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Kategorie: Karlsruhe

Karlsruhe und Schallplatten

Lambert im Tempel, Karlsruhe, 28.11.2024

Lambert im Tempel, Karlsruhe, 28.11.2024

Lambert im Tempel, Karlsruhe, 28.11.2024

Also, über die Sache mit der Neo-Klassik müssen wir noch mal sprechen. Früher, so würden die altgedienten Sammler sagen, gab es ganze Labels, die bequemerweise  alles Jazz nannten – wahlweise New Jazz – und die Händler für Tonträger sortierten den Kram dann auch dort ein. Es gab und gibt auch noch heute „Neue Klassik“, aber das ist auch wieder etwas komplett anderes, und bezeichnet wahlweise auch nur Musik, die in den letzten hundert Jahren irgendwie klassischen Ansprüchen genügte.

„Neo Klassik“ könnte ein Phänomen der Streaming Zeit sein, in der wir uns gerade befinden, und für all jene die Zuflucht bedeuten, die Lounge und Ambient vielleicht doch etwas zu abgedroschen empfinden. Obwohl sich auch in diesen beiden Richtungen großartiges finden mag. Doch dazu komme ich wahrscheinlich zu einem angemesseneren Zeitpunkt, denn tatsächlich geht es hier um Lambert

Lambert ist so einer, der mit der Maske auf die Bühne kommt, wie vor ihm die Legenden aus einem ganz anderen Umfeld, sich an das Klavier setzt und vertrackte, verpuzzelte Melodien mit einer Detailtiefe spielt, von denen andere 20 Sekunden für ein ganzes Album nutzen möchten. Und wenn sich das Publikum sinnig und berührt zurücklehnt, weil all die Ansätze, Zitate und Feinheiten, doch schon irgendwie, aber auch nicht, mit der Klassik zu tun haben, dann fordert der Mann doch alle auf, mal ein bißchen mehr „Wow!“ und „Oh!“ zu rufen, an der Bar Getränke zu holen und überhaupt. Euphorie, Emotionen, Gläser an die Wand. Gut, letzteres hat er nicht gesagt.

Er weiß zu erzählen, er ist witzig, routiniert, fast schon ein Entertainer und dabei nahbar. Das wird honoriert. Spätestens als sein Schlagzeuger auf die Bühne kommt – Luca Marini, exzellenter Mann, nebenbei -nimmt das Tempo, etwas gemächlich, aber von Stück zu Stück, mehr zu. Ich habe ähnliches im Umfeld von Menschen erlebt, die Techno mit akustischen Instrumenten nachspielen. Erzähle mir keiner etwas von Neo-Klassik, wenn Lambert die Tasten mit dem Unterarm und dem Ellenbogen bedient. Dann klingt das eher so, als ob das Publikum gefälligst auf den Stühlen stehen soll, die Bühne brennen darf und wer tanzen will, sollte das verdammt nochmal tun. Er kann das alles.

Und das grandiose ist, selbst bei einer Verwandlung in einen alten Rock‘n‘Roller bleibt alles kunstfertig, setzt feine Akzente, ist sauber und mit viel Liebe für Kleinigkeiten, Möglichkeiten und Zitaten gespickt.

Ich gebe es zu, das Label „Neo-Klassik“ macht mich unruhig, weil es den Schirm zu weit aufspannt, jeden vereinnahmt, der mit einer klassischen Ausbildung Stücke verwandelt und modernisiert, und man bei Lambert sieht, dass ohne kontinuierliche Grenzüberschreitungen und dem Versuch Inspirationen aus anderen Welten zu bekommen, keine Größe und wirkliche Leistung möglich ist. Langer Satz? Ok, er kann es halt, und hebt sich damit aus der Masse der begabten Pianisten heraus, die ihren einzigen Trick gerne wiederholen. Die Vielfalt von Lamberts Spiel, die er in seinen Werken unterbringt, ist das Kapital, dem man stundenlang lauschen möchte.

Zwei Zugaben. Eine ohne Maske. Hey! Er hätte noch viel mehr machen können, und wir wären immer noch fasziniert gewesen. Er meinte, es ist Donnerstag, wir müssten ja alle morgen arbeiten. Mein Gott, wir wissen doch, dass das irgendwie geht.

Rhonda/ Support: Amber & The Moon in der alten Hackerei 27.11.2024

Rhonda/ Support: Amber & The Moon in der alten Hackerei 27.11.2024

Amber & The Moon in der alten Hackerei in Karlsruhe 27.11.2024

Die Location schien gewagt. Steht doch die „Alte Hackerei“ für Punk und alles, was außen rum fantastisch gedeiht. Amber & the Moon dagegen machen leises, ruhiges Liedgut, dass sie in die Nähe zum Folk bringt, aber dann doch wieder nicht, weil durchaus elektrisch. Man bricht sich die Zunge und den Daumen, wenn man sich heute über Genres unterhält. Das Gehirn mag sich verrenken, am Schluss bleibt nur zu sagen, dass es schon sehr viel intimer wirkt, wenn eine vierköpfige Band abgespeckt auf zwei Personen auf Tour geht Und die schaffen es in einer der härtesten Locations von Karlsruhe das Publikum zum Mitsingen bewegen.

Das nötigt Respekt ab. Ronja und Jonathan von Amber and the Moon sind fast traditionell mit Rhonda verbunden, waren sie doch schon vor einiger Zeit auf einer ähnlichen Tour als Vorband dabei. In einem Raum der nicht größer als ein durchschnittliches Wohnzimmer war erlebte ich sie damals in Bad Canstatt. Das Publikum bedrängt fast die Band, und das galt für Rhonda genauso wie auch Amber & the Moon. Umso schöner, dass man beidseitig gute Erinnerungen daran hat, denn es war ungefähr so, als befände man sich mit guten Freunden auf einer schönen Party.

Ähnlich in der alten Hackerei. Das die Vorweihnachtszeit angebrochen war, und außerdem ein Mittwochabend, all das mag mitgewirkt haben, aber unterm Strich muss man sagen, dass mit jedem Akkord, mit jeder glasklaren Zeile, die Anwesenden verharrten, lauschten und geneigt waren Amber & the Moon in das filigrane Gespinst ihrer Melodien zu folgen. Die alte Hackerei bot einen ungleich besseren Sound und eine richtige Bühne, die es für Amber & the Moon möglich machten, das Klangspektrum, und damit auch die leisen Töne, satter zu präsentieren. Etwas, was ihnen und ihren Werken gut tat, aber trotzdem dazu führt, dass man sich einfach mal die ganze Band wünscht. Wieviel mehr. Und überhaupt: Schon deswegen ist die bisher einzige Platte empfohlen.

Rhonda in der alten Hackerei, Karlsruhe, 27.11.2024

Zu Rhonda ist zu sagen, dass es ein schmerzlicher Abschied ist, wenn eine Band nochmal so rockig und fett seinen Abgang zelebriert. Schon nach wenigen Minuten war klar, dass man sie vermissen wird, diese wilde Kombination aus Blues, Rock, Soul und anderen Americana-Elementen, die da in Technicolor aufgefahren werden. Rhonda beackert ein in Deutschland eher unbekanntes Feld, in dem die grandiose Stimme von Milo einen Sound präsentiert, der so vertraut und doch so eigen wirkt. Ich kenne keine Band in diesem Land, die auch nur annähernd so unverkennbar im amerikanischen Songbook und den damit verbundenen Traditionen rumwühlt wie Rhonda.

Man möchte nicht meinen, dass alle aus unserer Ecke stammen, so lässig, so beflissen, so kenntnisreich präsentieren sie ein Image, das als zeitlos gelten mag, aber irgendwo in der Experimentierphase kurz nach dem Beat seinen Ursprung hat. Die Gitarren rein wie Stahl, die Orgel, als wäre nach den Sechzigern kein ähnliches Instrument mehr erfunden worden, und das Schlagzeug mit einer ungestümen Coolness, die zu langen Straßen passt.  Das ist eine hitverdächtige, immer gute Mischung, mit der man Klischees, Werbespots und Tarrantinofilme unterlegen kann. Warum zu Fux gehen die auseinander, wenn es so wirkt, als wäre dieses zauberhafte Gemisch schlicht nicht zu fälschen?

Zur alten Hackerei: Es war damals, ehemals, als es mal sowas wie einen Hit gab („Camera“) als ich Rhonda zum erstenmal in der alten Hackerei sah, und dann wie gesagt in Bad Canstatt, wo ich quasi für Ben die Gitarre halten hätte können, so nahe war ich ihm. Wieviel ungezwungener, rauher und wilder war dieser letzte Gruß in dem Punkladen. Das wirkte genauso, als wären sie nun dort wo sie hingehörten. Rockig, fetzig, ausgelassen, nochmal, dieses mal, ein letztes Mal.

Die Hoffnung ist, dass jede Abschiedstournee irgendwann zu einer Réunion-Tour führt. Unbedingt, und ich würde viel dafür geben. Selbst Oasis haben das hinbekommen. Hat ja auch niemand dran geglaubt.

Nina Caroline – NUN Kulturraum, 23.11.2024

Nina Caroline – NUN Kulturraum, 23.11.2024

Keine Ahnung, ob ich es schon mal erwähnt habe: Das NUN ist Nachbarschaft, das liegt quasi um die Ecke rum, und ich gehe auf die Konzerte, wann immer ich kann. Und: Ich höre mir definitiv nichts vorher an. Mache keine YouTube-Recherche und schaue selten bis gar nicht in die Instagram-Profile der Künstler. 

Dazunoch: Hut-Konzerte hatte ich bisher im NUN immer verpasst. Warum? Weil es dazu schlicht keine Tickets im Shop gibt. Soll heißen, Hutkonzerte sind umsonst, und am Schluss schmeißt man in den Hut das, was einem der Abend wert war. 

Manche Locations machen das gerne an den eher unattraktiven Abenden, das NUN verzaubert einem damit den Samstagabend. Und das sollte man den Veranstaltern hoch anrechnen.

Denn tatsächlich ist ein Hutkonzert keine Aussage zur Qualität, sondern eher ein Experiment um jungen Künstlern eine Bühne zu bieten. Und: Wenn es stimmt, dass dieses das erste Konzert von Nina Caroline als Headliner war, dann hat sie es mehr als gekonnt gemeistert. Und es war, wie erwähnt, ein Hutkonzert!

Nina Caroline ist eine junge Singer-/Songwriterin aus Frankfurt am Main, die begleitet von einem Gitarristen/Bassisten, ihre Songs mit einer Klarheit und stimmlichen Reinheit vortrug, die schlichtweg überzeugte. Sie erzählte von Liebe, dem Verlassenwerden, den Irrtümern, die damit verbunden sind, und erzeugt eine Nähe, die sie mit ihrem Charme zu einem fragilen Kunstwerk aus Text und Musik formte.

Die Nachvollziehbarkeit der Geschichten, die sie in ihrem Repertoire verwob, machte es dem Publikum leicht ihr zu folgen und in den Räumlichkeiten, die das NUN anbietet, jene Atmosphäre zu erzeugen, die Publikum und Künstlerin für einen schönen, kleinen Zeitraum verbindet. 

Das Überraschendste des Abends war nun eher die Tatsache, dass ihr Name noch nicht die vermuteten Bekanntheitsgrad hat. Und über allem noch der Moment lag, in dem man dachte, dass man einen neuen Namen auf der Liste hat und nächstes Jahr bestimmt noch mehr hört und überhaupt, das kann doch nicht mehr lange dauern?

Nina Caroline schreibt, nach eigenen Aussagen, seit dem achten oder neunten Lebensjahr Songs, und so überrascht es nicht, dass ihre Werke, vorgetragen in einem kleinen Rahmen und Arrangement, schon den Schliff haben, der sie rund wirken lässt und tauglich für ein Bandprojekt. Das man ihr wünschen möchte. 

Um ein Fazit zu ziehen, und etwas lehrreiches hinter her zu schieben: Abende, wie jener mit Nina Caroline sind natürlich der Grund, warum ich mir vorher keine Videos anschauen muss, denn am Schluss bin ich so positiv überrascht, dass ich es eher bedauere keine Tonträger mit heim nehmen können. Dafür wird Nina Caroline demnächst in der zweiten Folge  von „What Remains?“ auftauchen, dem Blick auf all jene, von denen es noch keine Tonträger gibt.

No Sugar, No Cream – Laden Zwei, 23.11.2024

No Sugar, No Cream – Laden Zwei, 23.11.2024

Um „No Sugar, No Cream“ vorzustellen, muss ich erstmal gestehen, dass ich in all den Jahren, die ich nicht in Karlsruhe lebte, viel verpasst habe. Im Fall von „No Sugar, No Cream“ definitiv zuviel. 

Mittlerweile schaut die Band auf eine lange Geschichte und insgesamt vier Alben zurück, von denen ich gerade mal ein einziges kenne („Future, Exhale“), das ich eher zufällig im Musikhaus Schlaile sah. Der Kauf war dann auch eine Überraschungsgeschichte. Denn es war vor allem das Label „Americana Band aus Karlsruhe“, das mich anzog.  

„Americana“, das ist ja dieses weit gegriffene Genre, das irgendwie aus Folk, alternativem Country und den Nebenflüssen besteht. Namen wie Cowboy Junkies, Lone Justice, Tindersticks und Lambchop fallen da ein. Und all das trifft es, aber auch wieder nicht.

Das schöne ist: „No Sugar, No Cream“ gehen damit so lässig und unbefangen um, als seien sie ausschließlich damit aufgewachsen, und bespielen diese Richtung mit einer Bravour, die an Fertigkeit und Können gegenüber den genannten Namen nicht zurück stecken muss. Doch im Gegensatz zu besagten Cowboy Junkies, Lambchop und Tindersticks, gelingt es ihnen auch, den Gang höher zu schalten, und das Thema so beschwingt anzugehen, dass es zum Tanze reizt.

Der Laden Zwei ist eine intime Angelegenheit, die in den Räumlichkeiten stattfindet, in denen normalerweise Mode und Accessoires verkauft werden. Die Theke wird beiseite geschoben, das Publikum kennt sich, die Atmosphäre ist sehr angenehm und familiär. Das Ganze wirkt, auch angesichts der erzählenden Songs, und den Stories dahinter, als verbringe man einen Abend unter Freunden, und staune über deren Können.

Die Versiertheit und Spielfreude der Musiker veredeln so etwas natürlich. Nachdem ich das Album gekauft und gehört hatte, war ich verwundert über die Qualität. Ich wußte zu dem Zeitpunkt noch nichts von den vier Alben insgesamt. Ich wußte im Grunde genommen gar nichts, suchte Informationen, schrieb sie an, wollte etwas über den nächsten Auftritt wissen und, ganz ehrlich, hätte sie am liebsten sofort interviewt. So wurde ich auf den Laden Zwei aufmerksam, den sie mir als nächsten Auftrittsort nannten.

Alles, was vom Sänger und Songschreiber Pete Jay Funk, zu den Songs erzählt wurde, drückte eine Verbundenheit zum Land, zur Ruhe und schwedischen Lebensweise aus. Ich war vor ein paar Wochen auch in den nordischen Gefilden, nicht Schweden, aber Norwegen, und könnte sie mir als begleitenden Soundtrack für die Reise vorstellen. Denn es passt: zu Holzhäuser, Veranden, Wälder, Herbst und Winter, sowie den ersten Sonnenstrahlen im Frühling. „No Sugar, no Cream“ haben den Sound, der zum Roadmovie oder zum Ausblick über das Tal einlädt.

Neben dem Schlagzeug (Frank Schäffner) , der Bassgitarre (Andreas Jüttner ) und natürlich dem Sänger (Peter Jay Funk) , ist vor allem die Geige (Heike Wendelin) ein hervorstechendes Instrument der Band, dass in den Kompositionen atmosphärisch zu begeistern weiß. 

Sollten alle Konzerte im Laden Zwei, in dem ich auch das erste Mal war, so sein, dann gibt es für mich ein kleines Juwel am Gutenbergplatz. Und ich werde noch oft dort auftauchen.