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Schlagwort: Mikado

Meinung zu „Gehts noch, Karlsruhe?“

Meinung zu „Gehts noch, Karlsruhe?“

Gehts noch Karlsruhe?
Gehts noch Karlsruhe?

Einführung

Das Thema klingt abstrakt, die Situation überspitzt und die Argumentation überrascht. Karlsruhe hat sicherlich mehr Probleme als nur die Club- und Eventkultur. Eine Kürzung um weniger als 10%  in diesem Bereich scheint dabei marginal und vertretbar. 

Der Haushalt für das nächste Jahr sieht im Bereich der Kulturförderung eine pauschale Reduzierung vor. Eine ausführliche Aufstellung der Mittel und weiteres Material zum Thema findet sich auf der Seite https://gehtsnochkarlsruhe.de/ .

Faktisch wäre damit der Komplex erklärt und aufgezeigt. Einzelne Location empfinden die Situation, je nach ihrer Finanzierung, different. Treffen tut es alle. In verschiedenen Artikel versuchten die „Badischen Neuesten Nachrichten“ die Lage für einzelne Einrichtungen dar zu stellen. Es gab dabei Aufstellungen  über die individuellen Ausgaben, ein Hinweis auf die Engpässe, die Variablen, die teilweise noch zum Jahresbeginn unkalkulierbar bleiben und einen groben Überblick über die Szene in Karlsruhe.

Das Problem muss allerdings im Kontext der zur Zeit stattfindenden Entwicklungen gesehen werden. Dafür ist es notwendig etwas weiter auszuholen. 

Karlsruhe hat eine sehr reiche – in manchen Punkten auch einzigartige und –  gepflegte Kultur an Livelocations. Es gibt ein kollegiales, fast familiäres Nebeneinander der Veranstaltungsorte, die gerne auch übergreifend und gemeinsam operieren. Je nach Größe mancher Events wird auf die Option zurückgegriffen, eine Veranstaltung zu verlegen oder weiter zu reichen. Das macht Karlsruhe sehr flexibel und attraktiv für seine Gäste. 

Städte in der Größenordnung Karlsruhes werden gerne von Bands mitgenommen, sind aber nicht der Anziehungspunkt für internationaler Superstars. Hier rangieren Berlin, Hamburg, München und Köln in wechselnder Rangfolge auf den ersten Plätzen. In Städten wie Karlsruhe ist es daher notwendig, eine kleine, flexible Szene aufrecht zu halten. Diese macht die Stadt für den Zuzug, den Studenten, aber auch Touristen attraktiv. 

Eine lebendige Konzertszene belebt Stadtviertel, lässt im Umfeld Lokale, Restaurants, Hotels entstehen und vermeidet Ghettosituation. Stadtteile werden dadurch als lebendig wahrgenommen und wandeln sich nicht in reine Schlafstätten. Live-Events binden Menschen an ihr Viertel und beleben die Nachbarschafts- und Vereinsstruktur aktiv.

Soll heißen: Die Arbeit an einer lebendigen Kulturszene ist ein wertvolles Gut, das eine Stadt der Größe Karlsruhes auf der Habenseite verbuchen kann. Es ist stellt keine Ausgabe dar, deren Gewinn nicht berechenbar ist.

Mit ein bißchen Vorstellungskraft, darf man gerne davon ausgehen, was die Kaiserpassage ohne den Jazzclub, der Werderplatz ohne das KOHi, der Schlachthof ohne die Alte Hackerei, das Substage und das Tollhaus wäre. 

Die Anziehungskraft des Schlachthofs, die gemeinsame Identifikation mit dem zur Verfügung gestellten Raum, ergibt sich aus der Möglichkeit, den Bereich Tag und Nacht zu nutzen. Also Arbeit und Freizeit in Einklang zu bringen.


Eine solche, einzelne Institution – wenn sie sich etabliert hat –  und zum Anziehungspunkt für Auswärtige und Einheimische geworden ist, in Frage zu stellen, in dem man die Existenz mancher Lokalitäten bedroht, ist auch eine Variante sich selbst (als Stadt)  in Schieflage zu bringen.

Es dauert Jahrzehnte eine lebendige Kulturszene aufzubauen

Wichtig ist dabei zu bedenken: Die meisten Kulturstätten, die aufgrund eines privaten Einsatzes, meist ohne Entgelt, aufgebaut und geführt werden, haben lange Jahre und Durststrecken hinter sich. Eine Basis und ein Publikum als Fundament zu finden, bedarf viel Kommunikation, Einfühlungsvermögen und die entsprechende Sensibilität, für das was funktioniert und genau hier passt.

Wenn es heute einen Unterstützerkreis gibt, die Publikumszahlen nach Corona wieder ein interessantes Niveau erreichen, dann verbergen sich dahinter Jahre, teilweise Jahrzehnte an mühevolle Arbeit Kultur zu etablieren und einem Publikum nahezubringen. 

Dieses gilt – ohne Ausnahme – für jeden Veranstaltungsort. Alle haben mit Fingerspitzengefühl bewiesen, dass sie es geschafft haben, einen Bereich zu schaffen, der charakterlich in sein Umfeld passt, sich arrangiert und einem Genre und ganzen Generationen an MusikerInnen eine Heimat zu bieten.

Es ist nahezu unmöglich innerhalb eines Jahres so etwas in diesem Kultur-Bereich zu etablieren. Es bedarf Vertrauen, Erfahrung, einem Netzwerk im Hintergrund und ein Umgang mit den Kreativen, der sich über diesen Zeitraum aufbaut.

Clubbesitzer, ehemalige, aber auch gegenwärtige, die das Thema stemmen wollten, können davon ein Lied singen. Was heute verschwindet, das wird für die nächsten Jahre nicht wieder auftauchen oder erneuert werden können. 

Der Schaden, der durch verschwundene Kultur, entsteht, wird beträchtlich sein. Wenn sich Restaurants und Lokale im Umfeld von Kulturstätten ansiedeln, dann mag das zufällig wirken, aber die Beziehungen sind bei genauer Betrachtung erkennbar. Die Schließung einer solchen Stätte wird unwillkürlich – fast ohne Verzug – auch zu einer merklichen Veränderung der Gastronomie führen. Im schlimmsten Fall zu einer Verödung.

Der Werderplatz und das KOHI

Als Beispiel sei der Werderplatz genannt. Ein Sorgenkind der Stadt. Im Laufe der Jahre gab es verschiedene Versuche die Attraktivität zu erhöhen, mit Verboten, Verwarnungen, Einsätze und auch Hilfsangebote. Die zunehmende Erhöhung der  Attraktivität durch Biergärten, Lokalitäten, Kulturangebote haben den Werderplatz mittlerweile wieder zu einem Anziehungspunkt gemacht, der auch für Außenstehende und über die Grenzen der Stadt interessant ist. Das KOHI in der Mitte des Platzes ist mittlerweile bei aufstrebenden MusikerInnen und KünstlerInnen, aber auch als Galerie ein Begriff. Es wird geschätzt, gelobt und mit Preisen erwähnt. In seinem Umfeld legen DJs in den umliegend Lokalen auf, haben sich Events auf dem Platz etabliert, fungiert mittlerweile eine lebendige Szene.

Das NUN in der Oststadt

Das NUN in der Oststadt erfüllt ähnliche Zwecke. Es bietet einen kleinen experimentellen Rahmen für ruhige, zumeist akustische Konzert in einer Atmosphäre, die in dieser Form einmalig ist. 

Ist damit ein Ort, der vor allem für ruhige, junge Künstler aus aller Welt zu einem Begriff wurde. 

Etwas wie das NUN, das immer noch- nach Jahren – als geschätzter Geheimtipp fungiert, arbeitet ausschließlich auf einer Vereinsbasis, die vom Aufwand nahe an der Selbstausbeutung ist. Niemand wird bezahlt, alles, was dort – in einer freundlichen, zuvorkommenden Atmosphäre – geschieht, passiert freiwillig. Abends, nach dem jeweiligen Broterwerb der Mitglieder! 

Es belebt die Oststadt, stärkt ihre Position als kulturell interessanter Ort und hilft bei der Attraktivität für alle Bewohner des Stadtteils.

Die Coronajahre

Doch die Thematik ist noch um einiges größer: Die Coronajahre waren für die Kulturbranche ein Fiasko und führten vielerorts zum Zweifel an der Sinnhaftigkeit   – daran sich von seiner Leidenschaft zu ernähren. 

Die Situation wurde, trotz versuchter Unterstützung, teilweise prekär und unverhältnismäßig hart. Man merkt es auch, dass – obwohl wir uns heute alle so fühlen, als ob das weit in die Vergangenheit liegt – es für Künstlerinnen sich so verhält, dass dasThema nach wie vor präsent ist. Es hat Einzug gefunden hat in Songs, Bücher und Bilder. 

Die Coronajahre waren ein Einschnitt. Manche fanden da nicht mehr raus. Das Publikum brauchte sehr lange, um wieder wie gewohnt in Konzerte zu gehen. Einige machen das bis heute nicht mehr.

Die Coronajahre sind in der Biografie vieler KünsterlerInnen verlustbehaftete Einschnitte, die noch lange, auch weit über die Zeit hinaus, spürbar sein werden. Den Faden wieder aufzunehmen, den Anschluss wieder zu finden, das war und ist nicht einfach. Bands hatten sich aufgelöst, Veröffentlichungen floppten, weil Tourneen nicht stattfinden konnten und manche InterpretInnen verloren ihre Stimme und fanden sie nicht wieder.

Nach den Coronajahren sind vor allem die kleinen Clubs und Locations sozusagen Auffangstationen, um Schritte in die Normalität zu wagen. Für Künstlerinnen wurde es unfassbar wichtig, eine Vielfalt an Auftrittsorten zu haben, die sie wieder nutzen konnten. Es ist den meisten eben nicht vergönnt Hallen zu füllen, sie müssen Orte finden, an denen sie die Näherung ans Publikum wieder testen, ausprobieren und sich finden konnten.

Aber auch das Publikum brauchte  – und braucht immer noch – diese sanfte Hinführung zu einem normalen Weiterführen des Kulturbetriebes. Das Thema ist fragil, aber noch immer scheuen Menschen große Ansammlungen und größere Hallen wegen der durchaus berechtigten Gefahr vor infektiösen Krankheiten. Normalität wieder zu lernen, diesem auch eine Basis zu geben und eine Plattform zu schaffen, auf der sich KünstlerInnen erproben testen und wiederfinden können, ist auch eine Aufgabe der kleinen, mutigen Orte.

Streamingdienste !

Gleichzeitig boomten Streamingdienste. Der Tonträgermarkt (CDs und Vinyl-Veröffentlichungen) dagegen brach fast komplett weg. Für KünstlerInnen, die sich auf dem Weg befinden, und noch nicht die erhoffte Popularität erreicht haben, ist der monatliche Erlös aus Streamingdiensten nicht ausreichend, um ein Leben zu finanzieren. 

Die Erträge sind in den seltensten Fällen ausreichend zu nennen. Oft erfüllen diese Plattformen maximal einen Werbeeffekt, aber zum Erhalt einer Kultur leisten sie in der Regel nichts. 

MusikerInnen finanzieren sich über Auftritte bzw. über den sogenannten Merch-Verkauf (T-Shirts, Tonträger etc.) , der bei Auftritten möglich ist. 

Auftritte, verbunden mit Merch, sind die Haupteinahmequellen vieler Bands und Solo-KünstlerInnen. Selbst wenn ihre Namen ausgesprochen bekannt sind, kann man sagen: Wer in den Karlsruher Clubs und Auftrittsorten unterwegs, finanziert sich in der Regel genau über diese Optionen. Und nicht über die Klicks bei Spotify und Konsorten.

Fällt nur einer dieser Auftrittsorte weg – und das ist keine gewagte Rechnung – kann man pauschal sagen, dass ca. 75 MusikerInnen und Bands im Jahr weniger in Karlsruhe auftreten werden.

Das mag wenig erscheinen. Ist aber sehr niedrig angesetzt. 

Das gilt für all jene jungen Gruppen, die sich augenblicklich noch in einen Tourbus setzen, teilweise stundenlange Fahrten auf sich nehmen und davon ausgehen, dass es sich für sie lohnen könnte, in unserer Stadt aufzutreten. Setzt sich dieser Trend zur Kürzung der Kulturförderung durch, dann müssen wir damit rechnen, dass Karlsruhe unattraktiver wird für besuchende KünstlerInnen, weil weniger davon leben können. Aber auch, weil Karlsruhe nicht mehr soviel zu bieten hat. 

Ich sprach nur von einem Auftrittsort. Die Zahl lässt sich locker fortführen und um jeden weiteren, sterbenden Auftrittsort nach oben fortsetzen.

Die Einschnitte betreffen dann nicht nur Clubs, Locations, Auftrittsorte und die begleitende Gastronomie, sondern und vor allem aufstrebende, hoffnungsvolle Talente.

Wenn es unattraktiv wird, sich in diesem Metier auszuprobieren, werden erstmal regionale Bands verschwinden und sterben, aber selbstverständlich ist Karlsruhe nur eine von vielen Gemeinden, die auf diese Weise versucht Geld zu sparen. Die Kultur – weil scheinbar nicht wirklich gewinnbringend für eine Region (und sicherlich in der Lage von sich selbst zu leben) – ist immer einer der Posten, den man gerne beschneidet. 

Aber es macht einen Beruf, der eher Berufung ist – denn er ist selten mit materiellen Anreizen verbunden – zunehmend unattraktiv und führt damit zu einem Flaschenhalseffekt. Am Schluss werden eben nur noch jene bleiben, die tendenziell doch von den Streamingdiensten leben können. Das sind dann nicht die jungen, experimentellen, wagemutigen KünstlerInnen, sondern ganz klar chartsorientiere ,Marketing-erprobte und KI-generierte, sowie videotaugliche Stücke, die einen Kompromiss in Sachen Geschmack darstellen. 

Was Musik für Karlsruhe bedeuten könnte

Für die Städte wie Karlsruhe würde es bedeuten: Eine Verödung der Kulturlandschaft, Einbußen in den begleitenden Lokalitäten, Plätze und Stadtteile, die darunter leiden werden, sowie eine zunehmende Anonymisierung in der Kulturszene und das über Jahrzehnte hinaus.

Es ist die Entscheidung, die momentan noch gefällt werden kann, die aber in ihren Folgen scheinbar nicht richtig eingeschätzt wird. Es wäre an der Zeit, das Karlsruhe seine Musikszene als Kapital erkennt, dass über die Stadtgrenzen hinaus Potential zur Profilierung hat.

Karlsruhe hat eine lebendige, fruchtbare Szene und es wäre an der Zeit, dass man stolz darauf ist. Es ist etwas, mit dem sich zu werben lohnt, denn es bringt weit mehr Kapital in die Stadt und in das Umfeld der Örtlichkeiten als man auf dem ersten Blick sieht. 

Karlsruhe hat es über viele Jahre versäumt, seine Geschichte der populären Musik aufzuarbeiten und zu pflegen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es sich um Versäumnisse handelt, deren Aufarbeitung erst mal zeigen, wo Karlsruhe noch Optionen hat, seine Vorteile für Investoren, Studenten und Touristen zu zeigen. Das darf nicht einfach so zerstört werden.

Robert Carl Blank am 03.10.2025 im Mikado

Robert Carl Blank am 03.10.2025 im Mikado

Robert Carl Blank im Mikado am 03.10.2025
Robert Carl Blank im Mikado am 03.10.2025

Hamburger gelten als wortkarg. Aber das war er eigentlich gar nicht. Robert Carl  Blank trat im Mikado auf und brachte alles mit. Die Geschichten und die Songs aus jenen Jahren, die uns allen zu schaffen machten. 

Corona wird in den Geschichtsbüchern der kreativen Menschen auch noch viel später eine Zeit sein, die für Umbrüche und Neugestaltungen verantwortlich waren.  War er davor im Englischen beheimatet, und spielte mehrere Alben in dieser bevorzugten Sprache ein, so fand er während der dieser Zeit den Weg vom Singer-Songwriter zum Liedermacher. Es erschien danach, mit all den Stücken, die er in diesen Tagen schuf, sein erstes Album in deutsch. 

Beinahe hätte ich nun das Wort Muttersprache verwendet, doch so einfach ist die Geschichte nicht.  Es liegt an ihm, sie zu erzählen. 

Mit Wurzeln in Tschechien gilt seine Liebe dem Osten Europas, auch wenn er Plattdeutsch „snakkt“ und den Blues und Folk, damit Americana in all seine Songs einfließen lässt. Seine Worte passen dazu. Nutzen die Erzählweise, den Schwung und die zurückhaltende Melancholie, die dieser Richtung innen wohnen kann. 

Alles ein bißchen Straße, Roadmovie, der Weg, die Veränderung und die Erinnerung an die Spaziergänge, der Ruhe und dem Hoffen auf etwas, was danach kommt. Er schreibt, so erzählt er, seine Lieder gerne unterwegs, an anderen Orten, weniger daheim, vielmehr dort, wo eben kein Alltag ist. Merkt man ihnen an. Mit klarer, kräftiger Stimme sind sie immer ein Aufbruch, ein Mut machen oder ein Blick auf die positiven Momente.

Robert Carl Blank nutzt dabei ein reiches Instrumentarium. Gitarren, drei, davon eine Steelguitar, sowie ein Banjo. Alleine auf der Bühne, nur er und seine Lyrik, gekleidet in der traditionellen, amerikanischen Musik, reiht er sich ein, in die verschwundene Kunst des Liedermachens, die etwas aus der Sicht geraten ist. 

Feilt heute jemand an Zeilen und Strophen in Deutsch, dann findet sich das stärker in anderen Genres. Sich auf Konstantin Wecker zu beziehen – und sei es nur, wenn es um die Bedeutung der eigenen Lyrik geht – verweist auf große Vorbilder und eine Ahnung, wohin die Reise gehen kann. 

So transportiert ein Text von ihm auch mal das Gefühl und nicht die Logik, um sich dann der vielfältigen Interpretation zu öffnen. Wie so oft geht es auch dabei um den Weg, die Beobachtungen, das was am Straßenrand passiert und mit dem Herzen gesehen wird.

Er macht das mit gekonnter Beschränkung auf das notwendige, und lässiger Spielfreude. Zeigt viel Übung im Setzen der wichtigsten Punkte und Melodien, bringt damit das Publikum schon nach kurzer Zeit zum Mitsingen.

Das will etwas heißen. Respekt davor, und Hochachtung, dass es funktioniert und klappt. Etwas, was man den Hamburgern natürlich auch unterstellt: Wenn sie etwas sagen, dann ist es so knapp, dass es nur aufrichtig und ehrlich sein kann. Soviel Nähe war spürbar, das macht den Charme. Und gelingt ihm mit beneidenswerter Selbstironie. 

Der Abend war rund. Wurde unplugged beendet, also ohne Strom. Wirkte dann erstaunlich ruhig, privat und wie ein Abschiedsgruß. Den man gerne mitnahm.

Externer Link:

https://www.robertcarlblank.de

Anne Pe „Songs and Lines“

Anne Pe „Songs and Lines“

Anne Pe - " Songs and Lines" (CD , erscheint am 10 Oktober 2025)
Anne Pe – “ Songs and Lines“ (CD , erscheint am 10 Oktober 2025)

Ganz unterschiedliche Geschichten in verschiedenen Sprachen, erzählt Anne Pe auf ihrem neuen Album „Songs and Lines“. Musikalisch und textlich bereist sie damit komplett differente Orte dieser Welt. Ihre Wege führen sie von Berlin nach Westafrika. Dokumentiert und interpretiert findet sich das in den 13 Stücken der CD, die am 10. Oktober erscheinen wird. 

Dabei erklingen exotische Instrumente, wie die Kora – gespielt von Moussa Cissokho, ebenso wie die Djembé, eine traditionelle Trommel, in einem Song, von dem wahrscheinlich bekanntesten Spieler dieses Instrumentes, Famoudou Konaté („Brothers and Swans“).

Die Stimme angenehm, zurückhaltend, harmonisch in ihrem Gitarrenspiel und der Begleitung von Moussa eingebunden, wechselt fliessend in zwischen Englisch, Deutsch und weiteren Klangfarben. Die Verbundenheit die sie mit der instrumentalen Begleitung aus mehreren Kulturen schafft, findet damit auch textlich eine Fortsetzung. Offenbart eine Harmonie, die innerhalb ihrer Musik einem Konzept und einer Logik folgt. 

Anne Pe verwebt damit gekonnt in einer sorgfältigen Produktion Anteile der globalen Musiklandschaft, die sie im Laufe ihres Lebens beeinflusst und geprägt haben. Die Zusammenarbeit mit dem 85 jährigen Famoudou Konaté in Guina war ihr daher besonders wertvoll.

„Seit 25 Jahren begleitet mich Famoudou Konaté Musik“, erzählt Anne Pe „Alles was ich mit der Djembé gelernt habe, hatte er in den Westen getragen. Aber leider konnte ich zu der Zeit als er Professor in an der UdK in Berlin war, nicht an seinen Kursen teilnehmen, weil ich dort nicht eingeschrieben war. Mich mit ihm auszutauschen war eindeutig noch ein loser Faden in meiner Geschichte.“

Wie alle MusikerInnen unserer Tage, hatte auch für Anne Pe die Coronazeit zu einer Zwangspause und Innehalten, mit Sorgen und kreativen Versuchen, aus dem Stillstand der Kultur auszubrechen, geführt. 

Umso mehr merkt man nun dem Album, seine Reifung, rückblickende Betrachtung der Möglichkeiten und dem Setzen von individuellen Akzenten an. Anne Pe’s Erzählungen sind variantenreich, mit Farbtupfern in Selbstbetrachtung und Aufbruch geprägt. Sie führen die Hörenden durch die Reisen und Landschaften, in denen die afrikanischen Gesänge der Griots durch Moussa Cissokho ebenso erklingen, wie die weiten Spuren des Anglo-amerikanischen Folks. Behutsam ist sie dabei Reiseleiterin und Sammlerin der Töne und Möglichkeiten.

Das Werk ist geprägt von einer positiven Stimmung, die neue Hoffnung schöpft, und einen musikalischen Weg durch die Disharmonie der aktuellen Zeiten zu zeigen vermag. Zeit für die leisen Tönen seien ihr gegönnt, denn diese sollte man sich nehmen, um die Feinheiten der Arrangements wie die Pinselstriche eines Gemäldes zu erkunden.

Anne Pe wird in den nächsten Tagen in einigen Städten auf Konzertreise sein. Es finden dabei einige Konzerte statt, die eher in einem kleinen Rahmen ein Möglichkeit bieten, die Songs fast unplugged und in einer fast privaten Atmosphäre zu hören. Passend zu der nahen und verbindlichen Stimmung des Albums – das wie geschaffen dafür zu sein scheint. Strahlt es doch alle Ruhe aus, die einem Abend mit Freunden entspricht. Schaut auf ihre Webseite, nutzt die Chance. 

Am 09.05.2026 wird Anne Pe auch im Mikado, dem Kulturhaus in der Karlsruher Nordstadt, (Externer Link: https://mikadokultur.de ) spielen.

Externer Link: https://annepe.de/

Video zu „Tonband Berlin“ https://youtu.be/RGKXyvjM_68?si=Fc6lRsTWXQOAHibI

(Die CD und begleitenden Materialien wurden Jazznrhythm.com vorab von der Agentur zur Verfügung gestellt)

Black Sea Shipping Company im Mikado, 08.02.2025

Black Sea Shipping Company im Mikado, 08.02.2025

Black Sea Shipping Company im Mikado

Irgendwas ist in den letzten Jahren mit der Black Sea Shipping Company passiert. Ich kann mich vage an einen Auftritt vor dem Durlacher Schloss erinnern, als ich eine Klezmer-Band sah, die sehr traditionell und mit sehr viel Erklärungen ein wirklich gutes, aber sehr klares Klezmer-Set spielten. 

Es ist viel Zeit vergangen, und ich muss zugeben, ich hatte kaum Gelegenheit mir weitere Konzerte von der Black Sea Shipping Company anzusehen, somit war das da nach Langem ein Wiedersehen, dass mich überraschte.

Auf der Bühne stand eine selbstbewußte Band, die schon im Vorfeld einen unbestuhlten Raum wollte, weil es war ja klar und überhaupt – es sollte getanzt werden. Sie kündigten an, dass sie das Ding durchziehen, ein Konzert ohne Pause. Wer Getränke holen will, soll sie sich jederzeit holen, sie würden nun da bleiben bis zum Ende. Jawoll. 

Tatsächlich spielten sie über zwei Stunden. Und wer mehr als ein Konzert im Jahr besucht, wird wissen – es ist ungewöhnlich. Konzerte werden kürzer, Preise teuerer, Streaming frisst einfach alles auf. Hier war alles anders: Eine Band mit einer wuchtigen Spielfreude, zu einem Taschengeldpreis besuchbar, spielte um Seele und Teufel, mit einer ansteckenden Laune und gutem Gefühl für Stimmungen und Timing.

Klezmer ist eine Musik, die durch Kontinente und Zeiten wanderte. Sie war formbar, zeitnah, und wurde oft von Menschen gespielt, die sich in ganz anderen Orchestern ihren Lebensunterhalt verdienten. Klezmer wird und wurde auf Hochzeiten gespielt. Es war vollkommen klar, das Swing seinen Einzug in Klezmer fand. Es war logisch, das russische Einflüsse genauso vertreten waren, wie jene aus dem Balkan. Klezmer gehört dem fahrenden Volk ebenso wie dem seßhaften. Die Kompositionen zitierten und zitieren noch heute.

Und wer sich um die Zukunft des Klezmers Sorge machen möchte, sollte die Konzerte der Black Sea Shipping Company besuchen. Denn dort werden sie vertrieben. Hier geht es über in den Blues, den Rock‘n‘Roll, Swing sowieso und auch Bluegrass findet sich dort wieder. Die Musik franst lustvoll aus, zitiert, vereinnahmt, nimmt mit. Das Publikum tanzte und das war die Hauptsache. 

Die Black Sea Shipping Company ist erwachsen geworden. Es wird nicht mehr erklärt, es wird gespielt. Die Menschen ging mit, nahmen alles auf, und liebten diesen Bastard, der sich aus allen populären Folkrichtungen das Beste raussuchte. Und, verflixt, es war ja immer noch Klezmer, auch wenn dazwischen Tom Waits gesungen wurde. Die Sprachen wechselten ebenso wie die Stimmen.

Fünf Musiker: Geige, Saxophon, Drums, Gitarre, Bass. Und wenn es ging, dann wurde mal alles durchgewechselt, eine Klarinette rausgeholt, das Banjo gestimmt, das Bass von einem anderen gespielt. Kein Scheu vor Experimenten, keine Angst vor Solis, und alles schnell, furios, aufregend, am Limit und mit einem guten Blick über das Chaos.

Das alles war mittlerweile so selbständig und frech, dass es nach einer Platte schreit. Wo sonst sollte soviel Kreativität sonst landen oder verewigt werden?

Zwei Stunden wirken ungewohnt lang. Und dennoch, hätten sie drei Stunden gespielt, dann hätte ihr Publikum halt 3 Stunden weiter getanzt. Alles drin.

Externer Link: Black Sea Shipping Company – blackseashippingcompany.de

Externer Link: Mikado – Mikadokultur.de