Durchsuchen nach
Tag: Ambient

Ben Böhmer – Bloom

Ben Böhmer – Bloom

Das weite Land, in dem sich Neo Klassik, Ambient, Lounge, Downbeat und ähnliche Genres tummeln, wird ganz allgemein Electronica genannt. Es öffnet damit die Möglichkeit, spielerisch alles in sich zu vereinigen und die Grenzen zwischen U- und E-Musik zerfasern zu lassen. Gottseidank, möchte man sagen. 

Ben Böhmer nimmt mit, was er mitnehmen kann, um ein komplexes Werk zu formen, dass die Unruhe des Clubs in sich trägt, aber trotzdem die Sphären der Ruhe anstrebt. Die Vocals werden dabei von Lykee Li, Jonah, Malou, Erin LeCount und Enfant Sauvage, Max Milner und Oh Wonder bedient. So breitgefächert wie das Personal am Mic, ist daher auch die stilistische Bandbreite. 

Ninja Tune hat der Platte ein sanftes Karamell fürs Auge gegönnt, und ähnlich fluffig angenehm schleichen sich die eröffnenden Stücke ins Ohr. Wie Sonnenaufgänge, die einen angenehmen Tag verkünden, kommen sie daher. „Martin“ auf Seite A, „Memory Cassettes“ auf Seite B möchte man beide gerne anwachsen lassen und begleitend auf die Reise durch die Stadt nehmen. „Rust“ auf Seite C passt gut zu den S-Bahnen deiner Großstadt, und den ersten Schritten aus dem Club am frühen Morgen. Allgemein scheint das Gefühl des Aufbruchs sehr passend.

„Rain“ auf der letzten Seite eröffnet zwar mit Ruhe, und balladeske Konzentration auf die Stimme Max Milners, trägt aber auch den Blick auf das was kommt und hinter sich gelassen wird. Raum und Zeit für eine Betrachtung.

Überhaupt: Wo Stimmen auftreten wird das Konzept erweitert und durchbrochen. „Hiding“ von Lykke Li ist ein atmosphärisch dichtes, von ihr getragenes Werk, das auf verschiedenen Ebenen funktionieren mag. Sowohl in seiner Ruhe  und wie in dem begleitenden Rhythmus. „Best Life“ und „Beautiful“ haben, in ihrem vereinenden Pop-Charakter, das Zeug für Hymnen, während Erin LeCourts verlangsamte Ballade „Faithless“ im urbanen Umfeld seine anklagende Kraft entfalten möchte.

Dagegen wirkt „Riverside“ geradezu geschaffen für sakrale Betrachtungen der Tanztempel. Mit volltönenden, vielschichtigen und verhallenden Klängen einer orchestralen Bearbeitung verwoben, unterstützt es eine Umarmung aus einem Wall of Sound, der die Tanzenden in gleichmäßigen Bewegungen einwickelt. Das kommt und geht in Wellen. Allein die Kürze mag ein Manko sein.

Fast minimalistisch und zurückhaltend mutet „The Sun“ an. Ein kleines folkloristisches Popwerk, das seine Kraft in den Akzenten setzt, die den Gesang in die erste Reihe stellen. So formt das instrumentale „Blossoms“ einen Abschluss, der in das Abendrot mündet. Von seiner Triebkraft entschleunigt, genügt ein letzter Blick über die Felder.

Boozoo Bajou – Grains

Boozoo Bajou – Grains

Es ist ja so, wenn das Ding mit 45 RPM abläuft, dann ist es eine Maxi. So gesehen, ist das Doppelalbum von Boozoo Bajou eine Werkschau, die aus zwei Maxis besteht. 45 RPM ist ein Geschwindigkeit, die mir für das filigrane Intro, dass sich orgelnd heranschleicht, fast zu hektisch wirkt. Mit einem sehr zurückhaltendem Tempo begleitet Boozoo Bajou in die Nacht. Der Rhythmus des Tages ist noch nicht ganz vergangen, aber wir kommen jetzt zum gemütlichen Teil. Da ist der Soul, der verhaltene Jazz, und einfach viel Zeit.

Verlässlich unaufgeregt, mit einer gewohnten Coolness, mündet die erste Seite in einem atmosphärisch dichten Instrumental Teil, der zum Loop und der verharrenden Betrachtung der Welt einlädt. Boozoo Bajou spielen zum gepflegten, aber leisen Swing auf, immer bedacht darauf, dass das Fingerschnippen noch möglich ist.

Boozoo Bajou ist ja immer auch ein Projekt, in dem man alten Bekannten wieder begegnet. Stimmen, die man andernorts schon schätzen gelernt hat. So ist es vor allem Rumer, die in den Vocals und der sehr reduzierten Begleitung in „Same Sun“ angenehm überrascht. Fast akustisch anmutend, leitet die Ballade die zweite Seite ein.

In der Zusammenarbeit erweist sich Rumer als Glücksgriff. Die Vocals, getragen von einem sehr differenzierten, atmosphärischem Sound, der Anleihen in vielen Sparten macht, sind allgemein in ihrer Ruhe und betonten Verlangsamung harmonisch und dicht – so auch Bernd Batke, Eric Dupperay und Stefan Prange – , jedoch ist die warme, klare Stimme von Rumer hervorstechend und wirkt so zugehörig, dass man sich wundert, warum erst hier und jetzt.

„Fürsattel“, der Abschluss der zweiten Seite, bietet, fast als wäre es das Konzept, ein kammermusikalisches, verspieltes Werk, das beschwingt in die zweite Scheibe leitet.

Allgemein gönnt sich Boozoo Bajou eine fast vermisste Länge der Stücke. Heute ist es eher selten, wenn Songs und Werke der Künstler 3 Minuten erreichen. Stream und die Werbung über soziale Medien führt zu einer starken Verkürzung und eine dementsprechenden Aufmerksamkeitsspanne. Der Markt passt sich an. Boozoo Bajou nehmen sich die Minuten, die es braucht, das auszubreiten, was möglich ist. Wenig ist unter 5 Minuten, das Meiste überschreitet locker die 6 Minuten, und man ist froh darüber. Manches darf auch gerne nie enden. Und die Reise kann gerne weitergehen. 

Rumer steigt bei drei Stücken ein und zwei sind umgeben von instrumentalen Werken, als würde es sich fast verbieten, einen direkten Vergleich anzustellen. Sparsam instrumentiert bleibt ihrer Stimme genug Raum um charismatisch einen prägenden Eindruck zu hinterlassen. Das ist faszinierend, und vergleichbar mit einer Sade oder ähnlichen Stimmen, die fast zeitlos an uns haften bleiben. 

Instrumental bleiben Boozoo Bajou immer im Downtempo, immer in der Entwicklung, die behäbig von statten geht, Gewöhnung und Wohlfühlen zulässt. Das kommt in kleinen Schritten mit humorvollen Titeln, wie „Kinder ohne Strom“ und „Tonschraube“.  Wer den Soundtrack auf dem Spaziergang durch die Nacht braucht, die Lichter bewundernd anschaut, und den Herbst genießt, für den ist das was.