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Kategorie: Rezension

The Bony King of nowhere – live im NUN 09.11.2024

The Bony King of nowhere – live im NUN 09.11.2024

Man kann es nur immer wieder sagen: Das „Nun“ (Externer Link: https://nun.cafe) in der Oststadt (Karlsruhe) hat ein glückliches Händchen was seine Bookings anbelangt. Ist direkte Nachbarschaft und eine ehemalige Eckkneipe. Nichts, was ins Auge fällt. Und Tagsüber eher unscheinbar.

Nach zwei Konzerten war mir klar, wann immer ich Zeit habe, werde ich dort vorbeigehen, und was immer mein Kalender zu lässt, wird mit Tickets fürs „Nun“ bedacht. Sie machen es einfach gut. Das Programm ist rund, stimmig und verlässlich. Das „Nun“ ist sowas wie das Wohnzimmer der hiesigen Konzert-Locations.

Das Publikum sitzt auf Stühlen, lehnt an der Wand oder macht es sich auf der Fensterbank bequem. Die Bar bietet genug Auswahl für einen gelungenen Abend, inklusive eines lokalen Craft-Beers, Pøbelbräu (Externer Link: https://www.poebelbräu.com) , das ich komischerweise nur dort bekomme. Und wenn ich zuviel davon trinke, dann dauert es vierzehn Tage bis die nächste Lieferung eingetroffen ist. Das sind die harten Zeiten. Aber darum geht es nicht.

„The Bony King of Nowhere“ traten auf. Und ich muss dazu sagen, ich habe es mir angewöhnt, vor einem Konzert im „Nun“ komplett auf die weitere Recherche zu verzichten. Ich gehe dahin ohne vorher YouTube, Spotify oder auch nur ChatGPT bemüht zu haben. Und dann, wie in diesem Fall, mit 3 Vinyl Platten der Band wieder heim. Die Konzerte im „Nun“ sind ausgesprochen günstig, die Preise oft weit unter 20 Euro. Aber, so wird es teuer.

Die klassische Besetzung: 2 Gitarren, davon eine logischerweise Bass, die andere E- und akustisch, und ein Schlagzeug. Der Vokal-Part oblag dem E-Gitarristen, soweit so normal, und was man hörte, das enthielt alle Farben, die die Palette bietet. Es fehlte nicht viel, um es sich all das größer vorzustellen, auf der Bühne, vor den Massen, in der Arena oder im TV. Es funktionierte, es wurde laut, es wurde furios, es war Rock’n’Roll, es wurde zu einem finalen Gewitter, und im nächsten Song zur Ballade. 

„The Bony King of Nowhere“ hatte all die Schlaksigkeit, die Lässigkeit, aber auch die Ernsthaftigkeit, die vonnöten war, um das Publikum davon zu überzeugen, dass sie gerade teilhaben an einer Entdeckung. 

Sofern sie die Band nicht schon vorher entdeckt hatten. 

Denn – wie gesagt – es gibt drei Alben, und noch zwei, drei CDs mehr. 

Fast anderthalb Stunden stand „The Bony King of Nowhere“ auf möglicherweise der kleinsten Bühne in Karlsruhe, wußten das Haus zu rocken, aber waren sichtlich überrascht, von der konzentrierten Ruhe der Anwesenden. Abende im „NUN“ gleichen den legendären MTV-unplugged Konzerten. Man ist sich nahe, lächelt glücklich und obwohl der Raum sehr begrenzt ist, lässt man der Band den Platz, den sie braucht. Den auch für die Band gibt es keinen weiteren Raum, zu dem sie fliehen kann. So standen „The Bony King of Nowhere“ zwischen dem Abschluss und der Zugabe, die pünktlich um 22:00 beendet sein muss, etwas unschlüssig im Publikum, bevor sie sich  mit dem einen, letzten Song unter Applaus verabschiedeten.

„The Bony King of Nowhere“ haben das Zeug zum Großen, zu Hallen, zu frenetischem Jubel und großen Touren. Da ist ein stimmiges Songwriting eine gute Grundlage, aber mehr noch das richtig Timing um den Lärm poetisch zum Höhepunkt zu formen. Sie können das.

Boozoo Bajou – Grains

Boozoo Bajou – Grains

Es ist ja so, wenn das Ding mit 45 RPM abläuft, dann ist es eine Maxi. So gesehen, ist das Doppelalbum von Boozoo Bajou eine Werkschau, die aus zwei Maxis besteht. 45 RPM ist ein Geschwindigkeit, die mir für das filigrane Intro, dass sich orgelnd heranschleicht, fast zu hektisch wirkt. Mit einem sehr zurückhaltendem Tempo begleitet Boozoo Bajou in die Nacht. Der Rhythmus des Tages ist noch nicht ganz vergangen, aber wir kommen jetzt zum gemütlichen Teil. Da ist der Soul, der verhaltene Jazz, und einfach viel Zeit.

Verlässlich unaufgeregt, mit einer gewohnten Coolness, mündet die erste Seite in einem atmosphärisch dichten Instrumental Teil, der zum Loop und der verharrenden Betrachtung der Welt einlädt. Boozoo Bajou spielen zum gepflegten, aber leisen Swing auf, immer bedacht darauf, dass das Fingerschnippen noch möglich ist.

Boozoo Bajou ist ja immer auch ein Projekt, in dem man alten Bekannten wieder begegnet. Stimmen, die man andernorts schon schätzen gelernt hat. So ist es vor allem Rumer, die in den Vocals und der sehr reduzierten Begleitung in „Same Sun“ angenehm überrascht. Fast akustisch anmutend, leitet die Ballade die zweite Seite ein.

In der Zusammenarbeit erweist sich Rumer als Glücksgriff. Die Vocals, getragen von einem sehr differenzierten, atmosphärischem Sound, der Anleihen in vielen Sparten macht, sind allgemein in ihrer Ruhe und betonten Verlangsamung harmonisch und dicht – so auch Bernd Batke, Eric Dupperay und Stefan Prange – , jedoch ist die warme, klare Stimme von Rumer hervorstechend und wirkt so zugehörig, dass man sich wundert, warum erst hier und jetzt.

„Fürsattel“, der Abschluss der zweiten Seite, bietet, fast als wäre es das Konzept, ein kammermusikalisches, verspieltes Werk, das beschwingt in die zweite Scheibe leitet.

Allgemein gönnt sich Boozoo Bajou eine fast vermisste Länge der Stücke. Heute ist es eher selten, wenn Songs und Werke der Künstler 3 Minuten erreichen. Stream und die Werbung über soziale Medien führt zu einer starken Verkürzung und eine dementsprechenden Aufmerksamkeitsspanne. Der Markt passt sich an. Boozoo Bajou nehmen sich die Minuten, die es braucht, das auszubreiten, was möglich ist. Wenig ist unter 5 Minuten, das Meiste überschreitet locker die 6 Minuten, und man ist froh darüber. Manches darf auch gerne nie enden. Und die Reise kann gerne weitergehen. 

Rumer steigt bei drei Stücken ein und zwei sind umgeben von instrumentalen Werken, als würde es sich fast verbieten, einen direkten Vergleich anzustellen. Sparsam instrumentiert bleibt ihrer Stimme genug Raum um charismatisch einen prägenden Eindruck zu hinterlassen. Das ist faszinierend, und vergleichbar mit einer Sade oder ähnlichen Stimmen, die fast zeitlos an uns haften bleiben. 

Instrumental bleiben Boozoo Bajou immer im Downtempo, immer in der Entwicklung, die behäbig von statten geht, Gewöhnung und Wohlfühlen zulässt. Das kommt in kleinen Schritten mit humorvollen Titeln, wie „Kinder ohne Strom“ und „Tonschraube“.  Wer den Soundtrack auf dem Spaziergang durch die Nacht braucht, die Lichter bewundernd anschaut, und den Herbst genießt, für den ist das was.

Millie Jackson – Live and uncensored

Millie Jackson – Live and uncensored

Empowerment, explicite Lyrics und die Rangelei mit der Zensur, all das scheint eher mit dem Rap aufgekommen zu sein. In einer Zeit, in der Veröffentlichungen mit diesen Begriffen ebenso von Frauen stammen können, wie von Männern, scheint das trotzdem alles noch recht modern und neu, dabei gab es Vorkämpferinnen, die in dem Zwischenbereich aus Soul, Funk und Disco ein Feld beackerten, dass Ihnen nicht nur Lob sondern auch Kritik einbrachte.

Millie Jackson (geb. 1944) wurde geschätzt für ihre deutliche Sprache, aber hatte ebenso oft damit zu kämpfen , dass ihre Cover zu anstößig, ihre Lyrics zu derbe und ihre Ansagen zu viel enthielten, was man so nicht auf der Bühne gewohnt war. Ihre Alben sind vorzugsweise Live Alben, in denen sie im Stil einer begabten Entertainerin ihre Botschaft in einer Art prähistorischen Rap mit einer weiblichen Sicht auf die Sexualität konfrontiert, die man auch im Soul- und Funkspektrum nicht gewohnt war. Auch im Funk herrschte die männliche Blickweise vor, und noch lange, auch im Old-School-Rap waren weibliche Protagonisten nur schönes Beiwerk.

Dabei hatte es schon lange vorher Millie Jackson gegeben, die die Bühne beherrschte, ihr Publikum begeistern konnte, und die Dinge bereits auf die Spitze trieb. So findet sich auf der Seite A (an die komischerweise direkt die Seite D anschließt) neben dem passenden „Do ya think I‘m sexy“ (im Original von Rod Stewart), eine „Phuck U Symphony“, die eigentlich nichts anderes enthält.

1979 war jene Zeit, in der z.B. auch Bette Midler, eine andere, große Dame, die es schaffte, mit scharfkantiger Lyrik für Aufsehen zu zeugen, aktiv war. Mit ihr wird Millie Jackson berechtigterweise auf dem Cover verglichen. Millie Jackson ist dabei vor allem eine Performerin, die es schafft, mit einem guten Gefühl für den Soul und den Funk, das Publikum in den Groove zu führen. Es folgt bereitwillig. Sie kann singen, sie beherrscht das Genre, und verwebt darin locker ihre Sicht der Dinge.

Ganz in den ausklingenden Siebzigern angesiedelt, ist der Funk fett orchestriert, der Synthie sporadisch im begleitenden Discorhyhtmus angesiedelt, und so glitzert und brodelt es vor sich hin. Es gibt klarer Platten und kernigere Aussagen von Millie Jackson, aber wer sie live als Entertainerin erleben will, und nochmal das Gefühl haben will, einem – aus heutiger Sicht – charmant-harmlosen sexuellen Revolution im Soul folgen zu wollen, dem sei das Album – wie eigentlich alles von Millie Jackson – empfohlen. 

Nach ihr kamen dann nur noch Salt‘n‘Pepa, TLC und Destinys Child und viele mehr. Gelernt haben sie natürlich alle von Millie Jackson.

Clifton Chenier – Black Snake Blues

Clifton Chenier – Black Snake Blues

Was James Brown für den Soul ist und war, das ist Clifton Chenier für den Zydeco. Godfather. Der Name, auf den sich alle berufen, der den Zydeco groß und populär vertreten hat.

Um Zydeco zu erklären, muss man tief in die Geschichte Louisianas zurück gehen. Louisiana und vor allem New Orleans brachte verschiedene Kulturen zueinander, die – bedingt durch ihre Herkunft – nur an diesem Ort zu einer gegenseitigen Beeinflussung führt.

Die Herkunft des Zydecos erklärt sich durch wiederum durch die Cajuns. Daher ein kurzer Abriss: Als die Franzosen nach Amerika auswanderten, siedelten sie sich – wie die Engländer- in der Gegend von Acadia bei Kanada an. Damals war noch nicht alles so geregelt wie heute, die Grenzziehungen noch flexibel und der Krach mit den Engländern vorprogrammiert. Die Franzosen zogen den Kürzeren und flüchteten bis runter zum Golf von México, wo sie sich dann wiederum ansiedelt. Sie brachten ihre Sprache, ihre Musik, ihre Speisen mit, und wollten all das dort etablieren. Als Flüchtlinge trafen sie schon auf die vorhandenen Kulturen in Lousiana, und lebten – so geht die Legende – eher für sich in den Wäldern. Für die Einheimischen waren es die aus Acadia. Verballhornt, abgekürzt wurde aus Acadians schließlich Cajuns. Die Musik mit kleiner Harmonika, Geige und ähnlichen Instrumenten wurde daher Cajun-Musik genannt.

Nach der Sklavenbefreiung kreuzten sich die Wege der befreiten Afro-Amerikaner mit den Cajuns. Es kam zu einer Vermischung der ursprünglich französischen Volksmusik der Cajuns mit dem Blues. Die kleine, hölzerne Handharmonika, aber auch die Geige wurde in der Version der ehemaligen Sklaven durchs das viel lautere, italienische Akkordeon ersetzt. Es passte besser zu den Tänzen, war klangvoll und kräftig genug eine ganze Halle zu beleben und wurde damit das typische Instrument im Zydeco, neben Schlagzeug, Gitarre, Waschbrett und allem was sonst noch laut ist. In der Regel wir Zydeco ebenfalls mit französischer Sprache gesungen, muss aber nicht. Clifton Chenier sah sich eher dem traditionellen Blues verpflichtet, und gerade Black Snake Blues schleppt sich in jedem zweiten Song typischer Bluesmanier voran. Klagend, geruhsam und amerikanisch.

Der Two-Step, der dagegen geradezu hektisch und treibend wirkt, die Tanzenden auf die Fläche holte, und sie wirbeln lässt, ist traditionell in der Zydeco-Musik beheimatet. Im Instrumental-Stück „Wrap it up.“ nimmt er wie eine schwere, dampfende Lokomotive Fahrt auf und treibt alles vor sich her.

Auf der zweiten Seite, im ersten Stück findet sich ein typischer Blues in französischer Sprache, der beschwingt eben jenen verwirrenden Charme bietet, den Zydeco Stücke in sich tragen. „Monifique“ ist etwas, dass wie der Chicorée-Cafe zu New Orleans und Baton Rouge gehört. Das flirrende Akkordeon, die karge Instrumentierung zu der langezogenen Klage des Blues. Mit „Johnny Can‘t Dance“ erobert Clifton dann wieder den Tanzsaal zurück. 

„Black Snake Blues“ hält sich thematisch an die vorgegebene Richtung. So ist „I lost my Baby“ ein französischer Blues, der sich in seiner Klage fast nahtlos an „Can‘t Go Home No more“ bis zu dem treibenden E-Gitarren-lastigen Bluesrock-Stück „I got a Little Girl“ (alles auf der zweiten Seite ) weiterleitet.

Wer Blues liebt, ein bißchen Archälogie betreiben möchte, und die Seitenlinie kennenlerne will, dem sei diese Platte, in der der der Two-Step eher eine untergeordnete Rolle spielt, ans Herz gelegt. Sie rockt, und hat genau den zeitgemäßen Studio-Sound der frühen Jahre.

Clifton Chenier – Vocals and Accordion

Cleveland Chenier – Rubboard

Robert St. Judy – Drums

Felix James Benoît – Guitar

Joe Morris – Bass