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Kategorie: Bands

Gankino Circus im Kulturfenster Heidelberg, am 18.01.2025

Gankino Circus im Kulturfenster Heidelberg, am 18.01.2025

Gankino Circus im Kulturfenster in Heidelberg am 18.01.2025

Alles ganz anders. Die aktuelle Tour, die wild durch die Lande kreiselt, heißt „Das Gegenteil von Rock’n’Roll“. Die Recherche nennt sie eine Folkband aus Dietenhofen. Dazu später mehr. Zu Dietenhofen. Und nichts davon scheint einen Sinn zu ergeben, denn die Instrumentierung könnte eine Klezmer-, Cajun- und Polkaband hervorbringen. Doch auf der Bühne wackeln sie mit der Hüfte, spielen das Akkordeon wie ein Bass, die Gitarre schwelgt im Spanischen, die Klarinette im irischen und heraus kommt etwas amerikanisches. Und das ist doch Rock‘n‘Roll? 

Das Kulturfenster ist einer von den kleinen, versteckten Clubs, die im Hinterhof richtige, engagierte Arbeit für die Bühne leisten. Feine Bands, und andere Abende. Ein Stammpublikum, das sich kennt. Sowie ein helles, lichtes Ambiente mit viel Kunst an den Wänden und einen verglasten Vorbau. Wer sitzen will, darf sitzen. Die Hälfte des Raumes war bestuhlt. Sehr nahe, sehr offen. 

Gankino Circus kommen aus Dietenhofen. Nach dem ersten Song wußte es jeder, nach dem zweiten fühlte man sich heimisch, nach dem dritten erkannte sich wahrscheinlich mancher wieder. Alles scheint in dieser kleinen Region begründet, die aus altem und neuen Teil besteht und wohl irgendwie verantwortlich war für eine Band, die sich musikalisch überall einordnen könnte. Zwischen den Songs, fast schon komödiantische Kabinettstückchen, präsentierten Gankino Circus eine sehr dörfliche Idylle, die den üblichen Wahnsinn in sich trägt. Das dörfliche Gedächtnis, der Schaschlik-Charlie und was sonst noch das Herz schwer macht. Und die Heimat anziehend.

In ihren Arrangements jedoch kamen die verschiedensten Einflüsse, ohne überhaupt erwähnt zu werden, zum Tragen und mündeten immer wieder – sehr entschlossen und durchaus mit Zitaten bewaffnet – in einem amerikanischen Sound. Ganz und gar nicht das Gegenteil. Von Rock‘n‘Roll. 

Gankino Circus zogen ihr Ding durch. Sie rissen ihr sitzendes Publikum aus den Stühlen. Das Stehend war sowieso schwer zu halten. Sie rockten, sie schrammelten und wirbelten die Traditionen aus den verschiedensten Ländern in ihren Rhythmen. Das blieb eingängig, fast schon bekannt und mitsingen war gar nicht so schwer. Weil naheliegend. Gankino Circus machten Spaß, nahmen sich nicht ernst, hatten keine Scheu vor den Untiefen des Schlagers und Dietenhofen wurde quasi liebevoll geopfert. Am Schluss war es sowieso nur der Spiegel, in dem alle sich erkannten und befreit mitlachen konnten. Die Franken, also auch nicht anders. 

Es ist eine nicht zu unterschätzende Kunst, wenn Weltmusik so einfach und übergreifend, aber auch mitreißend präsentiert wird. So dass der Begriff gar nicht mehr auftaucht, weil ja alles nur eine große Gaudi ist. Und nichts anderes sollte es sein.

Externer Link: https://www.gankinocircus.de/

Externer Link: https://www.kulturfenster.de/

Paul Plut im Cafe NUN Kulturraum, Karlsruhe, am 17.01.2025

Paul Plut im Cafe NUN Kulturraum, Karlsruhe, am 17.01.2025

Eigenständiger wäre die Eröffnung des Konzertjahres im NUN kaum möglich gewesen. Eine herbe, melancholische Heimatliebe für die Steiermark zeichnet Paul Plut aus. Seine Werk, so mag man es nennen, ist gewürzt von Anekdoten. Kleine Geschichten über Schmerz, Verlust und einem dadaistischen Humor, der sich verführerisch einschleicht.

Zu Beginn archaisch, in der Fortführung theatralisch und vom Instrumentarium, wie auch dessen Nutzung, stark individualistisch. Paul Plut führte sein Publikum in die geheimnisvolle Welt österreichischer Kleinstädte, Berge und ihren Eigenheiten. Ein Instrument ist nur ein Instrument. Bis es genutzt wird. Alleine auf der Bühne, umgeben von Gitarren, einem Akkordeon, Kassetten, einer Orgel und der selbstgebauten Teufelsgeige, sowie einem Holzbrett, das sein vehementes Stampfen verstärkte, offenbarte er ein Sound-Spektrum, dass sich alles erlaubte und vieles wagte.

Es wurde verstärkt, verzerrt, harmoniert und in voller Liebe auch mal Hildegard Knef und zuletzt durchaus Rio Reiser interpretiert. Er lebt die Inbrunst der rauen Töne, ebenso wie die zerbrechliche Sprache der Chansons. Letztere lebt von den Kleinigkeiten des Weglassens, ersteres von der Kraft der ungehemmten Artikulation. Schwer zu fassen. Kaum möglich etwas herauszustellen.

In der Tradition mag man durchaus Liedermacher erkennen, die natürlich ihre Spuren in seinem Vortrag hinterlassen haben. Aber in der Konsequenz, in der er einfach die Möglichkeiten erweiterte, das musikalische Erbe bereit  ist, zu verfremden, in Stürmen und eigenen Kreationen zu verschmelzen, zeigt sich etwas, dass durchaus auch mal rauer, dreckiger, unerwartet sein konnte.

Blues ohne Blues zu sein, Punk ohne es Punk nennen zu wollen, Rock ohne Kraut, aber durch die Wucht, die lediglich eine Person erzeugen konnte, ein kammermusikalisches Ding. Mit dem Akkordeon in der Region angesiedelt. Im Text, schon durch Ausdruck und Stimmungsbild, mit der Heimat verhaftet. Angeblich verstehen ihn selbst die Menschen in Österreich nicht überall. Und das uns. In Deutschland. Im NUN, wo er begeistert gefeiert wurde. Zu zwei Zugaben aufgefordert und wenn es mehr gewesen wären, hätte auch niemand etwas dagegen gehabt.

Paul Plut komponiert für das Theater, beteiligt sich an Kunstaktionen, ist auch lyrisch beachtenswert und mit den Füßen und der Seele seinem Land verbunden. So kommt es zu einer Mischung, die dem Volkslied nahe, aber der modernen Interpretation näher ist. Wenn die Gitarre einem Orkan aus Verzerrung erliegt, dann hat die Kunst gewonnen, sich Raum geschaffen und das Werk eines Eigenbrödlers, der an alten Techniken festhält und sie in die Jetztzeit einführt, ihre Wiedererkennbarkeit erlangt. Wie bei anderen, große Künstlern, die ebenso neugierig verfremden und Technologien vermischen, bleibt auch hier das Gefühl des Happenings – der Einmaligkeit – erhalten. Eine Aktion. Eine Kunst. Das kann nicht weg, das ist gekommen um zu bleiben. Es bleibt auch die Gratwanderung zwischen Mut, Fluch und der spürbaren Sehnsucht nach der Heimat.

Dem NUN ist zu danken, dass sie Experimenten aufgeschlossen gegenüber sind. Als Eröffnung der Saison hat es die Erwartungen hochgesteckt.

Externer Link: https://paulplut.com/anfang

Externer Link: https://nun.cafe/

Tom Mess im Dixigas Record Store,Kalsruhe, 16.01.2025

Tom Mess im Dixigas Record Store,Kalsruhe, 16.01.2025

Ungeachtet dessen, dass ich noch zwei Artikel versprochen habe, hat nun das Konzertjahr 2025 begonnen. Für den Dixigas Record Store war es das erste Ladenkonzert. Damit eine Premiere nach dem einjährigen Geburtstag und ein guter Einstand in die kommende Saison. 

Die aktuelle LP von Tom Mess war Anlass. Eigentlich eine Vor-Release-Party, denn offiziell wird das neue Vinyl am 21.02. in der alten Hackerei vorgestellt. 

Als Support Gipsy Rufina. Raue Stimme, akustische Gitarre und Banjo, sowie Songs, die von Reisen erzählen. Songs über Wodka. Oder über alles, was dir sonst noch den Tag rauben kann. Glaubhaft und authentisch. Songwriting zwischen Blues und Bluegrass. Kleine Geschichten, die in diesem Rahmen, ihren besten Boden fanden. Kinder in der ersten Reihe, der spontane Charakter eines umfunktionierten Ladens, in dem die Backstage-Pässe über die Theke hängen und die Platten an den Wänden – Tiny Desk-Konzerte in ihrer ursprünglichen Form.

Es bleibt zu hoffen, dass es nicht das letzte Konzert im Dixigas war. Denn: Tom Mess spielte das, was sich heute unter den Begriffen Americana und Alt-Country tummelt. Pedal Steel Gitarre, akustische Gitarre, Bass, E-Gitarre und Schlagzeug, sowie eine Sängerin. Der Platz war begrenzt, der Sound satt, die Stimmung gut, die Nachbarn hellhörig. Die Stücke wurden daher variiert, leiser gespielt, aber übrig blieb der Eindruck einer Eigenständigkeit, die sich ähnlich wie bei den Bands der skandinavischen Nordicana-Szene nur bedingt an dem orientiert, was aus dem Westen kommt. Um es dann zu erweitern. Es mag die Sehnsucht nach einem klaren Sound und der großen Möglichkeiten sein, die in diesem Genre den neueren Bands ein Leitbild ist. Auch Tom Mess legt seiner aktuellen Platte ein imposantes Booklet bei, dass die Lyrics aufbereitet.

K.D.Lang, sagte einmal, dass Country der Blues des weißen Mannes sei. Und es ist tatsächlich eine der einprägsamsten Erklärungen, die es für Country, vor allem für Alt-Country oder Americana gibt. Tom Mess und seine Band nutzen die Bilder, die diese Richtung prägen, um sie einzufügen in die Nahbarkeit, die durch den klagenden Sound der Pedal-Steel-Guitar geprägt wird.

Es war ein kurzer, angenehmer Abend, der ein Vorgeschmack auf das sein konnte, was in der alten Hackerei folgen wird. Lauter, so die Band, mit großen Boxen, sagt die Band. Aber im Grunde braucht es das ja gar nicht. Überzeugt auch so schon. Alles gut.

Externer Link: https://Tommess.bandcamp.com

Externer Link: http://gipsyrufina.com

Externer Link: https://dixigas-records.de

Amy Montgomery im Kohi,Karlsruhe, 20.12.2024

Amy Montgomery im Kohi,Karlsruhe, 20.12.2024

Vinyl, also Schallplatten und eine Tour sind zwei komplett verschiedene Dinge. Manchmal erweist sich das als gut. Eine Tour zwingt die Arrangements zu überdenken, die Songs bis auf die Knochen zu entkleiden. Um sie dann in einer kargen Schönheit neu zu interpretieren.

Amy Montgomery trat ohne Band auf. Zu zweit standen die MusikerInnen auf der Bühne. Ihr Begleiter übernahm damit alle Parts. Drums, Keyboard, Gitarre, Bass, Computer, und es ist sehr wahrscheinlich, das ich etwas übersehen habe.

So blieb viel Raum für Amy Montgomerys Stimme. Jene Stimme, die alle Songs trägt und die zwischen Blues und Folk, und Robert Plant und Rio Reiser pendeln kann. So rau, wie der Blues es braucht, so laut, wie der Rock es benötigt und ansonsten so kraft- und druckvoll, dass das Mikrofon zu ihr Abstand hält, aber das Publikum staunend näher kam.

Verziert mit einer Art Kriegsbemalung, die einen Strich quer unter ihren Augen darstellte, interpretierte sie ihre und fremde Werke in purer Energie. Astil, das Kunstwort und Titel ihres aktuellen Albums, wirkte dabei wie ein tobendes, indigenes Werk, das reduziert auf Stimme und Drums eine bestechende Intensität vorweist.

So zurückhaltend und charmant sie zwischen den Songs agierte, so ungestüm wurde es, sobald die Musik sie begleitete. So wurde Rio Reisers Werk „Für immer und dich“ so originär ins englische transformiert, dass es wahrhaft und authentisch erschien. Als gehöre es so, als wäre das die Bestimmung, und alles gut. Da konnte man nichts gegen sagen. Ohne Zweifel glaubt man ihr, dass sie dieses Stück liebt.

Charlie Patton im selben Set zu spielen, und es trotz dem schweren, harten Blues als logische Schlußfolgerung erscheinen zu lassen, war die Kunst einer Zusammenstellung aus Pop, Rock und Blueselementen, die sich einer Kategorisierung entzog. Amy Montgomery hielt die Balance, blieb zurückhaltend zwischen den Stücken, jagte aber über die kleine Bühne, wenn ihre Stimme die Oberhand gewann. Die Gesten war groß, der Gesang war größer, das KOHI schien hier nur Probemraum für Hallen, die sie bespielen könnte.

Die Größe, das Volumen und die Bereitschaft alles zu geben, das Publikum zu erobern mitzunehmen und es am Schluss wirklich bei sich zu haben, war eine Kunst, die gerne beobachtet wurde. Denn sie konnte das. Sie zog alle in den Bann, ergriff sie mit ihren Leistungen und nahm sie mit in ihre Welt. Amy Montgomery Stimme ist rau, hart, umschmeichelnd, laut, angenehm und immer eine wilde Mischung aus all jenen Genres, die sie zu verehren scheint, und dazu gehört – zu Recht und unbedingt – Led Zeppelin, aber auch SongwriterInnen wie Sharon van Etten. Ein Spannungsfeld, das so bezeichnend und bleibend ist, das man es fast fühlt.