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Tag: Torgeir Waldemar

Genre-Einblick: Was bitte ist Nordicana? Ein kleiner Einblick in ein nordisches Genre.

Genre-Einblick: Was bitte ist Nordicana? Ein kleiner Einblick in ein nordisches Genre.

Manchmal, wenn man in Norwegen unterwegs ist, dann sind die Wälder endlos, die Autos Pick-Ups und die Tankstellen haben gigantische Parkplätze. Die Straßen in Norwegen ziehen sich hin und wieder kerzengerade durch die grünen Flächen. Die Seen, die man ständig rechts und links erblickt, scheinen unberührt, und vieles von dem, was man wahrnimmt, gleicht dem nordamerikanischen Kontinent.

Trotzdem, Skandinavien, vor allem Norwegen ist ein Land des Metals. So kennt man das, so mag man das, so schätzt man das. Der Sound ist rauh, die Feste wild, und irgendwie passt das auch bestens zum Wikinger-Image, das durchaus geschätzt wird. Metal hat eine große Bedeutung, egal ob man in Finnland, Schweden oder Norwegen ist. Es muss nicht immer Death Metal sein, aber es macht auch nichts, wenn es genau das ist. 

Aber in den letzten Jahren hat sich viel getan. Es gibt eine Jazzrichtung, die sehr angenehm und zurückhaltend, ganz faszinierend in die weiten Landschaften und Nordlichter passt. Viele Künstler berufen sich auf das weite Land, die langen Nächte und diese unfassbaren Mengen an Schnee, die sich wie ein Tuch zur Stille ausbreiten.

Die Winter in Norwegen sind erschreckend anders als hierzulande. Die Schneemengen sind überraschend massiv, die Wände, die sich dadurch auftürmen hoch und manchmal kann man Wege nur erkennen, weil nette Leute Stäbe zur Markierung in den Boden gerammt haben.

In dieser Welt hat sich in den letzten Jahren ein Genre gebildet, dass die Gemeinsamkeiten zum nordamerikanischen Kontinent hervorheben möchte, und dabei eine Art Folk und Country etabliert, um  sich Nordicana zu nennen. Angelehnt an Americana. Jene Richtung, die einen sehr allumfassenden Blick auf die traditionelle Musik Amerikas werfen will.

Nordicana ist nicht nur in Norwegen angesiedelt, sondern versteht sich als skandinavische Variante des alternativen Countrys. Country war jahrelang eine immer stärker kommerzialisierte Musik, die einst von K.D.Lang „als Blues des weißen Mannes“ bezeichnet wurde, aber mittlerweile  auch im R‘n‘B eine Variante anbietet, die stark Top-Ten-tauglich ist. Beyonce und Shaboozey haben Country zu etwas gemacht, dass seinen Einzug in die Clubs hält. Ganz anders Americana. Americana drängt raus aus den Clubs, zurück in die Ställe, Kirchen und Scheunen. Authentischer, in seinen Erzählungen bodenständiger. In seinen Sounds manchmal stark verlangsamt. Country aus der unabhängigen Sicht. 

Und nun also Nordicana. In Norwegen ist es vor allem das Label „Die with your boots on“, dass seit 2019 als ein Unterlabel von Jansen Record, die Sparte mit eigenen Singer- und Songwriter belegt. 

Jansen Records verlegt zum Beispiel Torgeir Waldemar,  einem Singer-Songwriter aus dem Umfeld der Band „The Devil and the Almighty Blues“. Letztere würde man als Art Doom-Stoner-Bluesrock-Band bezeichnen. Er selbst ist ein erzählender Singer-/Songwriter, der stark verwurzelt in den amerikanischen Traditionen eine ganz eigene Variante der kernigen, trockenen Erzählung anbietet, die poetisch an Klischees und den Farben der Wüste anknüpft.

Malin Pettersen, vom „Die with your boots on“ – Label, würde niemand in Norwegen verorten, zu glasklar ist die Stimme, zu stark ist der Einfluss in Musik und Text von einem fast erträumten Amerika. Sie ist daher auch mit einem Fuß in Amerika, tritt dort auf Genre-Festivals auf, und bringt alles mit, was man von einem guten, traditionellen Country-Song erwartet. Bodenständige Ruhe und Gelassenheit, die sich an ländlichen Themen orientiert.

„Northern Belle“ sind eine vielstimmige Band, die an die schönsten Momente erinnerten, als Country aufbrach, um Kalifornien zu erobern. Leichtfüßige Melodien, die in den Siebzigern mit dem Rock flirteten, gelingen ihnen mit einem sympathischen Ambiente aus Chor, Background und detailverliebten Gitarren. „Northern Belle“ sind damit am nähesten am Tanzabend und Road-Movie. Eine Platte, die wirklich Spaß macht, weil Potential für eingängige Melodien und Wiederhören ist dabei „We Wither, we Bloom“.

Wie man die Sache mit Humor und einer prägnanten Stimme angeht, zeigt Ole Kirkeng, einem jungen Songwriter. Wem Titel wie „Fall in Love with you (at Ikea)“ einfallen, der muss sich keine Sorgen machen. Ole bewegt sich in seinem Metier, als hätte er schon sein ganzes Leben darin verbracht. Mundharmonika, Folkanklänge und ein Verständnis, das sich mit allen Großen messen kann. Ole Kirkeng hat mich, zugegeben, positiv überrascht. Immer wieder hören ist hier angesagt.

Nicht ganz so traditionell, schon eher in einer sehr verträumten, verspielten Folkvariante angesiedelt, ist Selma French, die eher an Namen wie Joni Mitchell und Suzanne Vega erinnert, aber sich durch den Gebrauch ihrer Stimme davon gleichzeitig wieder abhebt. Selma Frenchs Heimat ist daher auch nicht „DIe with your boots on“, sondern der ebenso beachtenswerte GRAPA-Musikverlag. Gerade weil Selma eine ganz eigene Art hat, das Thema Folk anzugehen, sei sie hier erwähnt. Denn auch Americana wurde erst durch Bands wie den Cowboy Junkies, Tindersticks, Lambchop und ähnlichen wirklich beachtenswert und wahrgenommen. Selma könnte daher eine Schlüselrolle bekommen, die in ihrer Eigenständigkeit liegt. 

Zugegeben, es handelt sich hier nur um einen kleinen Einstieg in das Genre, aber ich möchte das gerne in den nächsten Monaten nochmal aufnehmen und mit einem zweiten Teil vervollständigen. Abgesehen davon ist das ein Aufruf an all jene, die mir gerne Tipps geben können oder wollen. Ich freue mich auf weitere Entdeckungen und Namen, die ich gerne hier anfüge.