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Tag: Tollhaus

Rückblick: Charles Bradley 03.07.2013, Tollhaus Karlsruhe

Rückblick: Charles Bradley 03.07.2013, Tollhaus Karlsruhe

Im Zusammenhang mit Charles Bradley ist vieles zu erwähnen, aber vor allem Daptone Records. Daptone Records ist und war der richtige Plattenverlag zur richtigen Zeit. Immer ein bißchen mehr retro, ein bißchen mehr vintage, aber vor allem um einiges authentischer, was sich sonst in diesem Bereich tummeln möchte. Daptone Records scheinen ein wenig aus der Zeit gefallen. Mit all ihren Soul-Größen, die sich unter dem Dach versammeln, wirkt Daptone Records wie eine Plattenfirma, die die Zeit der großen Shows nochmal hochleben lassen will. Die Anfangsjahre des wilden Souls, als er unbereinigt, wild und schreiend, ungestüm und losgelassen über die Bühnen tobte. Alle Künstler, die Daptone Records in ihrem Portfolio haben,  haben eines gemeinsam: sie sind akribische und versierte Musiker, die kenntnisreich und mit viel Begeisterung eine Musik spielen, die auf die Bühnen gehört und daran erinnern, wo James Brown, Tina Turner und viele andere ihre Wurzeln und Heimat hatten.

Es gibt, ohne dass sie Daptone Records angehören, eine Menge Bands auf dieser Welt, die den Soul immer noch so spielen, dass er lautstark, bläserlastig und mit Vehemenz rüber kommt. Ohne Zweifel. Ihnen gebührt alles, vor allem Dank, dass sie daran festhalten, und sich nicht von aktuellen Strömungen so beeinflussen lassen, dass all dieses verschwinden könnte. Aber Daptone Records vereinigt die Konsequenz, dieses im Design, der Covergestaltung, der Shows, der Musik, der Philosophie und dem Zusammenspiel zu vereinigen. Somit ist Daptone Records auch immer ein Netzwerk aus Musikern, die sich gegenseitig unterstützen, obwohl sie eventuell als Solostars selbst Erfolge feiern. Die Menahan Street Band, die Charles Bradley auf den wichtigsten Veröffentlichungen begleitete, hat zum Beispiel eigene Platten, die auf jeden Fall hörenswert sind.

Charles Bradley, der wie eine der vielen Inkarnationen von James Brown wirkte, zeichnet eine unglaubliche Dankbarkeit aus. Seine Diskografie besteht offiziell – von den Samplern mal abgesehen – gerade mal aus vier Alben. Was nicht viel ist, für einen Künstler, dessen Wurzeln und Bewandtheit soweit zurückreichen. Aber wie viele talentierte Musiker verdiente er sich sein Geld über viele Jahre in Shows, die nicht seinen Namen, sondern den seines großen Vorbilds, hier James Brown, trugen.

Seine Bühnenpräsenz war daher eine Reminiszenz an all das was in den sechziger und frühen Siebziger Jahren wichtig war. Fette Bläser, ein charismatischer Frontmann, ein Auftritt, der schweißtreibend, ekstatisch und vor allem mit jedem Gefühl möglich war, das es offenbaren konnte.

Charles Bradley war ein sanfter Riese. Seine Stimme war gewaltig, laut, ungehemmt, mit allem was die Lunge hergab. Seine Ehrfurcht vor der späten Karriere war beeindruckend. Er liebte sein Publikum, und verstand es als seine Aufgabe möglichst viel zurück zu geben. Das sein Name, neben Sharon Jones, zu einem Zugpferd des Labels wurde, war nicht voraus zu sehen. Es begann alles sehr spät, und neuer Soul, auch R‘n‘B, erlebte zwar eine Retrophase, aber so richtig wild wagte sich niemand an die Geschichte.  Lee Fields, Sharon Jones und Charles Bradley kippten alles, kickten es beiseite und fuhren wieder die alten Shows auf. Gemeinsam, getrennt, was immer möglich war. 

Charles Bradley, der schon wegen seiner allumfassenden Armhaltung, „The Eagle“ genannt wurde, veranstaltete Zeitreisen, Rückholungen und eine Besinnung auf das, was man brauchte: Erdige Musiker, alte Orgeln, einen breiten Soundteppich und ein Publikum, das ihn frenetisch feierte. So war das damals im Tollhaus. Am Schluss wollte er alle umarmen, und, weiß Gott, es gibt nicht allzuviele Auftritte, die einem so in Erinnerung bleiben.

Dan & Dota – Tollhaus Karlsruhe, 30.11.2024

Dan & Dota – Tollhaus Karlsruhe, 30.11.2024

Als die Göttin die Musik erfand, dachte sie wahrscheinlich an Brasilien. Brasilien, dieses Land, in dem Welten aufeinander stießen und verschmolzen. 

Was dabei herauskamen, als Kulturen, Stile und Genre sich immer wieder vermischten, eroberte irgendwann in den frühen Siebzigern den Rest der bekannten Welt. Und auch wenn es keiner glaubt, so hat vieles, was die großen Entertainer dieser Zeit sangen, seinen Ursprung in Brasilien und genauer gesagt im Bossa Nova. 

Später, als ein brasilianischer Tanz namens Lambada die Welt eroberte, gab es einen berühmten Spruch (ich glaube von Claus Schreiner, aber ich möchte es nicht beschwören) der sinngemäß hieß, dass, wenn es jedes Jahr einen Modetanz wie Lambada aus Brasilien gäbe, die Welt die nächsten hundert Jahre etwas zu tun hätte. 

Gemeint war, dass der Schatz der brasilianischen Musik noch lange nicht gehoben und in Europa nur bruchstückhaft bekannt ist. 

Seit vielen Jahren ist Dota eine Art Botschafterin der brasilianischen Musik. Ihre Musik wurde schon in den 2000er Jahren mit Erstaunen dem Bossa Nova zugeordnet, obwohl sie für die beiden wichtigsten Bestandteile, Text und Musik, selbst verantwortlich war. Und vor allem: Sie sang zumeist deutsch. 

Die aktuelle Tournee basiert auf der Zusammenarbeit mit dem brasilianischen Musiker Danilo Guilherme, die scheinbar bis in das Jahr 2003 zurück reicht, als die beiden MusikerInnen sich kennenlernten und so gut verstanden, dass es im Grunde zu einem Album hätte führen sollen. Und in diesem Sinne ist das Album und die Tournee eine verspätete Premiere, die alle Eigenschaften, dieser brasilianisch-deutschen Verbindung in sich vereinen möchte. 

So wurde eine andere große Dame der brasilianischen Musik, die sich in Deutschland angesiedelt hat, Zelia Fonseca gebeten, Vorgruppe in Solofunktion zu spielen, aber auch unterstützend bei den schönsten Stellen der Show mitzuwirken. 

Brasil-Portugiesisch ist keine sehr populäre Sprache in Deutschland, um so bemerkenswerter ist es, dass der Funke dieser angenehmen Sprache und der Spielfreude auf der Bühne innerhalb von Minuten bei der Eröffnung übersprang. Man muss Zelias Spiel Respekt zollen, dass sie es virtuos schaffte, schon im zweiten Beitrag die Anwesenden zum Mitsingen der Zeilen zu bewegen. Und sie taten es mit wachsender Begeisterung für die Songs, die Zelia auf ihrer akustischen Gitarre selbst begleitete. Nur mit dieser auf der Bühne, reduziert auf 3 Lieder, war zu spüren, dass sie niemand gehen lassen wollte. Das Versprechen und die Tatsache, dass sie wiederkam, gehörte zu den versöhnlichsten Augenblicken.

Diese Tournee, die das Album „De Repente Fortaleza“ präsentiert, ist auf lediglich 6 Shows ausgelegt, und man merkte den Musikern in jeder Minute an, dass es für weitere 50 an Begeisterung gereicht hätte. Das Zusammenspiel, mit deutschen Übersetzungen, Textschnipsel, dem wunderbaren Gesang der Drummerin und überhaupt Danilos sanfter, erzählender und manchmal fast rappender Vortragsweise, beinhaltet die Wärme und Herzlichkeit, von der man gar nicht wußte, wie sehr man sie vermisst hatte. 

Allen ist anzumerken, dass sie, trotz einem verwirrenden Sprachkonglomerat, das sich durch die Ansagen, wie wohl auch durch die Proben zieht, gerne und herzlichst in ihren Songs daheim sind. So wechseln die Kompositionen zwischen den Beteiligten ab, und ergänzen sich dennoch in Ausdruck und Spielweise. 

Es gibt sicherlich viele MusikerInnen, die den Bossa Nova nach Deutschland transportieren, ihn vorstellen, für sich interpretieren, und ganz erstaunliches darin leisten, doch in seiner Natürlichkeit, die eine Unterscheidung zwischen dem Ursprung und der Leistung ihn in einer anderen Sprache zu manifestieren und zu erweitern, nicht mehr zulässt, hat Dota eine Klasse erreicht, die mittlerweile ihre eigene ist. Ihr Engagement für die brasilianische Musik ist herausragend, und ihr dabei zu zuschauen und Zeuge davon zu werden, ein Fest, bei dem man jede vergangene Minute bedauert, weil man ja durchaus noch drei weitere Stunden gerne teilhaben möchte. Was für ein gut gelaunte, eingespielte Band, die immer wieder zurück auf die Bühne geholt wurde. Man wollte sie ungern gehen lassen und wird sie mit Sicherheit mit der gleichen Begeisterung wieder begrüßen, wenn sie das nächste mal in Karlsruhe sind.