Man darf gespannt sein, ob Millie Jackson mal irgendwann die Ehren zu teil werden, die sie verdient hätte. Im Grunde hat Millie Jackson nichts falsch gemacht – sie war einfach zu früh dran. Und damit die Wegbereiterin für soviele Frauen vor ihr. Millie Jackson bewegte sich im Soul und Funk-Umfeld. Doch sie war frecher, herausfordernder, konkreter und überall dabei. Millie Jackson hatte keine Angst, die Dinge beim Namen zu nennen. Und sie tat es auch. Ohne Scheu und Angst. Sie eckte an.
Vergessen wird dabei gerne, dass sie über Jahrzehnte eine fantastische Entertainerin war, immer für ihre eigene Sache einstand, kompromisslos im Thema war, eine Horde begnadeter MusikerInnen um sich scharte und durchaus mit Größen wie Isaac Hayes auf der Bühne war.
Millie Jackson war damit ihre eigene Marke, sie stand für sich selbst und war immer bereit den Weg noch einen Schritt weiter zu gehen. Auf „I had to say it“ steigt sie mit einem Rap ein, um mit einer sanften Soulnummer weiterzu machen. Wie immer mit ausdrucksstarker Stimme, dem etwas rauen Timbre, verstärkt von einem gewaltigen Chor. Das hat alles, was es braucht. Man darf nicht vergessen, Millie Jackson hat dieses und andere Alben selbst produziert. War also auch in Sachen Selbstbestimmung schon 1980 ein Leuchtfeuer. Sie hätte so viel mehr Achtung verdient.
Tonspur ist eine kleine Reihe, die in kurzen und knappen Beschreibungen (maximal 200 Wörter) sich mit den Alben befasst, die ich im Laufe des Tages anhöre. Sie folgt damit keinem Genre und keiner Reihenfolge. Ist lediglich nummeriert
Tonspur Nr. 22: Al Rapone and the Zydeco Express „Cajun Creole Music“
Wenn Clifton Chenier der König der Zydeco Music ist, dann ist Al Rapone zweifellos der Botschafter. Ursprünglich aus Kalifornien, als Bruder der ebenso bekannten Queen Ida, war Al Rapone umtriebig und überall unterwegs, wo er willkommen war.
Da Zydeco, egal wo außerhalb Louisianas, immer einen kleinen Exoten-Bonus hat, muss man anerkennen, dass es z.B. sehr gute Aufnahmen Al Rapones aus der DDR gibt.
„Cajun Creole Music“ ist dabei ein Album, dass bei der Vermischung der französischen Tanzmusik mit anderen Einflüssen, einen weiten Bogen spannt. So zeigen sich Spuren der Polka, des spanische-italienischen Einflüsses, um dann wieder zur zur ursprünglichste Form der Cajuns zurück zu kommen.
Al Rapone, der sich auch als Songschreiber hervortat, unterscheidet sich in seinen Wurzeln etwas von den typischen Komponisten seines Genres. Die Grundzüge seines Spiels tragen die farbenreichen Facetten der europäischen Akkordeonkultur. Zwar bedient er sich den Zydeco- und Cajuntypischen französischem Klang, doch wer die Reisen des Instruments durch die Länder verfolgt, der weiß, dass nichts für sich steht, und viele Töne aus einem reichen Fundus schöpfen. Und Al Rapone gehört zu den Zydeco-Musikern, die das zu nutzen wußten.
Tonspur ist eine kleine Reihe, die in kurzen und knappen Beschreibungen (maximal 200 Wörter) sich mit den Alben befasst, die ich im Laufe des Tages anhöre. Sie folgt damit keinem Genre und keiner Reihenfolge. Ist lediglich nummeriert
IRMA – Neue Veröffentlichungen 07/08.2025 (Teil 3)
Ein paar Sachen sind noch in der Pipeline. Das rührige Label IRMA war in den letzen Wochen sehr aktiv. Ich jedoch weniger. Es gibt also einiges nachzuholen:
Vitolino Bellisario – Waiting for the Weekend. Funky, schleifender Disco-Beat mit der nostalgischen Sirene im Background. Schwerer Stampfer für den Tanzboden. Dort wo er noch festgetreten werden muss. Das ist der Spaß am nostalgischen Sound, der Monotonie und dem fettesten Beat. Kickt den Sommer mühelos, braucht aber eine Bar.
Kid Mark – Soul of House – Muss man Zeit lassen, schöne Soul-House-Nummer, klassischer Machart. Feine Stimme, wie man sie aus den geradlinigen Neunziger kennt – als die Rege-nl noch klar und unkompliziert waren. Für den richtigen Raum eine Zeitreise.
J.Soul – Like Me – Ruhig, angefunkte Nummer. Für beschwingtes Cruisen. Hübsch eingespielt, als wäre es Teil eines Albums einer vergessenen Popkönigin. Soulpop mit dem Discofeeling – das zum Rollschuhlaufen einlädt.
Groove on Commission – When the Time is right. Instrumentales, dichtes Werk, das soviel verschlepptes Drum- und Orgelmaterial in sich trägt, dass es für die Disco zu gewagt, aber für den Acid-Jazz-Laden genau das richtige Futter darstellt. Macht enorm neugierig, was die Jungs noch so machen. Das ist verwickelt konstruiert über einem treibenden Beat, der alles hat, vor allem seine Berechtigung. Viele Zitate aus der richtigen Zeit, als der Jazz die Clubs stürmte. Mag ich sehr. Führen sie konsequent und verspielt in allen Nummern der EP fort.
Grindalf – Code. Ganz dem künstlichen Sound verschrieben. Tönesammler und -Tester, die vor nichts zurückschrecken, und die Floors anzünden wollen. Treibendes Material, sehr elektronisch. Flirrend und vielschichtig. Bummert und sucht den Climax. Reizt die Autoboxen aus, und gehört in die schnellen Clubs.
Garcia & Belladonna – Alternative Muffin. Raggastyle. Der Toaster hetzt dadurch, der Rhythmus hat eine schnelle Reise aus Jamaica hinter sich. Dazu ein Tüpfelchen Acid Jazz, die Orgel, die vor nichts zurück schreckt, das Piano mit authentischen Geklimper einer Danceparty. In der Mischung drängt sich der Kram mal kräftig in die Gehörgänge. Klingt, als wäre die Nacht schon am höchsten Punkt, alle schon im Pool und der Rest will noch Tanzen. Hübsche Swingnummer, trotz der ganzen Zutaten. Die Bandbreite reicht aber bis rüber zur Cocktail-Bar. Hübsches Verständnis einer lauen Nacht.
Filippo Perbellini & Ken@Work – Papa was a rollin’ stone. Die Kunst besteht natürlich darin, der Nummer, die wir alle kenne, nochmal etwas Power zu vermitteln. Also etwas schneller, die Geigen fetzen etwas mehr, die Gitarren eine Prise funkiger, und den Chorgesang kräftiger. Aber immer noch so nahe am Original, dass es niemanden erschrickt. Darf man das? Klar. Muss man das? Wenn es funktioniert, aber immer. Satte Bläser, und vor allem – mehr von allem. Klingt so sauber, und straight, als wäre der Remix nötig gewesen. Kann sich mit der historischen Nummer von „Was not was“ durchaus messen, und das will ja auch was heißen.
Danny Losito & Visnadi – Melody. Beginnt fast ein wenig zu zurückhaltend. Scheint nicht zu greifen, um dann – aber dann – dick aufgetragen, die Streicher nur noch als Tragfläche für einen Beat so fest und breit wie Pudding zu nutzen. Kommt und geht wie eine Welle, immer dann, wenn mit nichts böses ansonsten gerechnet wird.
Melody, Alter, die haben Humor. Immer waten, immer eine komplette Mauer errichten. Immer Dampf im Stampf.
Banda Brasileira – Goodbye Stranger. Das sich jemand mal an eine Nummer von Supertramp ranwagt, diese mit einem Samba-Rhythmus unterlegt und damit zu einem Stück Club-Kultur macht, hätte ich jetzt auch nicht gedacht. Kann man anhören, auch wenn das nicht wirklich nötig gewesen wäre, aber so richtig schlimm ist es nicht. Denn irgendwie funktioniert es sogar. Lustig.
Man muss zuallererst sagen: Im Grunde heißen fast alle Platten von Clifton Chenier so: „King of Zydeco“. Man tut dem Mann natürlich damit nicht unrecht. Es ist vollkommen klar, dass es nur einen gibt, dem diese Ehre gebührt.
Zydeco ist die ungezogene Sippschaft, die sich die Cajuns mit dem Blues ins Haus holten. Um den kurzen Abriss zu wiederholen: Cajun ist die Kultur der französischen Einwanderer, die sich in den Sümpfen Lousianas an den Tänzen und der Musik ihrer Heimat orientierten. Zydeco ist dagegen eine spätere Melange, die sich aus den Einflüssen entlassener Sklaven, also dem afrikanischen Blues und eben jenem bildeten, was die Cajuns eingeführt hatten. Zydeco wird also französisch gesungen, hat in der Regel ein leitendes italienisches Akkordeon und eine starke Affinität zum Rhythm‘n‘Blues. Führend in dem Metier, und daher überall vertreten, wo Zydeco nur ansatzweise erwähnt wird: Clifton Chenier.
Das Album ist daher ein Best-of-Stampfer, Partytauglich und wegen den bekannten Melodien zum Mitsingen geeignet. Clifton darf hier zeigen, worum es geht, was den Zydeco ausmacht, und warum wir ihn alle mögen. Nichts falsch zu machen damit. Verschwitzt, aufregend und der richtige Einstieg.
Tonspur ist eine kleine Reihe, die in kurzen und knappen Beschreibungen (maximal 200 Wörter) sich mit den Alben befasst, die ich im Laufe des Tages anhöre. Sie folgt damit keinem Genre und keiner Reihenfolge. Ist lediglich nummeriert