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Tag: Review

Oh Hiroshima /Support: Codeia im Jubez, Karlsruhe am 11.12.2024

Oh Hiroshima /Support: Codeia im Jubez, Karlsruhe am 11.12.2024

Sprachlos, wortlos, aber mit aller Wucht zogen Codeia ihr Ding durch. Keine Ansage konnte die brachiale Gewalt stören mit der sie sich durch ein Soundgewitter brachen. Das also war der Support – was sollte das danach kommen, wenn hier ein solch solides Fundament gelegt wurde? Und jegliche Stille im Raum geopfert wurde? Der Klang war vielgestaltig und so dicht, dass man ihn schneiden konnte. Wäre die Bühne nicht so sichtbar leer gewesen, man hätte eine Sinfonie aus schreienden Gitarren vermutet. So jedoch hat man in all dem Nebel nur drei Musiker gesehen. Diese erzeugten rein instrumental einen Sturm. Steuerten diesen und ließen dabei den großen Saal im Jubez einfach mal so erbeben.

Eben absolut fett, konsequent und schnörkellos. Selbst in den scheinbaren ruhigen Phasen kämpfte das Schlagzeug hemmungslos und ungerührt dagegen an. Es brauchte Kraft um gegen die vielschichtigen Gitarrenkaskaden anzukommen.

Eine Art Wald aus großen und größeren Tönen wurde mit einer gewaltigen Axt zerlegt und einfach hinweg gefegt. Um ihn danach zu einem hölzernen, krachendem Monument neu zusammen zusetzen. Und dabei wird einfach nicht geredet. Never. Kein Wort. Nahtlos durchgezogen. Dafür schon gebührt Respekt.

Die Schweden, „Oh Hiroshima“ überraschten als Klangdrechsler, die Welten erschufen. Welten, die ihren Ursprung im Unwetter haben mussten. Es war vieles zu hören und manches zu sehen. Und was manchmal wie Country oder Folk in leichter Verkleidung daherkam, war dann doch innerhalb von Minuten zerfasert, zerkleinert, zermahlen und zu einer wunderlichen Gitarrensinfonie verformt. Was man sah, waren drei Gitarristen die scheinbar gegeneinander spielten, so individuell gestaltete sich deren Technik, Gestik und Standing. Auf der einen Seite Rückkopplung, auf der anderen eine spartanisch Anwendung des Keyboards, in der Mitte jener Hüne, der mit dem Rücken zum Publikum sein Spiel erstmal dem Drummer widmete. Letzterer wirbelte durch die Zitate und Anspielungen, machten alle Verfremdungen mit und trieb die Band immer weiter, immer tiefer, immer höher, vor allem aber an.

Bei aller Individualität, aller verschleppt-romantischen Instrumentierung, und dem zurückhaltenden Gesang, der eher unterstreichend als hervorgehoben wirkte, war es doch faszinierend, wie genau diese Spiel mit Rollen und Persönlichkeiten immer wieder in der Gemeinsamkeit mündete. Jeder Song war groß, und ein Roman an Einleitung, Höhepunkt und Schluss. Egal wie poppig und naiv der Eingang angelegt war, am Schluss war man in der Höhle des Vielklangs, eines Klangkörpers, der alles , was jemals Melodie war, in seine gewaltigen, möglichen Einzelteile zerbarst.

Wie der verliebte Orgelspieler, der sich immer weiter vorantreibt, um den vollsten Klang, die absurdesten Konstruktionen einstürzen und entstehen zu lassen, jagten „Oh Hiroshima“ die Melodie in alle Himmelsrichtungen, um ihre Herkunft und Möglichkeiten zu erfahren. Wildes, lautes Zeug, das eine Reise darstellt und Haarsträubendes offenbarte. Das ist schon etwas auf das man sich einlassen kann und sich eine Rückkehr wünscht. Auf jeden Fall.

Kolumne: Warum eigentlich …. Rezensionen?

Kolumne: Warum eigentlich …. Rezensionen?

Zu den eigentlichen Themen – Vinyl und Konzerte – gesellen sich auch immer mal wieder Fragen, die in Interviews ebenfalls erörtert werden, aber auch vielleicht manchmal der Anlass für eine kleine Meinungs-Kolumne sind. Zum Teil um eine FAQ einzurichten, die das erklärt, was Jazznrhythm als Webzine/Blog darstellen will, aber auch um den Diskurs anzuregen. Es hat Gründe, warum ich dieses mache, aber ich bin stark daran interessiert, zu erfahren, was andere zu bestimmten Themen zu sagen haben. Nutzt die Kommentarfunktion. Sie ist sehr wichtig, um auch in Zukunft den richtigen Umfang und Ton zu finden.

Rezensionen bzw. Besprechungen von Schallplatten und Konzerten werden immer ein wichtiger Anteil des Inhaltes von Jazznrhythm sein. Der Name Jazznrhythm soll dabei nicht eingrenzend sondern öffnend wirken. Ausgesprochen, mit einem verschluckten „and“ steht „Jazz and Rhythm“ für alle Bereiche der Musik. Es geht dabei um Jazz, aber auch um Rhythmus. Und das kann komplett alles sein, angefangen bei Klassik, über Folk bis Electronic. Dazwischen auch mal Metal mit allen Spielarten. 

Besprochen werden eher unbekannte Schallplatten, und kleinere Konzerte. Große Konzerte werden in der Regel von vielen verbreitungsstarken Medien vorgestellt. Jazznrhythm geht es aber darum, unbekanntere Richtungen, Bands und MusikerInnen zu featuren und ihnen eine Möglichkeit zu bieten im Netz präsenter zu sein. 

Ähnlich verhält es sich mit den Schallplatten. In die Besprechung dürfen gerne alte Schallplatten – auch aus dem Second Hand-Bereich – erwähnt werden. Daher wird es, solange ich das alleine machen (GastautorInnen sind gerne willkommen) ein wilder Mix aus dem sein, was mir auffällt und gefällt. Früher hatten Rezensionen in den Print-Magazinen einen bestimmten Umfang, konkrete Anforderungen, und eine Funktion, die wichtig war, in einer Welt, in der man sich Schallplatten entweder im Geschäft anhören konnte oder im linearen Radio entdeckte. Heute hat sich das etwas gewandelt. Wer heute über KünstlerInnen etwas erfahren will, findet im Internet mehr als ich je vermitteln könnte. Wer einen Song selbst beurteilen will – oder auch ein ganzes Album – kann das über die üblichen Streaming-Dienste oder manchmal direkt über die Webseite der Band machen. 

Das eröffnet neue Möglichkeiten, und damit ist alles sofort und überall erreichbar. Zu was werden hier Besprechungen noch benötigt? Meistens sind sie Stichwortgeber, vermitteln Zusammenhänge, oder geben einen Tipp. 

Aber daran schließt sich die zweite Frage: Wieviel Informationsgehalt benötigen Rezensionen der Alben noch? Brauche Sie eine Biografie der Künstlerinnen? 

Ich gehe aktuell davon aus, dass dieses alles nur noch rudimentär benötigt wird, und das Rezensionen sehr viel intensivere Anteile haben können, wenn sie zu der Meinung der schreibenden Person, auch noch Informationen transportieren, die über die reine Biografie hinausgeht und vielleicht die Stellung der Veröffentlichung im Genre anspricht.  Oder ähnliches. Dieses war nur ein Beispiel. 

Um die Frage, „ warum eigentlich …. Rezensionen“  zu beantworten möchte ich noch eine Handvoll Gründe anführen: 

  • Die Rezension gibt den Kreativen die Möglichkeit eine Rückantwort auf ihre Werke zu bekommen, und damit eine kleine Orientierung, wie diese aufgefasst werden.

  • Die Rezension kann als Grundlage für ein Mapping der Musik darstellen, in dem sie einordnet, in welcher Beziehung das Album zu dem Genre, der Richtung oder dem Veröffentlichungszeitraum anderer Schallplatten steht.

  • Die Rezension kann die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Album lenken, dass vielleicht seit Jahren oder genau jetzt, wie Blei in den Regalen und in den Tiefen des unendeckten Spotify-Sammelsurium schlummert. Die Rezension ist eine algorithmusfreie Kuration auf einer menschlichen Basis. 
  • Die Rezension kann damit das Spektrum der Hörenden erweitern, Namen etablieren und in schriftlicher Form eine langanhaltende Wirkung über den Weg der Suchmaschinen und trainierten KIs entfalten.

Diese kleine Liste kann beliebig weitergeführt werden, aber erstmal als Basis für eine Diskussion, aber auch für ein Meinungsbild dienen, dass ich gerne anregen will. Wer eine Meinung zur Rezension hat, Wünsche äußern möchte, kann das gerne in die Kommentaren äußern. Ich werde dieses gerne beantworten, diesen Ansatz weiter besprechen oder Punkte aufnehmen, die Sinn machen.

Vielen Dank an die, die bis hierher mitgelesen haben. Freue mich darauf, von Euch zu hören.