voraus ging und was davon Avantgarde ist, das mag man von Fall zu Fall entscheiden. Tatsächlich gibt es Verzahnungen! Doch dazu später mehr. Und in all dem belegt Moop Mama einen besonderen Platz. Seit 2008 sind Moop Mama aktiv, und das als Hip-Hop-Rap-Brass Band. Anfangs mit dem Rapper Keno. Mittlerweile hat er das Mikrofon an Älice weitergegeben und es fällt schwer darüber nachzudenken, ob das jemals anders war.

Älice tobte im neuen Karlstorbahnhof über die Bühne, rappte, tanzte, hielt das Ding am Laufen. Frontfrau in allen Facetten, hatte sie das Publikum erstaunlich schnell im Griff und auch die alten Songs wirkten wie aus einem Guß. Moop Mama hat ein erstaunlich großes Oeuvre, das abgearbeitet werden will und dabei veritablen Hits, die zum Mitsingen einluden. Erwähnt seien hier „König der Stadtmitte“, „Liebe“, „Elefanten“ und „Alle Kinder“. Und das Publikum schien sie alle zu kennen.

Mittlerweile besteht die Menge der Studioalben aus – je nach Zählweise –  5, und die Livealben aus 2. Die Zählweise ergibt sich aus der Veröffentlichungspolitik des letzten Albums „Wieder laut“, das in zwei Ausgaben und Etappen erschien. Einmal, randvoll mit vielen Stickern bei der Vinyledition, als „Wieder laut 1“ und „Wieder laut 2“, sowie einer Zusammenfassung in einem Doppel-Album.

Ähnlich war es fast bei dem Livealbum, das es ebenfalls als 1 und 2 gibt. Älice ist eine Bereicherung, die Band hatte selten frischer, munterer und verspielter gewirkt. Sie wirbelt wie ein Cheerleader zu den Solos über die Bühne, immer auch Animateurin wie Blickfang, unterstützt die Drumbattles und beherrscht die Moves. Es wirkt so als hätte die Band sich radikal verjüngt.

Und nochmal zu Bayern und der Verzahnung. Wer sich heute die Biografie der Band ansieht, die Instagram-Profile durchklickt, wird feststellen, es gibt ganz wunderbare Verwicklungen in Richtung Glenn Miller und der Jazzrausch Bigband. Und die Jazzrausch Bigband kommt wie Moop Mama oder Labrassbanda aus Bayern. 

Mischpoke – live in der Providenzkirche, Heidelberg (02.11.2024)

Mischpoke – live in der Providenzkirche, Heidelberg (02.11.2024)

Die Mischpoke aus Hamburg lud zur ihrer eigenen Interpretation der Klezmermusik ein. Modern, aufgeschlossen, augenzwinkernd wiesen Sie daraufhin, dass es Klezmer 2.0 sein könnte, aber von Ihnen „Klezmer High Life“ genannt wird. Und sie gaben damit einen Weg vor, dem ihr Publikum gerne folgte.

Zum ersten Mal in Heidelberg, in der kleinen Kirche, die sich an die belebte Fußgängerzone schmiegt, zwischen Eis- und Outdoorläden. Hier taten die fünf MusikerInnen alles, um ihr Publikum auf eine kurzweilige Reise in die Möglichkeiten des Klezmer mit zu nehmen.

Die interessante und begeisternde Verquickung verschiedener Genres und Stilrichtungen beherrschen Mischpoke ohnegleichen. Immer dem Klezmer verbunden schleichen sich alle möglichen Klänge in ihre Konzerte, die sich im Jazz, Swing und Chanson ebenso finden könnten.

 Für Mischpoke, das bewiesen sie auch bei ihrem Konzert, scheint es hier keine Grenzen zu geben, die nicht für ein Crossover mit der jüdischen Tanzmusik überwunden werden können.

Klezmer ist schon immer eine Musik, die sich durch ihre Reise auszeichnet, die sie im Laufe der Jahrhunderte durch die verschiedensten Regionen unternahm. So ist es eigentlich nur folgerichtig, dass die Band mit einer ungebremsten Spielfreude drauf und dran ist, mit allen Regeln zu brechen.

Nehmen wir „Dona“ (nun „Dona Reloaded“): Wer es wagt, einen Gassenhauer der Liederbücher und Lagerfeuer, mit einem Rap zu verfeinern, und dabei trotzdem auf die eigentliche Geschichte zu verweisen, der geht schon ziemlich weit. Und das mit Bravour. In der Zusammensetzung aus Klarinette, Geige, Gitarre, Stehbass (gekonnt gespielt durch eine Vertretung für die erkrankte Bassistin) und, ebenfalls sehr ungewöhnlich, Flügel, bewiesen Mischpoke, das eigentlich fast alles geht, wenn man es nur kann. So vermischte sich der Sprechgesang mit dem Jiddischen, durchaus gewohntem und blieb in der Tragik transparent und ausgesprochen deutlich.

Hervorstechend waren dabei immer wieder die Eigenkompositionen, die einen Raum für Improvisationen ließen, der dem Jazz entsprach. Hier offenbarte sich wie vertraut ein neues Stück Klezmer klingen kann, wenn es die traditionellen Elemente nimmt, verfremdet, öffnet und der Spielfreude großen Raum lässt.

Die Providenzkirche ist ein sehr sakraler Ort. Der Auftritt fand vor dem geschmückten Altar statt, das Publikum saß auf Kirchenbänken. Klezmer ist jene Musik, die auf Hochzeiten gespielt wird, die leidenschaftlich schneller wird, und sich furios zu steigern versucht. In dem die Klarinette die Geige herausfordert, und der Gesang die Tanzenden antreiben kann. All das fand statt, und zum Schluss war das Publikum nicht nur geneigt, mit zu singen, sondern auch tanzend in die zweite Zugabe zu swingen. Sah durchaus so aus, als würde man Mischpoke aus Hamburg gerne wiedersehen.

Externer Link: https://mischpoke-hamburg.de