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Schlagwort: Jazz

Das „Karlsruher Archiv“ – ein paar Worte zum Projekt

Das „Karlsruher Archiv“ – ein paar Worte zum Projekt

Das „Karlsruher Archiv“ - Bands und Musikerinnen in Karlsruhe und Umgebung.
Das „Karlsruher Archiv“ – Bands und Musikerinnen in Karlsruhe und Umgebung.

Vorneweg: Das „Karlsruher Archiv“ ist aktuell nur ein Arbeitstitel. Ob er beibehalten wird, oder aber langfristig die richtige Bezeichnung für das Projekt ist – das ist im Augenblick noch nicht festgeschrieben. 

Die Idee ist einfach. Karlsruhe hat – wie jede andere Stadt – eine reichhaltige Musikgeschichte. Das geht quer durch alle Genres, Vereine, Singkreise und Zeiten. Einiges ist durchaus dokumentiert. Es gibt ein paar Bücher, aber auch manche Webseiten haben in der Vergangenheit Gutes geleistet und sind zu loben. Ich werde in den folgenden Tagen noch darauf zurückkommen.

Unter https://jazznrhythm.com/bands-musikerinnen wird es erstmal nur ein wachsendes Listing mit Bandnamen und MusikerInnen geben. Wenn weitere Informationen auftauchen, dann werden sie auf einer eigenen Seite zur jeweiligen Band hinzugefügt. Einzige Voraussetzung, die es derzeit gibt: Es muss irgendeinen regionalen Bezug zu Karlsruhe oder der näheren Umgebung geben.

Dieser Bezug kann – von Fall zu Fall – weiter gespannt als vorgesehen sein. Manche MusikerInnen haben mehrmals den Wohnsitz gewechselt und sind, obwohl sie lange Zeit in Karlsruhe beheimatet waren, mittlerweile ganz woanders verortet. In bestimmten Fällen ist es eher das Plattenlabel, dass seinen Wirkungskreis in der Region hat.

Die Entscheidung, wie der Bezug zu Karlsruhe aussieht, fällt manchmal nicht leicht, und ist immer auf den Einzelfall gemünzt. Das kann diskutiert werden, aber soll auch in der Beschreibung der Band-Seite hervorgehoben werden.

Zu den wenigsten Namen liegen relevante Informationen vor. Die meisten Bands haben nur kurzzeitig in der hiesigen Szene gewirkt und sind entweder in neue aufgegangen oder das Hobby Musik ist anderen Interessen gewichen. Es besteht die Hoffnung, dass wir etwas von dem Enthusiasmus erhalten können. So interessiert uns weiterhin jede Band, auch wenn sie nicht mehr existiert. In vielen Fällen sind die Übergänge zu weiteren musikalischen Projekten fließend. Aus Band A ging Band B hervor, die Musiker waren vorher in einem Schulprojekt, einem Orchester oder einem Singkreis. Nichts fällt vom Himmel, nichts entsteht aus sich selbst.

Es gab eine gewisse Skepsis, ob wirklich jedes Genre Einzug in das „Karlsruher Archiv“ erhalten soll. Auch welche, die sich z.b. nicht durch eigenständige Werke, sondern eher durch die Interpretation fremder Stücke, auszeichnen. Die Entscheidung fiel gegen eine geschmackliche Eingrenzung. So manche musikalische Biographie zeigt große Wechsel zwischen den Genres auf. Heute in der Tanz-Combo, morgen in der Rockband und dazwischen eventuell Volksmusik – das ist nicht so ungewöhnlich, wie es sich vielleicht anhört. 

Zugegeben, das Archiv ist eine sehr aufwändige, langfristige und langwierige Aktion. Es bedarf Hilfe und Information. Viele Namen tauchen nur noch in Notizen auf. Es fehlen die Besetzungslisten, die Diskografien und beteiligten Personen. Es fehlen vor allem Anekdoten, historische Einordnungen und Bezüge. Wer etwas weiß, darf sich gerne an andreas@jazznrhythm.com oder an die Jungs von Dixigas-Records wenden. (https://dixigas-records.de/) . Tex Dixigas sammelt seit vielen Jahren alles was es an Tonträger aus der Region gibt, und ist sehr an weiterem Material interessiert. jazznrhythm.com hat dabei das Vergnügen, sein bestehendes Archiv zu sichten und chronistisch aufzuarbeiten. Helft mit, wenn euch der eine oder andere Name bekannt vorkommt.

IRMA – Neue Veröffentlichungen 05.2025 (Teil 1)

IRMA – Neue Veröffentlichungen 05.2025 (Teil 1)

IRMA Veröffentlichungen

Ein paar Labels haben es geschafft meine Aufmerksamkeit mehr auf ihre Veröffentlichungen zu richten, als tatsächlich auf ihre KünstlerInnen. Das ist nicht ganz fair. Was wären die Labels schließlich ohne ihre KünstlerInnen? Doch Labels, wenn sie gut und enthusiastisch geführt sind, können eine kuratierende Aufgabe haben. Große Jazzlabels waren immer schon Qualitätsmerkmale. Bei manchen kann man ungehört die neuen Veröffentlichungen erwerben, und macht selten einen Fehler.

IRMA ist ein italienisches House, Soul und Acid Jazz Label. Alle drei Genres bedienen sie mit allen relevanten Subgenres, den Einflüssen brasilianischer Musik und den Experimenten diverser DJs im Umfeld.

Das führte dazu, dass viele Künstler, die einst in den Popjazz-Wellen, die über England schwappten, prägende waren, plötzlich nach Jahren ihre Heimat bei IRMA fanden. 

Während andernorts Wellen gerne abgelöst werden, und dann gnadenlos verschwinden, gab es in Italien vor und nach AcidJazz, NuSoul, Urban Soul und wie immer man all das nennen wollte, genau diese Richtungen, allerdings niemals mit den genannten Bezeichnungen. Der leichte, durchaus vom Jazz beeinflusste Sound, den vor allem DJs schätzten, weil es immer noch tanzbar blieb, war ein Element, dass dann wahlweise als moderne italienische Musik, oder House oder Disco oder in einer gesunden Mischung davon, auf hundert Compilations zu finden war.

Auf IRMA wurde ich genau auf diesem Weg aufmerksam. Ich stolperte geradezu über ihre Sampler. Sie brachten sie eine Zeitlang  im Stakato heraus. Großartige, ständig neu zusammengestellte Mischungen, bewährter Künstler wie Jestofunk, Gazzara, Bossa Nosta und Sarah Jane Morris. Stoff, der tauglich für den Tanzboden und Cocktailabende war. Die Veredlung großartiger Soulnummern , aber auch die Verehrung für Jazz-Klassiker.

Was dabei ein bißchen aus dem Fokus geriet, das war das IRMA ein durchaus aktives, innovatives Label mit Platten war, die es verdient hatten unter Namen den vertretenen MusikerInnen zu betrachtet zu werden. Wie üblich gab es natürlich auch hier viele Kollaberationen und Zusammenarbeiten, Remixe von KollegInnen und EPs, die irgendwie untergingen, aber später wieder auf dem nächsten Sampler auftauchten. 

Was mich im Zusammenhang mit Streaming und Online-Shops immer störte, ist, dass es fast nicht möglich ist, ein Label als ordnendes Kriterium zu nutzen. Soll heißen: Wie konnte man das unendliche Angebot eines Musikanbieters auf ein Label konzentrieren und Filtern? IRMA nutzte oft den eigenen Namen als Titel einer Compilation, aber ansonsten war es eine Suche , die nur über die beteiligten Künstlerinnen funktionierte

Deswegen werde ich in den nächsten Tagen das ein bißchen vereinfachen, und die aktuellen bzw. Kommenden Neuveröffentlichungen des Labels vorstellen. Ich werde selbstverständlich auch ein paar historische Sampler erwähnen, die heute noch in den Streamingdiensten oder auf den großen Online-Plattformen erhältlich sind. Anderseits, und das in eigenem Interesse, bin ich ständig an den Vinylausgaben interessiert.

Die weiteren Teile folgen in den nächsten Tagen.

Externer Link:

IRMA – https://www.irmagroup.com/

Das Klezmer Quartett Heidelberg im Kultur Fenster, Heidelberg, am 11.05.2025

Das Klezmer Quartett Heidelberg im Kultur Fenster, Heidelberg, am 11.05.2025

Das Klezmer Quartett Heidelberg im Kulturfenster, Heidelberg am 11.05.2025

Fast schon eine Institution. Immer im Sinne der Aufklärung. Das Klezmer Quartett Heidelberg gastierte, eine Tradition, im Kulturfenster Heidelberg.

Der erste Auftritt vor 25 Jahren fand ebenso in diesem Rahmen statt, wie die jährliche Wiederkehr. Das Kulturfenster Heidelberg ist eins der ambitionierten, kleineren Veranstaltungsorte. Ausgestattet mit einer überschaubaren Anzahl Sitzplätzen, rangiert es immer noch etwas versteckt unter den Geheimtipps, aber ist in Professionalität und familiärer Atmosphäre auf jeden Fall einer der angenehmeren Orte.

Das Klezmer Quartett Heidelberg gehört nicht nur zu den geschätzten Stammgästen, sondern ist auch verbunden mit seiner wechselvollen Geschichte, die begründet im Tod eines Bandmitglieds beinahe vor Jahren das Aus der Formation hätte bedeuten können. 

Sie machen seit einigen Jahren entschlossen weiter und schauen dabei auf ein vielseitiges Repertoire zurück. Erlaubt es ihnen doch, geübt und nonchalant mit Witz und Anekdoten, durch die Geschichten der Band und der Musik des Klezmer zu führen.

Akkordeon, Trompete, Saxophone, Klarinette, sowie Stehbass dienen dabei als Grundlage für eine virtuose Reise durch die Historie des Musikstils. Vor allem Ausgrabungen, frühe Veröffentlichungen, fast vergessenes und neu interpretierte Klassiker liegen ihnen am Herzen. Namen, die eher nicht geläufig sind, aber für die Reichhaltigkeit der ganzen Richtung stehen. Vier Musiker, alle individuell und solistisch stark genug, die Akzente der unterschiedlichen Varianten zu betonen.

Das Klezmer Quartett sind die fröhlichen Forscher und gewitzten Übersetzer der Vielseitigkeit. Sie wagten sich an die Transkription einer Dudelsackgruppe (die ausgesprochen groß und fett geklungen haben muss). Aber genauso jedoch an eine verschollene Aufnahme, die titellos auf einem Tape seinen Weg in die Setliste gefunden hatte. Das „Stückle“. Weil kurz, prägnant und unbekannt.

Gefeiert, angenommen, und gerade zu enthusiastisch begrüßt In diesem Rahmen, war es für das Klezmer Quartet Heidelberg die Heimkehr in das eigene Wohnzimmer. So fanden sich selbstverständlich Klassiker, bekannte Melodien, Jazz-Sprengsel, aber auch die schwungvollen Einflüsse des Balkans in ihrem Spiel. 

Dabei eingespielt, geübt, gewappnet mit Zitaten, blieb der Band zwischen all Spielfreude, und dem ausgedehnten Programm, Zeit und Besinnlichkeit auf den aktuellen Zustand der Demokratie, wie auch dem bedauerlichen Tod der letzten Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer hinzuweisen.

In einer Zeit, die von eine anstrengende, politische Situation geprägt ist, macht es Sinn die Geschichte des Judentums, dessen Vertreibung und Migration, immer im Kontext zu der Entwicklung ihrer Musik zu sehen ist. Und auch eben hinsichtlich der Aktualität zu betrachten.

Das Klezmer Quartett bewegt sich mit der Gradwanderung geübt auf einem geradezu schwierigen Feld.  Der Charme der jüdischen Musik war ja immer gezeichnet von der Diaspora und der Offenheit für Orchesterwerke. Manchmal auch nur dem Broterwerb dienend, hatten fremde Stücke nichtsdestotrotz ihre Wirkung auf das Schaffen der Musiker. So ist auch aus dem Spiel des Klezmer Quartetts Heidelberg, die Tanzmusik des frühen 19. Jahrhunderts, genauso wie der Sound der kräftigen Big-Bands, ausgedrückt im lauten, überschäumende Spiel aus Trompete und Akkordeon, nicht wegzudenken.

In all den Jahren, und sie sind ja nun schon einige dabei, haben die vier Musiker es geschafft ihr Publikum zu festigen, in ihrer Bühnenpräsenz und dem Zusammenspiel mit einem Augenzwinkern alle Klippen zu umschiffen und der Selbstironie für einen sympathischen Abend viel Raum zu lassen. Das Klezmer Quartett bleibt auch nach all der Zeit erfrischend, und das Einzige, was man sich vielleicht nach 14 Jahren wieder wünschen würde, wäre sie – mit all ihrem Wissen und ihrer Kunst, sie mal wieder ins Studio zu schicken, um eine weitere Veröffentlichung auf CD zu wagen. Aber sie haben ja noch Zeit. Kein Grund die Hoffnung aufzugeben.

Externe Links:

Das Klezmer Quartett Heidelberg – https://www.klezmerquartett.de/

Das Kulturfenster Heidelberg – https://www.kulturfenster.de/

Die Musik-Szene von Karlsruhe braucht ein öffentliches Archiv .. und warum wir es jetzt einfach machen. Ein Gespräch mit Tex Dixigas

Die Musik-Szene von Karlsruhe braucht ein öffentliches Archiv .. und warum wir es jetzt einfach machen. Ein Gespräch mit Tex Dixigas

Ein Beispiel der Musik-Szene aus Karlsruhe: Rädelchen und Martin Müller (mehr wird folgen)

Ein paar einleitende Worte zu diesem Interview: Karlsruhe hat ein unbestimmte Anzahl an MusikerInnen, Bands und Menschen, die sich mit Musik beschäftigen. Es gibt hier Labels, eine unglaubliche Anzahl an Veranstaltungsorten, die nicht mehr existieren, aber trotzdem in Erzählungen präsent sind, aber auch viele Locations, die heute noch die Farbigkeit der hiesigen Szene ausmachen. 

Es gab bisher verschiedene Versuche, all das, was Karlsruhe bot und bietet, abzubilden. Diese finden sich hier im Internet, aber auch bestimmt in den Archiven der Tageszeitungen oder Clubs. 

Um dem Thema ein kleinen, neuen Anstoß zu geben und Hilfestellung zu bieten, möchte ich mit der Unterstützung von Tex Dixigas (Martin Christoph), von Dixigas Records, auf diesen Seiten so weit wie möglich und in loser Folge vergangenes, zukünftiges und aktuelles aus der wilden Szene von Karlsruhe präsentieren. Das können Diskografien, Features, Bios, Anekdoten und vieles, was uns zugetragen wird, sein. Das werden Interviews sein, aber auch einfach mal Erzählungen.

Wie viel das wird, wie tief das geht – das werden wir sehen. Wer dazu beitragen kann, wird willkommen geheißen. Gerne würden wir die Geschichten von Zeitzeugen hören. 

Um ein bißchen zu zeigen, wo die Reise hingeht, aber auch was passieren kann, wenn man sich auf diese Reise begibt, soll dieses Interview zeigen, dass quasi das einführende Gespräch zwischen mir und Tex war.

Tex Dixigas bei Top oder Flop in seinem Plattenladen Dixigas Records

Jazznrhythm (Andreas Allgeyer): Weswegen wir uns jetzt getroffen haben und uns unterhalten, sind die Karlsruher Geschichten. 

Du hast mir erzählt, du interessierst dich dafür. Du hast sie archiviert, gesammelt und das über viele Jahre. Die Frage ist: Warum?

Tex Dixigas (Martin Christoph):  Ich habe ganz normal angefangen, wie jeder Musikliebhaber, dass ich Konzertplakate von der Wand genommen habe von den Bands, die ich mochte.

Ich mochte auch immer schon Karlsruher-Bands. Das war früh ganz klar. Je jünger man ist – du kennst die ganzen Leute. Beispielsweise als ich DJ in der Katakombe war. Dort hingen sie alle rum. Die hatten alle eine Band. Dann hattest du selber eine Band. 

Du bist am Wochenende auf das Konzert von der Band, die du kanntest, gegangen.

Ich habe Flyer mitgenommen und Plakate. Als ob es Lou Reed wäre. Ich habe das in eine Kiste geschmissen. Machen ja viele.

Selbst wenn es dann eine eigene Band ist, schmeißt du es in eine Kiste, kaufst die Platte von der Band und irgendwann hast du viel von Karlsruhe. 

Aber das war kein Karlsruhe-Archiv.

Ganz wichtig zum Beispiel, war die Beethovens . Es gibt hier die Moonlights und die Beethovens. Als ich jung war, waren die Moonlights zum Beispiel so eine Tanzbands 

Jazznrhythm: Die sind noch unterwegs, nicht wahr? 

Tex Dixigas: Die sind immer noch unterwegs. Wahrscheinlich null original Mitglieder, aber das waren ursprünglich die Moonlight Brothers. Von denen gibt es eine richtige Single, also auch auf CBS, das Nightwalk. Das war ein richtiges Instrumental. Die wollten jemand werden. War national veröffentlicht. 

Dann kam die Beethovens .Das hat mir jemand vorgespielt . Die Beethovens sind knallhart. Das ist richtig Garagen-Punk. Das ist kein Beat. Nur auf einer Seite. Dann suchst du. Von den Beethovens habe ich das Cover zehn Jahre lang gesucht. Die Single habe ich dreimal, aber das Cover – das habe ich zehn Jahre lang gesucht. Das heißt was!

Irgendwann denkst du, was gibt es denn noch in Karlsruhe? Du suchst tiefer. 

Ich hatte meinen Laden. Da sind immer Platten reingekommen.

Manchmal stand hinten drauf Karlsruhe, war aber Orgelmusik. Also ab in das Karlsruhe-Töpfchen

Irgendwann hast du genug. Du telefonierst du die Jungs ab und sagst, hast du noch Platten ? Jemand erzählt dir: „ Ah, da gab es einen, der hat was“.

Zum Beispiel Werner Kühn, aus dem Schlaile, der dir Platten verkauft hat. Irgendwann sagt er zu jemanden, du bist der beste Schlagzeuger Karlsruhes gewesen und dann wird es halt spannend. Je tiefer du in der Materie bist, desto spannender wird es dann.

Jazznrhythm:  Bei dir ist das Genre- und richtungsübergreifend?  Es ist nicht so, dass du auf eine bestimmte Richtung festgelegt bist?

Tex Dixigas: Ja, Karlsruhe will ich einfach alles. Ich sage immer, egal ob es der Gesangsverein Grötzingen oder die Hottscheck Hexen singen, ob es der KSC oder Black Metal ist, ich will alles.

Weil sonst ist es ja nicht lustig. Sonst ist ja kein Karlsruher Archiv.

Jazznrhythm: Genau. Zeichnet Karlsruhe irgendwas aus?

Tex Dixigas: Ja, dass die Stadt sich wenig für dich interessiert. Bis du berühmt bist und dass die meisten Bands besser dran sind, wenn sie abhauen. Das ist Karlsruhe. Alle Bands, die auf sich halten, sind auswärts berühmt geworden. 

Dann kommen sie zurück und erst dann sagt Karlsruhe: „Unsere Söhne!“

In Mannheim ist das anders.

Aber du musst hier als Karlsruher Band erst als Hamburger Band bekannt werden. Ein paar Leute haben es ja auf L’age d’Or geschafft. Aber die Jugendfestivals in Karlsruhe sind ganz gut. 

Es gibt auch ein Archiv, aber die haben es viel später angefangen als ich.

Jazznrhythm: Das wäre die nächste Frage, ob es tatsächlich schon ein Archiv gibt. Wer sich da bisher darum gekümmert hat? Du bist anscheinend jetzt in der Tiefe der Einzige. 

Tex Dixigas: Es gibt mehrere Karlsruher Sammler .Es gibt auch einige, die haben bestimmt wesentlich mehr als ich. Das Problem ist: Die machen nichts damit.

Die transportieren das nicht nach außen. Die haben das zu Hause. 

Mein Plan ist ja das man etwas damit man macht. Eine Ausstellung z.B.

In meinem alten Laden hatte ich alles voll mit alten Plakaten. 

So richtig seltene Plakate, z.B. mit spätere RAF-Terroristen. Karlsruhe ist total spannend. Wir hatten Beatbands, bei denen spätere RAF-Terroristen dabei waren. Die Stadt Mannheim hätten schon einen eigenen Raum im Museum gemacht.

Jazznrhythm: Ich weiß, dass Karlsruhe natürlich eine besondere Beziehung zur RAF hat. Die meisten Biografien landen einfach in Karlsruhe, wenn du in die Tiefe gehst.

Aber ich wusste jetzt nicht, dass es Bands gab. 

Tex Dixigas: Expression mit Knut Folkerts. Mit dem habe ich sogar schon telefoniert, aber das war schwierig.

Oder: Top spannend. Es gab eine Schülerzeitschrift aus Ettlingen, aus der Schule, auf der Christian Klar war.

Die war extrem links. Da sind MC5-Besprechungen aus den Früh-70ern drin. Ich habe jemandem getroffen, der bei der Schülerzeitschrift gearbeitet hat. 

Die Polizei hat dich, wenn du nur in der Klasse mit einem von denen warst, geschasst. Du hast dann keinen Job gekriegt. Du musstest fast in den Untergrund gehen. Es gab eine extrem politisch harte Linke.  Da redet niemand drüber. Das müsste eigentlich aufgearbeitet werden. 

Eigentlich müsst die Stadt Karlsruhe hingehen und sagen: „ Entschuldigung, dass wir euch alle verdroschen haben, liebe Karlsruher Kameraden. Ihr konntet nichts dafür, waren scheiß Zeiten“

Jazznrhythm: Die 70er waren extrem paranoid. Ich bin ja damals hier zur Schule gegangen. Ich weiß, was damals los war. Ich kenne die verschiedenen Schülerzeitungen, die extern außerhalb der Schule gedruckt wurden. 

(…)

Das heißt, du hast auch Jazz. 

Tex Dixigas: Im Jazz gibt es fantastische Sachen. Du schaust mich gerade so an, als ob du das nicht wüsstest. 

Jazznrhythm: Ich weiß das, ich war nur gespannt, was jetzt kommt. 

Tex Dixigas: Das Modern Jazz Quintett Karlsruhe mit Herbert Joos. Herbert Joos ist ja eine der Koryphäen, aber der hat Karlsruhe auf seiner Vita gestrichen. Ich habe ihn angerufen in Stuttgart, der war komplett aggressiv, der hatte null Bock auf Karlsruhe. Obwohl seine Band den Namen Karlsruhe in sich trug.

Das ist das Paradebeispiel. Der hat das Artwork für die Platten gemacht. Fantastisch, schwarz auf schwarz, silber auf weiß. Komplette außerirdischen Reisen per Jazz ausgedrückt.

Die Nada ist noch fantastisch. Es gibt ganz tolles Zeug aus dem Jazzclub Karlsruhe. Das Jazz Publikum muss der Wahnsinn gewesen sein. Aber die Jazzer sind eine eingekapselte Welt für sich. Die Walpurgis ist noch der Hammer. Eine ganz tolle Platte.

Da gibt es bestimmt auch noch extrem viel Zeug, Konzertplakate . Das haben die selber und das behalten die auch. 

Der Jazz-Club muss auch sehr, sehr geil gewesen sein, halt viel Avantgarde und abgefahrenes Zeug und so.

Jazznrhythm: Okay, aber das heißt, das ganze Zeug, das du bisher gesammelt hast, das ist noch nicht ausgestellt worden ? 

Das bräuchte tatsächlich eine Webpräsenz, die recherchierbar ist.

Jetzt können wir ein bisschen auch darüber reden, wie wir uns das vorstellen.  Bei meiner Web-Seite ist im Hintergrund eine Band-Liste. Die Liste hat die Tendenz unendlich zu werden . Das ist mir egal. Unabhängig von der Liste gönne ich natürlich jeder Gruppe, die auftaucht, eine eigene Seite.

Eine eigene Seite, in der man kurz sagt, das ist die Diskografie, und das waren die Mitglieder mit ihren Verzweigungen. 

Im Vordergrund werden weiterhin Konzerte, Platten und ähnliches besprochen. 

Wenn das passt, dann würde ich sagen, wir fangen ganz ganz harmlos an und fotografieren  erstmal Cover und Plakate. Widmen die dann den entsprechenden Bands.

Mit der Aufforderung, dass jemand, der oder die etwas was weiß, sich – um Gottes willen – melden soll. 

Tex Dixigas: Es gibt viele Sachen, da weiß ich nur Geschichten. Ich habe z.B. eine Geschichte gehört-  ich kann dir nichts dazu sagen –  dass es eine GI-Metal-Band gab, die hier stationiert war. Die haben eine LP gemacht, während sie hier war. Alles, was ich weiß ist, dass ein Schwert auf dem Cover ist.

Mehr weiß ich nicht. So, und jetzt bist du dran, wie finden wir eine Heavy-Metal-Platte mit einem Schwert ? Da findest du Tausende, aber welche ist das?

Jazznrhythm: Darum geht es mir. Dieses Ding dann irgendwie zum Leben zu erwecken und die Leute anzuziehen, die etwas damit zu tun hatten.

Da ist die große Befürchtung, die ich bei der ganzen Geschichte immer wieder habe. Meine Generation war so eine Plattensammler-Generation, die stirbt jetzt aus und mit denen verschwinden tausende von Platten.

Tex Dixigas: Genau, ist so. Und bei Plakaten ist ja viel schlimmer. Plakaten und T-Shirts. Weißt du, was Leute sagen?

Die habe ich schon weggeschmissen. 

Jazznrhythm: Ich weiß jetzt schon, die Leute, die irgendwann mal meine Sammlung erben, brauchen eine klare Anweisung, was davon überhaupt irgendwas wert oder wo sie damit hingehen sollen.

Tex Dixigas: Sonst gehen die her und bestellen einen Laster und dann ist das Zeug weg. Und bei dir ist es bestimmt wieder lustig .Aber das ganz große Problem des modernen Plattensammler ist der Wert.

Ich habe ganz viele Platten, die finde ich einfach total geil und sie sind aber wertfrei. Das Einzige, was lustig ist, wenn halt einfach niemand weiß, was daran lustig ist. Irgendein Hit und die B-Seite ist halt voll geil. Ich habe zum Beispiel so eine italienische Schlager-Single, die habe ich hier in Karlsruhe gefunden. Eine der besten Progressiv-Rock-Singles. Aber nur die B-Seite, weil die A-Seite ist italienische Schlager.

Auf der B-Seite dürfte sich seine Hausband austoben als Dankeschön, dass sie mit ihm die A-Seite aufgenommen haben. Ist die was wert? Keine Ahnung. Es geht aber darum: wenn du sie auflegst, weiß keiner, was du auflegst.

Es baut aufeinander auf.

Es ist in Karlsruhe extrem wenig rausgekommen. Es gibt fast keine geile Hippie-LP .Es gibt die Poseidon. 

Es gibt 100 Bands , jedoch gibt es nur noch zwei, drei LPs, die sind hippieartig.

Bei Punk auch. Es gibt in meinen Augen keine einzige Punk-LP aus Karlsruhe. Oder Punk-Single. Es gibt ein paar Kassetten, aber es gab Bands. Auch New Wave-Leute. 

Aus Wörth gibt es noch ein paar total geile. Aus Pforzheim gibt es Wave-Veröffentlichungen. Es war aber von 76 bis 80 auch nicht so wahnsinnig viel Punk erschienen in Karlsruhe.

Jazznrhythm: Das wäre natürlich auch so ein Punkt, wo ich sagen würde, das muss man ausgraben. Da muss irgendjemand kommen und sagen, er hat mehr Ahnung. Und auf die bin ich eigentlich scharf.

Dass da irgendjemand vorbeikommt und dann sagt, da weiß ich viel mehr als ihr. Ihr habt überhaupt keine Ahnung.

Okay, dann würde ich sagen, der Plan steht.

Wir machen das, und führen das Gespräch immer mal wieder weiter,

So, dass es einfach transparent ist, was treiben wir da. Und worum es geht. 

Ich danke dir. 

Tex Dixigas: Nichts zu danken, ich hab dir Dank. Und den Rest machen wir dann.

Externer Link: Dixigas Records – Der Plattenladen von Tex Dixigas und Marco Sommer : https://dixigas-records.de/