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Schlagwort: Piano

Tonspur Nr. 4 : So Soon „Then“

Tonspur Nr. 4 : So Soon „Then“

So Soon - Then
So Soon – Then

Titelliste:

  1. Then
  2. You Don‘t understand
  3. Silent moment
  4. Rest
  5. Carousel

Die Entdeckung der Langsamkeit als erstrebenswertes Ziel. So Soon gönnen sich alle Zeit, nähern sich in kleinen Schritten und großer Harmonie dem guten Song-Handwerk. Das klingt internationaler als man bei dem Cover vermutet. Erstaunlich bescheiden in der Aufmachung, verfrickelt im Sound-Design. Nähe, Ferne, orchestrale Vermutungen. In den paar Minuten presst man viel rein, was man von großen Vorbildern gelernt hat. Das Understatement, das ihnen den Raum lässt für lakonische Bilder, bereitet ihnen den Teppich für leichte Annährungen an die großen Stücke. Hier noch ein Tupfer Hall, dort mal klassisches Melodienstricken. Sie können – muss man mit Respekt anerkennen – viel, haben eine Menge mitgenommen von denen Sachen, die man schon seit Jahren liebt und wissen das zu verwenden.

Bei Black Sea Dahu im Tollhaus tauchten sie als Vorgruppe auf. Sitzend und nahezu unplugged, ohne Hektik, spielten sie ihr Set. Fast kammermusikalisch. Harmonischer Chorgesang. Und wußten mit all dem zu überzeugen.

„Then“ ist ihre EP. Es gibt noch eine LP. Then ist ein verspieltes, folkiges Experiment mit viel liebenswerter Tüftelei, das man vielen, vielen Leuten schenken kann.

So Soon im Tollhaus Karlsruhe als Vorgruppe von Black Sea Dahu am 17.07.2025
So Soon im Tollhaus Karlsruhe als Vorgruppe von Black Sea Dahu am 17.07.2025

Tonspur ist eine kleine Reihe, die in kurzen und knappen Beschreibungen (maximal 200 Wörter) sich mit den Alben befasst, die ich im Laufe des Tages anhöre. Sie folgt damit keinem Genre und keiner Reihenfolge. Ist lediglich nummeriert.

Lambert im Tempel, Karlsruhe, 28.11.2024

Lambert im Tempel, Karlsruhe, 28.11.2024

Lambert im Tempel, Karlsruhe, 28.11.2024

Also, über die Sache mit der Neo-Klassik müssen wir noch mal sprechen. Früher, so würden die altgedienten Sammler sagen, gab es ganze Labels, die bequemerweise  alles Jazz nannten – wahlweise New Jazz – und die Händler für Tonträger sortierten den Kram dann auch dort ein. Es gab und gibt auch noch heute „Neue Klassik“, aber das ist auch wieder etwas komplett anderes, und bezeichnet wahlweise auch nur Musik, die in den letzten hundert Jahren irgendwie klassischen Ansprüchen genügte.

„Neo Klassik“ könnte ein Phänomen der Streaming Zeit sein, in der wir uns gerade befinden, und für all jene die Zuflucht bedeuten, die Lounge und Ambient vielleicht doch etwas zu abgedroschen empfinden. Obwohl sich auch in diesen beiden Richtungen großartiges finden mag. Doch dazu komme ich wahrscheinlich zu einem angemesseneren Zeitpunkt, denn tatsächlich geht es hier um Lambert

Lambert ist so einer, der mit der Maske auf die Bühne kommt, wie vor ihm die Legenden aus einem ganz anderen Umfeld, sich an das Klavier setzt und vertrackte, verpuzzelte Melodien mit einer Detailtiefe spielt, von denen andere 20 Sekunden für ein ganzes Album nutzen möchten. Und wenn sich das Publikum sinnig und berührt zurücklehnt, weil all die Ansätze, Zitate und Feinheiten, doch schon irgendwie, aber auch nicht, mit der Klassik zu tun haben, dann fordert der Mann doch alle auf, mal ein bißchen mehr „Wow!“ und „Oh!“ zu rufen, an der Bar Getränke zu holen und überhaupt. Euphorie, Emotionen, Gläser an die Wand. Gut, letzteres hat er nicht gesagt.

Er weiß zu erzählen, er ist witzig, routiniert, fast schon ein Entertainer und dabei nahbar. Das wird honoriert. Spätestens als sein Schlagzeuger auf die Bühne kommt – Luca Marini, exzellenter Mann, nebenbei -nimmt das Tempo, etwas gemächlich, aber von Stück zu Stück, mehr zu. Ich habe ähnliches im Umfeld von Menschen erlebt, die Techno mit akustischen Instrumenten nachspielen. Erzähle mir keiner etwas von Neo-Klassik, wenn Lambert die Tasten mit dem Unterarm und dem Ellenbogen bedient. Dann klingt das eher so, als ob das Publikum gefälligst auf den Stühlen stehen soll, die Bühne brennen darf und wer tanzen will, sollte das verdammt nochmal tun. Er kann das alles.

Und das grandiose ist, selbst bei einer Verwandlung in einen alten Rock‘n‘Roller bleibt alles kunstfertig, setzt feine Akzente, ist sauber und mit viel Liebe für Kleinigkeiten, Möglichkeiten und Zitaten gespickt.

Ich gebe es zu, das Label „Neo-Klassik“ macht mich unruhig, weil es den Schirm zu weit aufspannt, jeden vereinnahmt, der mit einer klassischen Ausbildung Stücke verwandelt und modernisiert, und man bei Lambert sieht, dass ohne kontinuierliche Grenzüberschreitungen und dem Versuch Inspirationen aus anderen Welten zu bekommen, keine Größe und wirkliche Leistung möglich ist. Langer Satz? Ok, er kann es halt, und hebt sich damit aus der Masse der begabten Pianisten heraus, die ihren einzigen Trick gerne wiederholen. Die Vielfalt von Lamberts Spiel, die er in seinen Werken unterbringt, ist das Kapital, dem man stundenlang lauschen möchte.

Zwei Zugaben. Eine ohne Maske. Hey! Er hätte noch viel mehr machen können, und wir wären immer noch fasziniert gewesen. Er meinte, es ist Donnerstag, wir müssten ja alle morgen arbeiten. Mein Gott, wir wissen doch, dass das irgendwie geht.