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Tag: Brasilien

Dan & Dota – Tollhaus Karlsruhe, 30.11.2024

Dan & Dota – Tollhaus Karlsruhe, 30.11.2024

Als die Göttin die Musik erfand, dachte sie wahrscheinlich an Brasilien. Brasilien, dieses Land, in dem Welten aufeinander stießen und verschmolzen. 

Was dabei herauskamen, als Kulturen, Stile und Genre sich immer wieder vermischten, eroberte irgendwann in den frühen Siebzigern den Rest der bekannten Welt. Und auch wenn es keiner glaubt, so hat vieles, was die großen Entertainer dieser Zeit sangen, seinen Ursprung in Brasilien und genauer gesagt im Bossa Nova. 

Später, als ein brasilianischer Tanz namens Lambada die Welt eroberte, gab es einen berühmten Spruch (ich glaube von Claus Schreiner, aber ich möchte es nicht beschwören) der sinngemäß hieß, dass, wenn es jedes Jahr einen Modetanz wie Lambada aus Brasilien gäbe, die Welt die nächsten hundert Jahre etwas zu tun hätte. 

Gemeint war, dass der Schatz der brasilianischen Musik noch lange nicht gehoben und in Europa nur bruchstückhaft bekannt ist. 

Seit vielen Jahren ist Dota eine Art Botschafterin der brasilianischen Musik. Ihre Musik wurde schon in den 2000er Jahren mit Erstaunen dem Bossa Nova zugeordnet, obwohl sie für die beiden wichtigsten Bestandteile, Text und Musik, selbst verantwortlich war. Und vor allem: Sie sang zumeist deutsch. 

Die aktuelle Tournee basiert auf der Zusammenarbeit mit dem brasilianischen Musiker Danilo Guilherme, die scheinbar bis in das Jahr 2003 zurück reicht, als die beiden MusikerInnen sich kennenlernten und so gut verstanden, dass es im Grunde zu einem Album hätte führen sollen. Und in diesem Sinne ist das Album und die Tournee eine verspätete Premiere, die alle Eigenschaften, dieser brasilianisch-deutschen Verbindung in sich vereinen möchte. 

So wurde eine andere große Dame der brasilianischen Musik, die sich in Deutschland angesiedelt hat, Zelia Fonseca gebeten, Vorgruppe in Solofunktion zu spielen, aber auch unterstützend bei den schönsten Stellen der Show mitzuwirken. 

Brasil-Portugiesisch ist keine sehr populäre Sprache in Deutschland, um so bemerkenswerter ist es, dass der Funke dieser angenehmen Sprache und der Spielfreude auf der Bühne innerhalb von Minuten bei der Eröffnung übersprang. Man muss Zelias Spiel Respekt zollen, dass sie es virtuos schaffte, schon im zweiten Beitrag die Anwesenden zum Mitsingen der Zeilen zu bewegen. Und sie taten es mit wachsender Begeisterung für die Songs, die Zelia auf ihrer akustischen Gitarre selbst begleitete. Nur mit dieser auf der Bühne, reduziert auf 3 Lieder, war zu spüren, dass sie niemand gehen lassen wollte. Das Versprechen und die Tatsache, dass sie wiederkam, gehörte zu den versöhnlichsten Augenblicken.

Diese Tournee, die das Album „De Repente Fortaleza“ präsentiert, ist auf lediglich 6 Shows ausgelegt, und man merkte den Musikern in jeder Minute an, dass es für weitere 50 an Begeisterung gereicht hätte. Das Zusammenspiel, mit deutschen Übersetzungen, Textschnipsel, dem wunderbaren Gesang der Drummerin und überhaupt Danilos sanfter, erzählender und manchmal fast rappender Vortragsweise, beinhaltet die Wärme und Herzlichkeit, von der man gar nicht wußte, wie sehr man sie vermisst hatte. 

Allen ist anzumerken, dass sie, trotz einem verwirrenden Sprachkonglomerat, das sich durch die Ansagen, wie wohl auch durch die Proben zieht, gerne und herzlichst in ihren Songs daheim sind. So wechseln die Kompositionen zwischen den Beteiligten ab, und ergänzen sich dennoch in Ausdruck und Spielweise. 

Es gibt sicherlich viele MusikerInnen, die den Bossa Nova nach Deutschland transportieren, ihn vorstellen, für sich interpretieren, und ganz erstaunliches darin leisten, doch in seiner Natürlichkeit, die eine Unterscheidung zwischen dem Ursprung und der Leistung ihn in einer anderen Sprache zu manifestieren und zu erweitern, nicht mehr zulässt, hat Dota eine Klasse erreicht, die mittlerweile ihre eigene ist. Ihr Engagement für die brasilianische Musik ist herausragend, und ihr dabei zu zuschauen und Zeuge davon zu werden, ein Fest, bei dem man jede vergangene Minute bedauert, weil man ja durchaus noch drei weitere Stunden gerne teilhaben möchte. Was für ein gut gelaunte, eingespielte Band, die immer wieder zurück auf die Bühne geholt wurde. Man wollte sie ungern gehen lassen und wird sie mit Sicherheit mit der gleichen Begeisterung wieder begrüßen, wenn sie das nächste mal in Karlsruhe sind.

Baden Powell canta Vinicius de Moraes e Paolo Cesar Pinheiro

Baden Powell canta Vinicius de Moraes e Paolo Cesar Pinheiro

Wenn ich über brasilianische Musik berichte, dann gibt es zwei Dinge zu beachten: Ich verstehe kein Wort der Sprache. Kann maximal erahnen um was es geht, weil die ständige Wiederholung natürlich irgendwann mal dazu führt, dass man das Gefühl hat, etwas zu verstehen. Aber es ist nicht so. Und ich bin mir durchaus bewußt, dass mir damit etwas ganz essentielles der brasilianischen Musik verloren geht. Ich sitze mit einem offenen Mund da, wenn ich bei manchen Konzerten erfahre, um was in den Songs geht, die ich schon seit Jahren höre.

Und das andere ist: Es gibt, in meinen Augen, keine schlechte Platte von Baden Powell. Daher kaufe ich diese ohne vorher zu wissen, was mich daheim erwartet. Und ich habe das Gefühl es reiht sich ein Meisterwerk an das nächste. 

Die meisten Baden Powell Platten, die heute erscheinen, sind Compilations oder sehr sorgfältig kuratierte Werke, in den beflissen durch seine Geschichte geführt wird. Das ist gut, und zeigt, wie wichtig er war, und welchen Einfluss er auf Gitarristen bis heute hat.

Viele Aufnahmen sind sehr reduziert auf ihn, seine Gitarre und lassen ihm den notwendigen Raum zur Improvisation. Hier unterscheidet sich „Canta Vincius de Moares e Paolo César Pinheiro“. Baden Powell interpretiert hier ausschließlich die Texte der zwei Poeten Vincius de Moares (1913-1980) und Paolo César Pinheiro (1949-). Die Musik und die Arrangements stammen von ihm. Eingebunden in eine Band aus Andre Appino (Drums), Luigi Trussardi und Sam Kelly, Nilton Marcelino, Vilton Vasconcelos ist das Gitarrenspiel Baden Powells mehr Begleitung seines eigenen Gesangs.

Baden Powells Stimme zeichnet sich durch eine angenehme Sanftheit aus, die die Texte teils schmeichelnd wiedergibt, aber auch in eine melodische Erzählweise, die man heute, weil rhythmisch und dennoch entschloss, wahrscheinlich eine Art Rap nennen würde. Aber 1977 spielte Rap in Brasilien noch keine Rolle, von daher hinkt der Vergleich. 

Ungewöhnlich ist das dichte Arrangement, dass viele Elemente der traditionellen brasilianischen Musik vereinigt, und dabei auch eine Art Response, sowie treibende Percussions integriert. Wie so viele Werke wurde auch „Canta Vincius de Moares e Paolo César Pinheiro“ im Europa, quasi im Exil aufgenommen. Umso überraschender und beeindruckender ist es, wie sehr es in den Traditionen der brasilianischen Musik verwurzelt ist. 

Spricht man in Europa von brasilianischer Musik, dann handelt es sich normalerweise um Bossa Nova, Samba und MPB. Dabei ist sie viel reicher und bunter, als ich es hier darstellen könnte. MPB (Musica Popular Brasileira) stellt hier den größten Anschluss an die westliche Musik dar, da sie eigentlich aus einer direkten Linie der anglo-amerikanischen Musik in den Bossa Nova einfloss. Aber auf diesem Weg etwas ganz eignes wurde.

Die Vermischung ist so gelungen, dass ich gerade bei dieser Platte die größten Schwierigkeiten hätte, sie einzuordnen. Unabhängig davon, dass alle Stücke qualitativ hinsichtlich ihres Gesangs und der Begleitung auf einem hohen Niveau spielen, bedient sich Baden Powell aller Genrearten und Elemente, die zwischen Samba und MPB liegen. 

Was ich mir jetzt noch wünsche, dass ist eine Neu-Edition dieser wunderschönen Platte, mit allen Übersetzungen und Hinweisen zu den beiden Textern. Aber das wünsche ich mir eigentlich bei jeder brasilianischen Platte.

Externer Link: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Baden_Powell_de_Aquino