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Tag: Bluegrass

Carly Pearce (Support: Wade Bowen) im Rockefella, Oslo am 10.02.2025

Carly Pearce (Support: Wade Bowen) im Rockefella, Oslo am 10.02.2025

Carly Pearce im Rockefella, Oslo

Spricht man von Norwegen, dann fällt jedem ein: Metal. Black Metal, Death Metal, überhaupt Metal. Und das stimmt. In Norwegen ist Metal Kultur, die anerkannt ist, ihre Spuren hinterlässt und für ein solch großes Land mit so einer geringen Bevölkerungsdichte unglaublich viele Bands hervorgebracht hat und weiterhin hervorbringt.

Als ich fragte, was ich noch übersehen haben könnte. Bei meinen Reisevorbereitungen nach Oslo. Ob es Location, Clubs und Bands gab, mit denen ich mich noch beschäftigen sollte.…

Natürlich empfahl man mir Metal. Aber wie könnte man genau das in Oslo übersehen? Schon bei meinem ersten Besuch wurde ich von Freunden in einen der dunkelsten Plattenläden geführt. Ich werde darauf zurück kommen.

Wer Metal in Norwegen übersieht, der wird wahrscheinlich vieles verpassen.

Wie konnte ich also ahnen, dass in diesem Land, schon lange vor dem Einlass ins Rockefella, zwei Straßen mit wartenden Menschen belegt waren. Und mindestens ein Drittel davon trugen Cowboyhüte. 

Als dann jemand mit einem ganzen Stapel dieser Hüte an mich herantrat – um mir welche zu verkaufen – eventuell, pink und mit Glitzer, aber auch schwarz, wähnte ich mich ganz woanders. Aber das ist Oslo. Norwegen. Das Rockefella ist eine der etabliertesten Konzerhäuser, in der alles was Rang und Namen hat, irgendwann mal auftaucht. Es war ein Montagabend, an dem Carly Pearce auftrat. Als Support Wade Bowen, ein Texaner, der von einem Bassisten und weiteren Gitarristen begleitet wurde.

Das Rockefella liegt in einem Viertel, das sowohl Graffitis, wie angesagte Bars beheimatet. Der ganze Block, in dem es sich befindet, bietet Gastronomie jeder Art und Preislage. Im Konzertsaal selber gibt es eine Empore, auf der man an einem Tisch die Bands betrachten kann, und das war wahrscheinlich der Grund für den frühen Andrang. Vor der Bühne selbst füllte es sich nur langsam. Aber stetig. 

Waden Bowen hat eine angenehme, raue und markante Stimme. Texas. Er hätte es nicht erwähnen müssen, so authentisch war sein Spiel. Es waren die kleinen, traurigen Geschichten, jene Erzählungen, die mit knappen Witz und sanfter Ironie eingeleitet wurden. Songs, die vom Fallen und Aufstehen erzählen. Meistens auch von der Liebe, den kleinen Dingen und der Poesie einer Realität, die man annehmen muss, um etwas an ihr zu gewinnen. 

Wade Bowen im Rockefella Oslo

Country ist immer eine Musik der Klage, aus der sich dann trotzig das Leben an sich entwickelt. Wade Bowen ist einer der guten Storyteller, die lakonisch daran festhalten, dass in jedem Misserfolg eine Chance steckt, vielleicht auch eine Genügsamkeit, mit der es eben weiter geht. Wenn man will. War Wade Bowen die Wurzel einer Musik, die sich ständig weiter entwickelt, so trat mit Carly Pearce all jenes auf, dass über der Erde explodieren und in tausend Farben zerplatzen muss.

Carly Pearce parierte energisch zwischen Pop und Rock. Bewies ein Talent in der Ansprache und dem Flirt mit dem Publikum. Wie die meisten Frauen in diesem Genre ist Empowerment, Selbständigkeit und Widerstand ein Thema. Es geht um Verlust und Aufraffen, um all die Dinge, die nachvollziehbar und für alle erkennbar waren. Vergangene Liebe, verlassene Freunde, neues Leben und alles was dazwischen ist. Begleitet wurde sie von vierköpfigen Band, in der scheinbar jeder drei oder mehr Instrumente beherrschte. Die Stagehands und Roadies flitzten von Song zu Song auf die Bühne, reichten jenes, nahmen dieses, tauschten die Mikros und trotzdem blieb alles nahtlos, unglaublich professionell und vielseitig.

Die moderne Version des Country schreckt nicht davor zurück mit dem Pop zu flirten, und den Rock leidenschaftlich einfließen zu lassen. Carly Pearce bewies in ihren Songs, das sie beides und mehr konnte. In fast anderthalb Stunden war sie die Rockerin, die Balladensängerin, aber auch die, die mit veritablen Hits alle zum Mitsingen brachte. Mit Wade Bowen interpretierte sie noch einen Country Klassiker, der es ihr erlaubt, ein geradezu klassisches Duett anzubieten, dass so stimmig war, dass man sich eher in Nashville wähnte. 

Originäres Country in allen Facetten, vor einem Publikum, das sie liebte, und in Stil und Zwischenrufe alles unterstützte. Hey, und das ist Oslo. Von wegen Metal und so.  Ein Abend, um in den Keller zu rennen, und all die alten Helden wieder auszukramen. Angefangen bei den großen Frauen des Country.

Externer Link: Carly Pearce – carlypearce.com

Externer Link: Wade Bowen – wadebowen.com

Externer Link: Rockefella Oslo – Rockefella.no

Black Sea Shipping Company im Mikado, 08.02.2025

Black Sea Shipping Company im Mikado, 08.02.2025

Black Sea Shipping Company im Mikado

Irgendwas ist in den letzten Jahren mit der Black Sea Shipping Company passiert. Ich kann mich vage an einen Auftritt vor dem Durlacher Schloss erinnern, als ich eine Klezmer-Band sah, die sehr traditionell und mit sehr viel Erklärungen ein wirklich gutes, aber sehr klares Klezmer-Set spielten. 

Es ist viel Zeit vergangen, und ich muss zugeben, ich hatte kaum Gelegenheit mir weitere Konzerte von der Black Sea Shipping Company anzusehen, somit war das da nach Langem ein Wiedersehen, dass mich überraschte.

Auf der Bühne stand eine selbstbewußte Band, die schon im Vorfeld einen unbestuhlten Raum wollte, weil es war ja klar und überhaupt – es sollte getanzt werden. Sie kündigten an, dass sie das Ding durchziehen, ein Konzert ohne Pause. Wer Getränke holen will, soll sie sich jederzeit holen, sie würden nun da bleiben bis zum Ende. Jawoll. 

Tatsächlich spielten sie über zwei Stunden. Und wer mehr als ein Konzert im Jahr besucht, wird wissen – es ist ungewöhnlich. Konzerte werden kürzer, Preise teuerer, Streaming frisst einfach alles auf. Hier war alles anders: Eine Band mit einer wuchtigen Spielfreude, zu einem Taschengeldpreis besuchbar, spielte um Seele und Teufel, mit einer ansteckenden Laune und gutem Gefühl für Stimmungen und Timing.

Klezmer ist eine Musik, die durch Kontinente und Zeiten wanderte. Sie war formbar, zeitnah, und wurde oft von Menschen gespielt, die sich in ganz anderen Orchestern ihren Lebensunterhalt verdienten. Klezmer wird und wurde auf Hochzeiten gespielt. Es war vollkommen klar, das Swing seinen Einzug in Klezmer fand. Es war logisch, das russische Einflüsse genauso vertreten waren, wie jene aus dem Balkan. Klezmer gehört dem fahrenden Volk ebenso wie dem seßhaften. Die Kompositionen zitierten und zitieren noch heute.

Und wer sich um die Zukunft des Klezmers Sorge machen möchte, sollte die Konzerte der Black Sea Shipping Company besuchen. Denn dort werden sie vertrieben. Hier geht es über in den Blues, den Rock‘n‘Roll, Swing sowieso und auch Bluegrass findet sich dort wieder. Die Musik franst lustvoll aus, zitiert, vereinnahmt, nimmt mit. Das Publikum tanzte und das war die Hauptsache. 

Die Black Sea Shipping Company ist erwachsen geworden. Es wird nicht mehr erklärt, es wird gespielt. Die Menschen ging mit, nahmen alles auf, und liebten diesen Bastard, der sich aus allen populären Folkrichtungen das Beste raussuchte. Und, verflixt, es war ja immer noch Klezmer, auch wenn dazwischen Tom Waits gesungen wurde. Die Sprachen wechselten ebenso wie die Stimmen.

Fünf Musiker: Geige, Saxophon, Drums, Gitarre, Bass. Und wenn es ging, dann wurde mal alles durchgewechselt, eine Klarinette rausgeholt, das Banjo gestimmt, das Bass von einem anderen gespielt. Kein Scheu vor Experimenten, keine Angst vor Solis, und alles schnell, furios, aufregend, am Limit und mit einem guten Blick über das Chaos.

Das alles war mittlerweile so selbständig und frech, dass es nach einer Platte schreit. Wo sonst sollte soviel Kreativität sonst landen oder verewigt werden?

Zwei Stunden wirken ungewohnt lang. Und dennoch, hätten sie drei Stunden gespielt, dann hätte ihr Publikum halt 3 Stunden weiter getanzt. Alles drin.

Externer Link: Black Sea Shipping Company – blackseashippingcompany.de

Externer Link: Mikado – Mikadokultur.de