In regelmäßigen Abstanden versuchen wir dem Karlsruher Archiv neue Inhalte hinzu zu fügen. Im Augenblick sind viele Tickets von den folgenden Veranstaltungsorten hinzugefügt worden: Tollhaus,Substage (Subway),Jubez , dem Jugendheim Anne Frank, dem Krokodilkeller, sowie der Gartenhalle. Trotzdem gibt es natürlich noch viele Lücken.
Aber es gibt auch Veranstaltungsorte, die immer noch sehr schlecht dokumentiert sind. Ein Beispiel ist das Capitol in der Kaiserallee 25, das – nach unserem derzeitigen Wissen – auch die Bühne für MC5 oder den Scorpions war. Leider liegen uns momentan keine Tickets, Plakate, Flyer oder ähnliches vor. Wenn es Fotos, Zeitzeugenberichte von diesem und ähnlichen Locations gibt, dann sind wir auf jeden Fall stark daran interessiert. Wir sammeln alles, und dokumentieren es auf den Seiten.
Wer Material hat, das er uns zur Verfügung stellen möchte, kann dieses gerne im Laden von Dixigas-Records abgeben. Wir sind aber auch daran interessiert, Interviews und Podcasts mit Zeitzeugen zu führen, die an den Konzerten teilgenommen haben. Als Publikum und/oder Musiker. Kurz: Wir sind neugierig und lassen uns gerne überraschen, was auf uns zukommt. Wer Interesse hat, mit zu helfen, oder mit seinen Kenntnissen zu unterstützen, darf sich gerne bei mir melden über andreas@jazznryhthm.com. Gerne auch über Facebook oder Instagram.
To Athena (Support Gina Été) im Tollhaus, Karlsruhe am 12.09.2025
Was sofort bei To Athena auffällt, ist die Größe der Band und das klare Konzept. Als die komplette Gruppe die Bühne des kleinen Saals im Tollhauses betrat, wäre nicht mehr viel Platz für weitere MusikerInnen gewesen. Mit neun Bandmitglieder, alle gekleidet in schwarz-weiß, brachte sie schon ein reichhaltiges und interessantes Instrumentarium mit sich. Bratsche, Geige, Harfe, Cello Bass, Gitarre, Schlagzeug und Keyboard. Und natürlich ihr Gesang. Da blieb Raum und Platz für vieles.
Gina Été im Tollhaus, Karlsruhe am 12.09.2025
Eingeleite und supported von Gina Été, einer jungen Künstlerin, die ebenso wie To Athena aus der Schweiz kommt, bewegte sich der Abend in einem Bereich, den man gerne experimentellen Pop nennen möchte. Gina Été bestritt als Solistin mit Geige und Keyboard die erste halbe Stunde des Abends. Zumeist ruhige, lyrische Songs, deren Stimmung und Interpretation von einer hohen Wandlungsfähigkeit in Dramatik und Spannung zeugten. Dabei wurde die Geige zum einleitenden Instrument, das im weiteren die Melodie gezupft unterstützte. Töne für Schweizer Bergseen, weite Landschaften, tiefe Einblicke und schlafende Fabelwesen. Auch wenn es irgendwann um den Abschied aus Köln ging.
In der Tendenz ruhig, im Aufbau immer der Spannung verpflichtet, leitete Gina Été charmant zu To Anthena über. Die sie dann, als Mitglied des kleinen Orchesters, mit ihrer Geige unterstützte. To Anthena ist ein auf den Punkt gebrachtes Projekt, dessen Ausgeklügeltheit Staunen macht. Die Professionalität des Auftritts paarte sich mit einer scheinbaren Leichtigkeit, dem das Publikum innerhalb der ersten Songs verfiel.
Trotz des breit angelegten Backgrounds, des musikalischen Fundaments und der Leistung aller Musikerinnen, blieb dem Spiel mit Steigerung und Effekten, immer eine Eingängigkeit und Kunstfertigkeit gleichermaßen erhalten. In der Mischung aus schwyzerdütschem und englischem Material machte To Athena ihre Authentizität und Begeisterung zu einem wichtigen Bestandteil des Konzertes. Sprach ich von experimentellen Pop, ja, dann war das der Fluch ein Genre benennen zu wollen. Denn To Athena ist irgendwo in dem Bereich, in dem die großen Gesten des Chansons, die Dramatik des Pops und die Finesse der Kammermusik greifen kann.
To Athena im Tollhaus, Karlsruhe am 12.09.2025
Den Luxus und das Gefühl MusikerInnen mit klassischen Instrumenten um sich zu scharen, um den Songs eine beeindruckende Ausdruckskraft zu verleihen, muss man loben. Waren es doch genau diese Sequenzen, die neben der gelungenen Lichtchoreographie, mit zu den nachhaltigsten gehörten.
In der Bewegung eine Diva, ausschweifend, groß angelegt und akzentuiert. Und im Gesang herausragend und mit einem weiten Spektrum in der Stimme beschenkt, das ihr vieles erlaubt. So war ihre Interpretationen der eigenen Songs raumgreifend, oder besser saalfüllend. In Tonart und Wirkung ausgesprochen überzeugend.
Forderte sie ihr Publikum zum Chor auf, riss sie es mit einer Nonchalance hin, die zum Abschluss zu stehendem Applaus und zwei Zugaben führte. Sang sie, wurde sie stille, so schwieg man, um danach in Jubel auszubrechen. Ein Experiment, ganz ohne Begleitung, ohne Verstärkung zu singen, krönte den Abend und zeigte, das alles stimmte, aber es auch ganz leise geht. Und trotzdem funktioniert.
Das 10te Atoll Festival im Tollhaus vom 18-28. September 2025: Ein Fest mit 9 Nationen
Bernd Belschner und Stefan Schönfeld auf der Pressekonferenz zu Atoll-Festival im Tollhaus am 09.09.2025
Unter dem Motto „Cirque Ahead“ präsentiert das Tollhaus sein 10. Atoll Festival. Was einst, 2016, an einem einzigen Wochenende über die Bühnen ging, ist nun eine wichtigsten Veranstaltungsreihen des Tollhauses. Jährlich wiederholt zeigt es das variantenreiche Spektrum des zeitgenössischen Zirkus weltweit.
Die Gäste sind illustren, die Themen fast unbegrenzt und als Publikum ist sowohl jung, wie auch alt anvisiert. Die Geschichte des Tollhauses offenbart schon immer eine Nähe zum Zirkus. Was bereits 1990 mit einer französischen Truppe begann, bietet auch dieses Mal innerhalb des diesjährigen Atoll-Festival einen krönenden Abschluss. In „En attend le grand soir“ von Cie Le Doux Supplice werden die Grenzen zwischen der reinen Aufführung und einem Ball verschwimmen, so dass auch das Publikum aufgefordert sein wird, an einem rauschenden Fest teil zu nehmen.
Hier offenbart sich, dass das Thema soviel mehr einschließt, auch Streetart,Akrobatik und Artverwandtes. Das Spektrum ist weit und offen. In rund 50 Vorstellungen präsentiert das Tollhaus innerhalb von 10 Tagen, vor allem unter der Mitwirkung und Kuration von Bernd Belschner und Regisseur Stefan Schönfeld eine Vielfalt, die auch innerhalb Deutschlands relativ einmalig ist. Dabei sind Premieren, Außergewöhnliches und eben jene Anteile, die den Rahmen des Zirkus sprengen mögen.
Zirkus haftet von jeher etwas Poetisches, Traumhaftes an. Nicht immer ist alles erklärbar, manches bleibt ein Rätsel, vieles soll es aber auch für immer bleiben.
Neun Nationen sind zu Gast, darunter auch die Schweiz, Frankreich und Finland. Um nur einige zu nennen. Die Schweiz hat sich in den letzten Jahren bei der Förderung des Zirkus besonders hervorgetan. Es zeigt sich, dass öffentliche Förderung, wenn sie etabliert und verlässlich erfolgt, die kreative Szene erfrischend belebt. Dieses Jahr vertreten unter anderem folgende Gruppen den südlichen Nachbarn: Circus Fahraway mit dem Stück „Elefant“ und die Compagnie Most mit „Lab Rats“.
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang vor allem auch Cie Enz, die mit „Bistro“ den ersten offiziellen Kindertag des Atoll-Festivals bereichern. Der Kindertag ist eine neue Veranstaltung, die sich innerhalb des Festivals an das jüngste Publikum richtet. Am 21. September, also in der Mitte des Festivals, sind Kinder die geladenen Gäste, haben freien Eintritt und dürfen ein, auf sie zugeschnittes Programm, erleben. Mitmachaktionen zum Basteln, Spielen, Gestalten, aber auch für Akrobatik, stellen das Rahmenprogramm dar.
Ein besonderes Highlight für Allerkleinsten stellt das Stück „Be Kind“, das das Emilie Weisse Circustheater aufführt. Speziell für einen Publikumskreis aus der Altersgruppe zwischen 6 und 18 Monaten, benötigt es für die Teilnahme allerdings – wegen dem begrenzten Platz – eine Voranmeldung.
Hervorzuheben ist auch die Aufführung „Essence“ von der Gruppe Urbanatix. Aus dem Ruhrgebiet stammend, bieten sie eine wagemutig Ausweitung hin zur Streetart. Eine Verbindung aus Parcour, Hip Hop und Theaterelementen in einer dysotopischen Welt.
Das Atoll ist eine Wiederbegegnung mit beliebten KünstlerInnen der vergangenen Jahren. Es zeichnet das Festival aus, dass es zu einem markanten Punkt in der künstlerischen Landschaft wurde. Damit auch immer wieder der Anziehungspunkt für die verschiedensten Gruppierungen aus der internationalen Akrobatenszene.
Um die Finanzierung des Festivals aufrecht zu halten, ist das Tollhaus mehr als je zuvor auf das eigene Einfallsreichtum, aber auch auf Finanzierungsformen durch SponsorInnen und SpenderInnen angewiesen. So gibt es dieses Jahr, neben dem beliebten Atoll-Bier, drei verschiedene Limonaden exklusiv zum Festival mit einem entsprechenden Label.
Das Atoll-Festival finanziert sich damit zu einem Drittel über die Eintrittsgelder, zu einem weiteren über die Zuschüsse, die leider tendenziell eher weniger als stabil werden, und ein weiteres Drittel sind die Anteile, die durch private Geldgeber dazu gewonnen werden. Wie bei allen Kulturveranstaltungen in diesen Tagen wird auch hier vermehrt auf die Mithilfe durch private Zuwendungen gebaut. So gibt es für die Spenderinnen, unabhängig von der Höhe es Betrages, ein SpenderInnen-Bändchen, das einem Festivalbändchen gleicht.
Nicht alle Schwerpunkte konnten hier aufgeführt werden, daher noch ein paar Tipps für den Notizzettel:
Es gibt Veranstaltungen für den schmalen Geldbeutel, die sich trotzdem lohnen. 10 Euro für
Post uit Hessdalen „Ballroom“ , immer im Abschluss des Tages, sowie Kunststück, ein artistischer Rundgang. Am 27. und 28. September.
Bei Theresa Kuhn „Oblik“ und ZirkusOn Work in Progress ist der Eintritt frei. Achtung: Bei ZirkusOn ist eine Reservierung notwendig!
Kinder zahlen, wie bei Schülerinnen und Studierende bis 27 Jahren nur den halben Preis. Das gilt allerdings nicht für 10 Euro-Tickets.
Mehr erfahrt Ihr direkt beim Tollhaus im alten Schlachthof
Die Meute und ich. Das ist eine lange, intensive Fan-Geschichte. So lange, dass es mir fast schwer fällt, einen aktuellen Auftritt von Ihnen zu besprechen. Es war auf dem Maifeld-Derby in Mannheim vor wahrscheinlich 9 Jahren, als die Meute ihren ersten Auftritt in der Region hatten. Beheimatet in Hamburg waren sie im Rhein-Neckar-Raum bisher noch nicht bekannt. So legte man ihren Auftritt relativ weit nach hinten. Irgendwann kurz vor oder nach Mitternacht traten sie im Hauptzelt vor einem überschaubaren Publikum auf. Wenn es nicht sogar ihr erster Festival-Auftritt war, so dürfte es dennoch einer der ersten gewesen sein. Und weil der Auftritt so gut ankam, folgte in der alten Feuerwache in Mannheim, im Rahmen einer Party ein zweiter. Und kurz darauf in Heidelberg, in der Halle 02 der erste Gig, der unter ihrem eigenen Namen und mit Eintrittsgeld nur für sie funktioniert. Ich glaube, sie waren damals selbst überrascht, wie schnell das alles ging, wie sehr das Publikum darauf einging und das es seitdem eigentlich ein durchlaufendes Fest ist.
Ich habe keine Ahnung, wie sie das machen. Die Meute hat sich mittlerweile als fleißige, unermüdlich arbeitende Liveband herausgestellt. Bei ihren ersten Konzerten waren sie noch tagsüber auf den Straßen der gastgebenden Stadt unterwegs. Heute ist das, auch wegen der wachsenden Popularität kaum noch vorstellbar.
Sie sind weltweit unterwegs, haben auf fast jedem Festival gespielt, machen ihre Touren so schnörkellos und ausschweifend, dass man sich als Unbeteiligter fast Sorgen macht. Und die Story scheint noch lange nicht beendet. Sie waren in der Maimarkt-Halle Mannheim das letzte Konzert, dass ich vor der Corona-Pause gesehen habe und das erste Konzert nach dieser quälend langen Zeit auf dem Messegelände in Karlsruhe. Noch mit Abstand, und einzelnen Raumaufteilungen, in denen man sich auf wenigen Quadratmeter isoliert amüsieren konnte. Die Band und Bühne waren entsprechend weit weg.
Das Tollhaus war ausverkauft. Und mit allen Generationen gefüllt. Hatte man sie früher beschrieben, als eine Brassband, die Techno spielte, dann kam entweder sofort eine ablehnende Reaktion bei Brass. Oder aber bei Techno. Bläser und elektronische Tanzmusik war bis dahin unvorstellbar. Wenn es überhaupt ein Bild gab, dann war das kein positives. Im Gegenteil. Marching Brass Bands erinnerten bestenfalls an Dixieland, New Orleans, Friedhof, Volksfest, aber ganz und gar nicht an Techno. Und Techno? Stand außerhalb der Szene für vieles, nur nicht für innovativ, erfrischend, handwerklich herausfordernd oder tanzbar für alle Generationen.
Vorbei, die Meute bewies wieder mal, dass es mit einer ausgeklügelten Choreographie, einem einheitlichen Design und herausragenden Solos möglich ist alle, aber wirklich alle zu überzeugen. Der Tag war einer dieser heißen Sommertage, wie sie mittlerweile über Karlsruhe hereinbrechen. Aber nicht nur deswegen war es schweißtreibend. Die Meute fordert von ihrem Publikum alles. Die Besetzung ist nicht immer gleich, manche Elemente ändern sich, aber die komplette Show will nach wie vor den kompletten körperlichen Einsatz aller Beteiligten. Es geht in die Knie, es geht in die Hocke, und ebenso wie die Tanzenden schwitzten auch die Musizierenden. Es war heiß, nass, schwül und wild. Sie wagten sich in die Menge, tanzten, spielten, ohne Unterlass ein Stück nach dem anderen. Fast schon Klassiker, denn es wir sehr viel auf gewohntes und bewährtes gesetzt.
Die Frage bleibt, wann sie Pause machen, Platten aufnehmen, zur Ruhe kommen, ausspannen. Denn so treibend wie der komplette Abend, bleibt der Tourplan. Und so setzten sie auf bewährte Banger, hielten alle bei der Stange, risseben die Menschen mit und lieferten genau das ab, was man von ihnen erwartete. Und natürlich werde ich mir das auch im zehnten Jahr wieder anschauen. Komme was wolle.