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Tag: KOHI

Amy Montgomery im Kohi,Karlsruhe, 20.12.2024

Amy Montgomery im Kohi,Karlsruhe, 20.12.2024

Vinyl, also Schallplatten und eine Tour sind zwei komplett verschiedene Dinge. Manchmal erweist sich das als gut. Eine Tour zwingt die Arrangements zu überdenken, die Songs bis auf die Knochen zu entkleiden. Um sie dann in einer kargen Schönheit neu zu interpretieren.

Amy Montgomery trat ohne Band auf. Zu zweit standen die MusikerInnen auf der Bühne. Ihr Begleiter übernahm damit alle Parts. Drums, Keyboard, Gitarre, Bass, Computer, und es ist sehr wahrscheinlich, das ich etwas übersehen habe.

So blieb viel Raum für Amy Montgomerys Stimme. Jene Stimme, die alle Songs trägt und die zwischen Blues und Folk, und Robert Plant und Rio Reiser pendeln kann. So rau, wie der Blues es braucht, so laut, wie der Rock es benötigt und ansonsten so kraft- und druckvoll, dass das Mikrofon zu ihr Abstand hält, aber das Publikum staunend näher kam.

Verziert mit einer Art Kriegsbemalung, die einen Strich quer unter ihren Augen darstellte, interpretierte sie ihre und fremde Werke in purer Energie. Astil, das Kunstwort und Titel ihres aktuellen Albums, wirkte dabei wie ein tobendes, indigenes Werk, das reduziert auf Stimme und Drums eine bestechende Intensität vorweist.

So zurückhaltend und charmant sie zwischen den Songs agierte, so ungestüm wurde es, sobald die Musik sie begleitete. So wurde Rio Reisers Werk „Für immer und dich“ so originär ins englische transformiert, dass es wahrhaft und authentisch erschien. Als gehöre es so, als wäre das die Bestimmung, und alles gut. Da konnte man nichts gegen sagen. Ohne Zweifel glaubt man ihr, dass sie dieses Stück liebt.

Charlie Patton im selben Set zu spielen, und es trotz dem schweren, harten Blues als logische Schlußfolgerung erscheinen zu lassen, war die Kunst einer Zusammenstellung aus Pop, Rock und Blueselementen, die sich einer Kategorisierung entzog. Amy Montgomery hielt die Balance, blieb zurückhaltend zwischen den Stücken, jagte aber über die kleine Bühne, wenn ihre Stimme die Oberhand gewann. Die Gesten war groß, der Gesang war größer, das KOHI schien hier nur Probemraum für Hallen, die sie bespielen könnte.

Die Größe, das Volumen und die Bereitschaft alles zu geben, das Publikum zu erobern mitzunehmen und es am Schluss wirklich bei sich zu haben, war eine Kunst, die gerne beobachtet wurde. Denn sie konnte das. Sie zog alle in den Bann, ergriff sie mit ihren Leistungen und nahm sie mit in ihre Welt. Amy Montgomery Stimme ist rau, hart, umschmeichelnd, laut, angenehm und immer eine wilde Mischung aus all jenen Genres, die sie zu verehren scheint, und dazu gehört – zu Recht und unbedingt – Led Zeppelin, aber auch SongwriterInnen wie Sharon van Etten. Ein Spannungsfeld, das so bezeichnend und bleibend ist, das man es fast fühlt.

Florence Besch & Neumatic Parlo im Kohi, Karlsruhe am 14.12.2024

Florence Besch & Neumatic Parlo im Kohi, Karlsruhe am 14.12.2024

KOHI. Noch nie dort gewesen. Rückblickend betrachtet scheint das keinen Sinn zu ergeben. Immerhin spielen dort großartige Acts. Namen, denen ich hinterher reisen möchte. Suzan Köcher`s Suprafon war vor kurzem dort. Und ich habe es verpasst. Zuviele Konzerte an einem Tag. Sage noch einer etwas gegen Karlsruhe. 

Die Südstadt ist für Karlsruhe das, was Orte wie Kreuzberg für Berlin sind. Im Grunde ein Stadtteil, auf den Karlsruhe stolz ist, weil ..ältestes Kino vor Ort, ein Museum mit Oldtimer, sehr engagierte Bürger, hoher Altbauanteil, Galerien mit viel Lust am Experiment und ein gelungenes Miteinander der Kulturen, sowie überhaupt Kultur zum Anfassen und Mitprägen. Gleichzeitig natürlich kein Haus ohne Graffiti, Nachtleben, wie es einfach passiert, wenn alles aufeinandertrifft, sichtbare Obdachlosigkeit und natürlich Alkohol als Billigdroge. Und mittendrin also das KOHI.

Dreimal wohnte ich in der Südstadt. Und jedes Mal nahm ich Geschichten mit, die ich heute noch gerne erzähle. Das KOHI liegt am Werderplatz. Der Werderplatz ist der zentrale Punkt, das Herz der Südstadt, hat einen Indianerbrunnen, eine Kirche, die den Obdachlosen hilft, eben jenes Nachtleben und eine Brauerei. Das KOHI sind tagsüber zugezogene, bemalte Rollladen und Nachts eine Kunstinstallation, ein Veranstaltungsort, kaum größer als mancher Proberaum, und das alles mit viel Liebe, Geschichte, Plakate, die davon zeugen und netten Leuten, die das richtige Bier und den guten Smalltalk haben. Das KOHI gleicht dem NUN fast von der Größe, ist aber irgendwie die laute, ungezogene Schwester, in die man sich sofort verliebt.

Zwei Bands versprach der Abend. Und es war von meiner Seite ein Ausweichen. Freunde und andere Bands waren krank.Tagsüber hatte ich zu wenig Zeit, Nachts zu viel..

Der merklichste Unterschied zum NUN ist: Das KOHI ist um einiges lauter, ungeschliffener und heftiger.

In der Selbstironie, und der individuellen Gestaltung, sowie der aufgerauten Art ihres Vortrags, sah man sich bei Florence Besch und ihrer Band zurückversetzt in jene Aufbruchstimmung, die in Kellerclubs ihren Ursprung fand. 

Eine junge Band, drei Frauen, zwei Gitarren, ein Sequenzer und ein Mann am Schlagzeug. Melodien, die noch verpuppt auf ihren Flug warten, und ein Zusammenspiel, das gewagt und roh sowohl die Jugend, wie auch die unverblümte Herangehensweise präsentierte. Florence Besch und ihre Band machen das, was man machen will. Jetzt. Musik. Nimm das, und vergiss nicht die Botschaft. In ihren Ansagen und ihrer Begeisterung präsentierte sich alles neu, alles frisch, und viel Hoffnung. 

Da war viel Charme, viel Sympathie, und, verflixt, natürlich auch der dritte Advent. Ungeachtet dessen wurde es laut, erzählte Geschichten, und machte diesen Spagat zwischen Rock und Pop, der gitarrenlastig immer wieder zurückkehrt zu jenen kleinen Juwelen, die sie in ihren Songs ausschütteten. Da kommt noch was. 


Neumatic Parlo, nach einer Umbaupause auf der Bühne, sprachen von einem Debütalbum. Und das erste, was einfiel, als der Sturm losbrach, war sowieso nur: Was für ein Debütalbum? Welches Debüt? Von was sprechen die da? (Nachtrag: Es gibt sie seit 2017..und ich muss wirklich was falsch verstanden haben)

Punktgenau. Alles. Drei Gitarren, die Synchronschwimmen in einer Springflut demonstrierten. Brachial wie sonst etwas. Schnell wie ein Videospiel. Aber in einem Gleichklang, der Sinfoniker neidisch macht. Das steigerte sich, das wurde turbulent, das ging an die Grenze und raste davon wie ein Höllenfeuer. Kam der Gesang, bekam er Raum. Wäre es nicht so gewesen, er hätte ihn sich sowieso genommen. In dem furiosen Spiel der Gitarren, war man geneigt, den Keyboarder zu vergessen. Der Schlagzeuger dagegen war Spielkamerad. Hetzer, Treiber, Schlagzeuger eben. Der Keyboarder war Backing für alles, was die Stimme des Sängers zu leisten vermochten. Und das war eine Menge.

Neumatic Parlo erhoben die Lässigkeit zur großen Geste. Das Stadion nahmen sie in das kleinstmögliche Clubkonzert. Und alles war weit gefasst, groß, lauter und schneller als vermutet. Und dabei von einer Ehrlichkeit und Gradlinigkeit geprägt, die erschütterte. 

Wieviele Jahre braucht es für dieses Selbstbewußtsein diese großen Songs zu schreiben? Fängt man da schon mit drei Jahren an in die Luftgitarre zu hauen, nur um später mit der Bierflasche zu spielen und dabei so zu tun, als wäre das, verdammt noch mal, nichts? 

Mal im Ernst: Habe ich da etwas gesehen, was ich so nie wieder in einem Club sehen werde? Weil, sowas, doch eigentlich sehr schnell, sehr kurz – mit einer einzigen Drehung – ganz woanders landen muss? Sollte es ungerecht zugehen, und Neumatic Parlo in einem anderen, eurem Club spielen: Nehmt das mit. Ohrenschützer können nicht schaden, aber trotzdem, nehmt das mit!

Das ist das, was jeder unter Rock versteht, das ist so zusagen multiglingual, jenseits jeder Sprachbarriere einfach nur Kopfnicker-Musik der guten Sorte.

Das KOHI kann gerne nochmal versuche mich zu einem langjährigen Mitglied zu machen. Zwei weitere dieser Konzerte und das gute Wolfbräu könnten mich richtig schwach machen.