Rene Lober

Rene Lober

Rene Lober (11. September 1963 - 16.November 2025)

11.September 1963 – 16. November 2025

Es sind die vielen, kleinen Anekdoten. Die aneinandergereihten Geschichten, die nicht mehr in der richtigen Reihenfolge erscheinen. Sie tauchen tauchen plötzlich aus der Erinnerung wieder auf. Sie lassen Innenhalten. Und erschüttern mit ihrem Wissen: Es wird nicht mehr so sein.

Rene ist gestorben. 

Viel zu früh, viel zu überraschend. Ich dachte immer, wir werden alte, grantige und lässige Männer. Hängen dann in Cafés ab und erzählen uns Geschichten aus der gemeinsamen Zeit. So wie man das macht. René mit der Selbstgedrehten in der Hand und dem Baileys im Kaffee. Ich mit einem Espresso, der in der Milch fast verschwindet. 

Wir hätten viele Themen gehabt. Es gab immer eine Menge zu besprechen. Wir kannten uns aus einer Zeit, in der wir die Nächte durchtanzten und viel diskutierten. Wir tranken so einiges, und dachten wir stünden kurz davor, der Welt einen neuen Drall zu geben. 

Da war dieser gepfefferte Wodka aus Schweden. Mit dem hätte man Löcher ins Eis schmelzen können. Das Zeug brannte. War vernichtet an einem Abend mit Literatur und anderen wilden Sachen.

Schaue ich heute zurück, dann sind es auch diese wunderbare und fast vergessene Momente, die mein musikalisches Verständnis prägten. Gar nicht so wenige davon, verdanke ich René. Er hatte die seltene Gabe, sich auf Töne und Klänge einzulassen. Die vielleicht auch mal borstig, neu und eher ungewöhnlich daher kamen.

Ich schleppte die erste Adam & the Ants-LP zu ihm. War nicht seins, aber er mochte das Getrommel. Zwei Schlagzeuge. Wie schön wild.

Wir stürzten uns in das Pogues-Konzert 1988 in der Schwarzwaldhalle. Er mochte Folk-Punk.. Wir wurden mitgerissen, prallten gegeneinander und gegen die Anderen. Waren beeindruckt, von dem ungestümen Pogo, und der Rücksichtnahme, die damit einherging.

Rene Lober (11. September 1963 - 16.November 2025)

Wir waren uns einig, dass Giora Feidmann eine ganz wunderbare Klarinette spielt. Und Shantel geiles Zeug macht. Wir saßen gemeinsam vor SOHN andächtig auf dem Teppich im Jazzfestival Rotterdam 2014.  Sehr angetan von dessem damals ungewöhnlich dramatischen und abgeklärtem Auftritt. 

Aber Rene’s Liebe gehörte auch Al Jarreau, den er in seiner Jugend gerne musikalisch zitierte (und dabei in der Mimik so sehr ähnlich war, dass es uns beide überraschte, als wir ihn das erste Mal live sahen).

Meine Liebe für Klezmer, mein Zugang zur Balkan Musik, und mein unbefangener Umgang mit der Klassik – haben sehr viel mit René zu tun. Es wird ihm nie bewußt gewesen sein. Denn ich habe es ihm gegenüber wahrscheinlich nie geäußert.

Wir teilten nicht alle musikalischen Vorlieben.  Aber er begegnete den Sachen, die ich gerne anschleppte, vorurteilsfrei und mit Interesse. Seine Neugier war so groß, dass ich ihn nicht abschrecken konnte. Seine Bereitschaft sich auf Neues einzulassen zeichnete ihn aus.

Die Beatles waren seins, Nick Cave war unseres, Tom Waits sowieso, Brian Eno war interessant. R.L.Burnside richtig gut.  Die Cramps verschenkte er, nachdem er sie mal gehört hatte und war verwundert über deren Titel. 

Rene Lober (11. September 1963 - 16.November 2025)

Er mochte Pop, Jazz, Folk, Soul, das klassische Gitarrenspiel, genauso wie die Lyrik Franz Josef Degenhardts, den er sehr verehrte. Alles aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen, aber es ist wichtig zu verstehen, wie vielfältig und tolerant sein Verständnis der Kunst war. 

Wir waren bei den Pet Shop Boys im Mannheimer Eisstadion, und hätte es eine Chance gegeben, solche Größen wie Piaf zu sehen, so hätten wir es wohl auch getan.

So wie René mit der Musik umging, so begegnete er auch den Menschen. Er war ihnen schnell vertraut, unterhielt sich mit Ihnen und feierte mit ihnen. Es gab Abende, in denen die Zusammensetzung meiner privaten Feste gewagt schienen. Hinsichtlich der politischen Richtung der Gäste oder ihrem Status. Eine bunte Mischung aus allem, was die einzelnen Fraktionen zu bieten hatten, und es waren die schönsten, entspanntesten und lustigsten Abende. Er konnte mit politischen Gegnern lachen, sie warm in sein Herz schließen, und hilfsbereit zur Seite stehen. Er war bereit Brücken zu bauen, mit jedem erstmal am Tisch zu sitzen und dem Abend eine Chance zu geben. Wir hatten viel Spaß. Die Anwesenden schwärmten von ihm. Sie erinnerten sich. Er blieb ihnen im  Gedächtnis.

René pflegte viele Freundschaften. Manche von einer Intensität, die über viele Jahre und große Distanzen gingen. Seine Bereitschaft zur Hilfe war manchmal größer als die ihm zur Verfügung stehende Zeit. Er half bei Umzügen, Renovierungen, liegengebliebene Autos und Computerproblemen. Es war Teil seiner Legende und Biografie. Ich war manchmal überrascht, in welchem Zusammenhang er plötzlich in der Wohnung ganz anderer Freunde stand und den Farb-Pinsel schwang.

Rene Lober (11. September 1963 - 16.November 2025)

Er stellte mir hunderte von Menschen vor, von denen ich die wenigsten wiedersah. Seine Netze waren groß, seine Bekanntheit unglaublich und es gab immer einen Platz in seinem Herzen und seinem Tisch.

Sein Wissen um Literatur, regionale Künstler und sein Wille über diese zu sprechen, ihren Wert zu vermitteln, war mir eine Freude und Genuss. Unsere Gesprächsthemen, die sich mit zunehmenden Alter auch den Gebrechen zuwandten, waren immer angefüllt mit Inspiration und Ideen, die ich mit heim nahm. Ich werde es schmerzlich vermissen.

Er muss auch Kurt Vonnegut mit seinem Bestseller „Slapstick“ Jahre nach der Veröffentlichung einen kurzen Ruhm verschafft haben. Schenkte er doch jeder Person, die einst mit ihm die Abendschule besuchte, eine Ausgabe des Romans.

Er schenkte gerne. Seine Aufmerksamkeit, sowie sein Hab und Gut. Und Dinge, die eine Erinnerung und eine Idee hervorriefen. Seine Geschenke kamen spontan und überraschend, Kleinigkeiten manchmal, aber hin und wieder auch von einer erschütternden Großzügigkeit, die einen staunen machte.

Meine Jahre in Heidelberg trennten uns praktisch, wir lebten mehrheitlich an verschiedenen Orten, in anderen Freundeskreise. Unsere Ziele, Hobbys, Wege, und unser Engagement waren sehr unterschiedlich. Ich erlebte seinen Einsatz, war fasziniert von seiner Unermüdlichkeit, von der stetigen und fleißigen Präsenz bei bestimmten Themen. Diese Kontinuität in einem durchaus farbigen, bunten und spannendem Leben, flößte mir Respekt und Bewunderung ein. 

Für mich blieb er der Freund, den ich von Tag zu Tag stärker vermissen werden.

Wie gesagt, es gibt Zeiten und Erinnerungen, die mich erschüttern, Auch weil es niemanden mehr gibt, mit dem ich sie in Zukunft teilen werde.  Es wurde mir so abrupt genommen  -sein schmunzelndes Lächeln zu erleben. Wenn wir wieder mal – einem unserer Gespräche – durch die Kultur oder unsere Geschichte reisten. Kreuz und quer, jede Abbiegung zwischen UBU, Cafe Wien und ähnlichen Orten nahmen.

Wir wären tolle, alte Männer geworden. Ein bißchen selbstgefällig, sehr locker und ständig mit Erzählungen aus einer fantastischen Zeit. Wir hätten es uns gemütlich gemacht, in irgendeinem kleinen Straßencafé und alle betrachtet, die keine Zeit dafür haben. Wäre großartig geworden.

Rene Lober (11. September 1963 - 16.November 2025)

Ein Gedanke zu „Rene Lober

  1. Ich kann es immer noch nicht fassen. Am Donnerstag vor seinem Tod hatte er mich noch in der Agency abgeholt und wir waren kurz noch eine heiße Schokolade schlürfen. Und dann die Nachricht, die ich nicht glauben wollte.
    Schock.
    Mit meinen Kollegen Daniel und Fränkie werde ich ins ‚Segafredo‘ gehen, einen Kaffee mit einem Schuss Baileys bestellen und an ihn denken.
    😢

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